Er versetzt die halbe Republik in Schrecken, wenn er die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Luftqualität durchsetzen will: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, legt sich daher mit Städten wie Berlin und Köln, München und Stuttgart an und schafft es, vor Gericht Autofahrverbote zu erwirken und die Androhung von Zwangsmaßnahmen gegenüber Landesregierungen.

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Nicht „viel Feind, viel Ehr“ ist Reschs Credo, sondern: Die Luftqualität und die Gesundheit der Menschen soll Vorrang haben vor der Freiheit des Autofahrers. Um dafür zu kämpfen, ist Resch kompromisslos, konsequent und hartnäckig. Der Mann, der vom Bodensee stammt, ist seit vielen Jahrzehnten in Überlingens Teilort Bonndorf zuhause. Jürgen Resch weiß nur zu gut, dass die Luftqualität auch in seiner Heimatstadt an vielen Stellen schlecht ist. So begab sich Resch mit dem SÜDKURIER auf Spurensuche und demonstrierte mit seinem geeichten Partikelmessgerät mehrere Problemzonen.

Auch die neuesten Bahnen hinterlassen noch Dieselabgase, die sich im Trog des Überlinger Bahnhofs Mitte oft stauen.
Auch die neuesten Bahnen hinterlassen noch Dieselabgase, die sich im Trog des Überlinger Bahnhofs Mitte oft stauen. | Bild: Hanspeter Walter

Kneipp-Prädikat ist gefährdet

Im Dezember bekam die Stadt Überlingen ihre zweite Abmahnung als Kurort. Die Luftqualität sei nicht gut genug, um das Prädikat Kneippheilbad vor sich her zu tragen, befand das Regierungspräsidium Tübingen binnen fünf Jahren nun schon zum zweiten Mal. Kurorte sollten sicherstellen, hieß es in dem Rüffel von der Tourismusförderung, „dass ein Aufenthalt für Kur- und Heilzwecke in einem lufthygienischen Milieu stattfindet, bei welchem der Kurgast das örtliche Klima und die örtliche Luft als ‚natürliches Heilmittel‘ anwenden kann. Auf keinen Fall darf man mangelnde Luftqualität den Erfolg von Kuranwendungen gefährden.“

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Nun kann man zurecht einwenden, dass die „Kontrollanalyse“, auf die sich die Behörde beruft, zumindest auf tönernen Füßen steht, da gar keine aktuelle Messungen vorgenommen worden waren, der beauftragte Deutsche Wetterdienst sich auf Werte aus den Jahren 2013/2014 bezieht und einfach extrapoliert hat. Darauf hatte Rolf Geiger vom Amt für Grünflächen, Umwelt und Forst jüngst im Technischen Ausschuss hin.

„Der muss einen Partikelfilter haben“: Bei diesem Lastwagen  auf dem Münsterplatz staunte selbst Jürgen Resch über die ...
„Der muss einen Partikelfilter haben“: Bei diesem Lastwagen auf dem Münsterplatz staunte selbst Jürgen Resch über die relativ geringen Abgaswerte. | Bild: Hanspeter Walter

Wenn Resch am Wochenende nach Hause an den Bodensee kommt, hat er sein Partikelmessgerät im Gepäck

Doch man kann in der Innenstadt schon mit der eigenen Nase riechen, dass es mit der frischen Luft an einigen Orten nicht zum besten bestellt ist. Das weiß auch Jürgen Resch, der sich selbst bisweilen schon als Don Quijote fühlen muss, in vielen Städten dagegen schon gefürchtet ist, wenn er für Fahrverbote gegen die stinkende Luft ankämpft. „Man riecht es regelrecht“, sagt der Bonndorfer, als er in der Jakob-Kessenring-Straße sein Messgerät einschaltet.

Resch hat zwar eine gute Nase, doch er will es genau wissen. Wenn er am Wochenende nach Hause an den Bodensee kommt, hat er daher immer mal wieder sein Partikelmessgerät im Gepäck. Das über 1000 Euro teure Gerät ist geeicht, kommt aus den USA und registriert binnen Sekunden alle festen Teilchen aus Rauch, Russ und Ähnlichem. Nicht zum ersten Mal schaltet er es in der Überlinger Innenstadt ein. „Wir fahren auch häufiger mit dem Fahrrad von Bonndorf in die Stadt“, sagt Resch. Da habe ich ab und zu schon das Gerät mitgenommen und die Werte gemessen.“

Messung am Bahnsteig, wo sich die Luft bisweilen staut.
Messung am Bahnsteig, wo sich die Luft bisweilen staut. | Bild: Hanspeter Walter

Mit dem SÜDKURIER auf Tour: „Wir gehen mal runter an den Bahnsteig„

Doch dieses Mal will er dem SÜDKURIER zeigen, wie es um die Luft an heiklen der Stadt bestellt. „Wir gehen zu erst mal runter an den Bahnsteig“, sagt Jürgen Resch und will die Dieselzüge, die in der engen Schlucht des Bahnhofs Mitte anhalten und beschleunigen, unter die Lupe nehmen. Der Luftaustausch ist hier bisweilen ganz schlecht, bisweilen gibt es aber auch ungewöhnliche Verwirbelungen. Dieser Befund kann nun nicht sehr überraschen.

