Mit einem neuen Angebot niederschwelliger Sozialarbeit möchte die Stadt zwei benachteiligten Zielgruppen unter die Arme greifen: jungen unbegleiteten Geflüchteten und älteren Obdachlosen. Sie müsse die jungen Migranten unterstützen, da sie aufgrund einer "Gesetzeslücke", wie es Fachbereichsleiter Raphael Wiedemer-Steidinger formuliert, aus allen anderen Zuständigkeiten herausfallen, bei den älteren Obdachlosen rechnet die Verwaltung mit einer Zunahme.
Externe Einrichtungen sollen Aufgabe übernehmen
Um beiden Gruppen kompetent zur Seite zu stehen, gegebenenfalls auch staatliche Unterstützung beantragen zu können, sollen sachkundige externe Einrichtungen mit dieser Aufgabe betraut werden. Dazu gehören der Verein Rückenwind, der Georgenhof nahe Bambergen sowie die Linzgau Kinder- und Jugendhilfe in Deisendorf, die alle drei junge unbegleitete Minderjährige bis zur Volljährigkeit mit Unterstützung des Kreisjugendamts betreuen. Deren Zuständigkeit mit diesem Zeitpunkt allerdings endet. Für den Aufbau eines entsprechenden "niederschwelligen Angebots" beschloss der Gemeinderat, ab 2019 jährliche einen Betrag von 82 000 Euro bereitzustellen.
"Wir wollen nicht für das Landratsamt einspringen", betonte Wiedemer-Steidinger explizit, "sondern die Betroffenen lediglich bei der Geltendmachung von Ansprüchen unterstützen." Es gebe derzeit 20 bis 30 unbegleitete minderjährige Ausländer in der Stadt, die bislang Leistungen der stationären Jugendhilfe erhalten hätten. Diese jungen Menschen würden obdachlos, erklärte der zuständige Fachbereichsleiter, "sobald sie den Anspruch auf stationäre Jugendhilfe verlieren". Sie kämen nicht in eine Anschlussunterbringung und erhielten auch keinerlei Leistungen, die dort vorgesehen seien, wie zum Beispiel ein Integrationsmanagement. Damit gebe es für sie keinerlei Begleitung auf dem Weg, wie sie zu einem Job und einer Wohnung kommen könnten.
Für diese Aufgabe wolle die Stadt allerdings kein eigenes Personal aufbauen, erklärt Raphael Wiedemer-Steidinger, zumal es kompetente Einrichtungen der stationären Jugendhilfe im Einzugsbereich der Stadt gebe, die jungen Migranten teilweise schon länger betreut hätten. Sie könnten diese Rolle eines Integrationsmanagers in Form einer "mobilen Betreuung" übernehmen. Mit ihnen sollten nach den Vorstellungen der Verwaltung Dienstleistungsverträge abgeschlossen werden.
"Von den Jüngeren – das könnten auch Menschen ohne Fluchthintergrund sein – sind uns und den anderen Einrichtungen aus der bisherigen Arbeit ein großer Teil schon bekannt", sagt Sebastian Paulsen vom Verein Rückenwind. Das könne den Zugang und die Zusammenarbeit erleichtern. Die Gründe, dass die jungen Menschen aus der stationären Jugendhilfe herausfallen, kann neben der Volljährigkeit auch andere Gründe haben.
Sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede
Möglicherweise halte das Amt die Ziele für erfüllt, erklärt Paulsen, der junge Mensch könne sich auch selbst für selbstständig erklären und eine stationäre Einrichtung verlassen wollen. Doch auch wenn er sich eine Ausbildung zutraue, brauche er hier ebenso noch eine Begleitung wie bei Behördengängen. Neben den sprachlichen Barrieren gebe es die kulturellen Unterschiede. Und Formulare richtig auszufüllen, sei hierzulande nicht so einfach. Dabei zu helfen, hätten die externen Einrichtungen in Vorgesprächen mit der Stadt vereinbart. Details müssten erst noch geklärt werden.
Auch weitere Fälle von Obdachlosigkeit älterer Menschen seien in nächster Zeit zu erwarten, heißt es bei der Stadtverwaltung. Ein Problem sei, dass all diese Menschen Anspruch auf Sozialleistungen hätten. "Aber die Hälfte dieser Menschen nehmen die Leistungen zur Verbesserung der persönlichen Verhältnisse nicht in Anspruch", erklärte er. Teilweise seien es Informationsdefizite, aber auch oft eine "persönliche oder psychische Überforderung" bei der Antragstellung beziehungsweise die Angst vor einer Stigmatisierung.
Stadt will nicht die Rolle des Landratsamts übernehmen
Die Stadt wolle keineswegs "die Rolle des Landratsamts übernehmen", erklärte der Fachbereichsleiter, sondern die sozial Bedürftigen lediglich bei der Wahrnehmung ihrer Ansprüche bei den zuständigen Ämtern unterstützen. "Wir sehen dies als ergänzende Aufgabe in unserer Rolle als Ortspolizeibehörde für die kurzfristige Unterbringung von Obdachlosen." Zudem solle dies eine Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang zu einer dauerhaften Wohnmöglichkeit und Arbeit für ein selbstbestimmtes Leben sein.
Gesetzeslücke
"Wie kann das sein, dass die Jugendliche nicht in eine Anschlussunterbringung kommen können?" fragte Stadtrat Roland Biniossek (Linke) nach den Hintergründen der Problematik. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz sehe diesen Wechsel einfach nicht vor, erklärte Fachbereichsleiter Raphael Wiedemer-Steidinger. Diese Gesetzeslücke sei zwar "allen bekannt", sie sei jedoch noch nicht geschlossen worden. "Die Maßnahme ist dringend nötig", sagte Oswald Burger (SPD), zumal mancher in derlei Situationen auf die schiefe Bahn gerate. Auch die Scheu, sich anderen anzuvertrauen, liege nahe.
Die SPD habe sich zunächst zwar gefragt, ob es sinnvoll sei, "diese Aufgabe auszulagern", erklärte Burger. Doch man habe sich sagen lassen, dass es bei der Stadt nicht die erforderliche Kompetenz gebe. "Wir reparieren etwas, was andere verursacht haben", sagte er. "Das Geld ist sicher gut angelegt", betonte auch Robert Dreher (FWV/ÜfA). "Wenn wir dies nicht tun, kommt es uns am Ende noch teurer zu stehen." Alle drei Träger stationärer Hilfe – der Georgenhof, die Linzgau Kinder- und Jugendhilfe sowie Rückenwind – hätten sich im Vorfeld schon bereit erklärt, sich bei diesen mobilen Hilfen zu engagieren, betonte Raphael Wiedemer-Steidinger auf Nachfrage von Stadtrat Walter Sorms (LBU/Grüne).