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Für Resch ist es allerdings noch einmal ein Indiz dafür, wie wichtig eine möglichst schnelle Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn ist. Die Initiative von Kreis und Kommunen ist zwar langsam aus den Startlöchern gekommen. Doch über Rückenwind freut sie sich von allen Seiten. „Das Geräte zeigt an, wie viele Partikel sich in einem Kubikzentimeter Luft befinden“, erklärt Jürgen Resch, während er die Treppe zu dem schluchtartig angelegten Bahnsteig hinuntersteigt. „Wir wollen jetzt mal schauen, wie groß die Werte jetzt sind und wie sie sich nach der Einfahrt des Zugs verändern.“

Die enge Jakob-Kessenring-Straße ist prädestiniert für einen Abgasstau. Jürgen Resch will es genau wissen.
Die enge Jakob-Kessenring-Straße ist prädestiniert für einen Abgasstau. Jürgen Resch will es genau wissen. | Bild: Hanspeter Walter

Im Dieselnebel am Bahnsteig: „Je kleiner die Teilchen sind, desto tiefer dringen sie in die Lunge ein“

Die Messwerte schwanken leicht, doch liegen sie zunächst bei 15.000 bis 16.000 Teilchen. „Wenn da ein Fahrzeug ohne Partikelfilter vorbeifährt, steigt der Wert schnell über 100.000 und die Differenz sind eben diese Partikel aus den Dieselabgasen“, sagt Resch. „Zu einem Großteil sind es Ruß und teilverbrannte Kohlenstoffe.“ Die Werte sind nicht leicht reproduzierbar, da Luftströmungen, Winde oder Thermik eine wichtige Rolle spielen. „Oft hat man hier unten am Bahnsteig einen richtigen Dieselnebel“, betont der Mann von der Deutschen Umwelthilfe. „Wenn hier jetzt Kinder und Jugendliche auf den Zug warten, das ist einfach nicht gesund.“

Für die Immissionsmessung gebe es im Moment lediglich die Massenwerte – die Anzahl der Teilchen wäre für Resch viel interessanter. Denn besonders problematisch sei: „Je kleiner die Teilchen sind, desto tiefer dringen sie in die Lunge ein.“ Auch für Holzheizungen habe man daher im Dezember die Partikelzahl als Kriterium für das Prädikat „Blauer Engel“ verschärft.

500.000 Partikel pro Kubikzentimeter zeigt das geeichte Messgeräöt an.
500.000 Partikel pro Kubikzentimeter zeigt das geeichte Messgeräöt an. | Bild: Hanspeter Walter

Der Zug kündigt sich an

Mit einem Luftzug aus dem Tunnel kündigt sich der herannahende Zug an, bevor man ihn hört. „Jetzt gehen die Werte erst einmal runter“, weiß Jürgen Resch schon vorher, „weil frische Luft kommt.“ Sie steigen daher auch nur langsam an: 20.000, 25.000, … Zunächst klettern die Werte „nur“ auf max 26.900, während der Zug den Tiefenbahnhof wieder verlässt. Doch die Nachwirkungen kommen noch. „Sie haben durch die Troglage auf jeden Fall einen Luftstau“, erläutert er und geht mit seinem Messgerät den Bahnsteig entlang, während der Partikelwert weiter steigt.

„Wenn jemand Asthma hat, bekommt er ganz schnell Atemprobleme. Das sind ganz konkrete Gesundheitsauswirkungen.“
Jürgen Resch

Der Zug ist längst im Tunnel verschwunden, das Messgerät munter weiterzählt: … 47.000, 51.000, 53.500. Nun scheint der aktuelle Höchstwert erreicht. „Jetzt riechen Sie es aber auch deutlich“, sagt Resch. „Je enger die Schlucht, desto geringer ist der Luftaustausch.“ Bei einer Inversionswetterlage habe er schon Werte von mehr als 100.000 gemessen. „Wenn jemand Asthma hat, bekommt er ganz schnell Atemprobleme. Das sind ganz konkrete Gesundheitsauswirkungen.“ Schon deshalb sei die Elektrifizierung dringend geboten.

Durchatmen an der frischen Seeluft: Hier ist die Belastung sichtbar gering.
Durchatmen an der frischen Seeluft: Hier ist die Belastung sichtbar gering. | Bild: Hanspeter Walter

Weiter in die Straßenschlucht: „Da war jetzt ein richtiger Stinker dabei“

Doch Überlingen hat noch mehr zu bieten. Um Rekordwerte an Abgasen zu messen, muss man in die Jakob-Kessenring-Straße begeben. Auf dem Weg dorthin kontrolliert Resch kurz einen Lkw auf dem Münsterplatz und wundert sich. „Ich könnte es nicht beschwören, aber der ist sauber“, sagt er: „Der hat einen Partikelfilter.“ Aus der Sicht von Resch ist die Chance noch so gut wie nie, um Verbesserungen umzusetzen: „Es würde auch dem Kurort Überlingen sehr gut tun, wenn die engen Straßen der Innenstadt für den Durchfahrtsverkehr möglichst schnell gesperrt würden.“ Sein Gerät unterstreicht dies binnen Sekunden: 135.000, 160.000, 190.000..... Erst bei 535.000 geht es nicht mehr weiter. „Da war jetzt ein richtiger Stinker dabei“, sagt Resch: „Das sind Werte, wie wir sie in Stuttgart oder München haben. Wenn man sich vorstellt, dass man hier mit dem Kinderwagen durchgehen muss.“

Ein Trost, dass es auch noch die Promenade gibt. Nur gute 50 Meter weiter an der Schiffsanlegestelle ist die Welt schon eine ganz andere. Rapide sinken die Werte bis auf rund 4000, das ist weniger als 1 Prozent des kurz zuvor ermittelten Maximums.

Ein eindrucksvoller Unterschied an der Promenade.
Ein eindrucksvoller Unterschied an der Promenade. | Bild: Hanspeter Walter
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