Spätestens seit dem Osterwochenende ist wieder offensichtlich: Überlingen leidet unter den großen Verkehrsmassen. Mit der steigenden zahl der Touristen steigt auch wieder die Zahl der Autos in der Stadt – und die Aufenthaltsqualität sinkt. Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt, eine Lösung wurde bislang aber noch nicht gefunden.
Welche Ideen haben die Kandidaten für die Gemeinderatswahl am 26. Mai? Wir haben Ihnen folgende drei Fragen gestellt:
- OB Zeitler strebt eine temporäre Innenstadtsperrung an. Halten Sie eine derartige Sperrung für sinnvoll?
- Wie stellen Sie sich eine Attraktivierung des ÖPNV vor und welche Rolle spielt die Anbindung der Teilorte?
- Beim Fahrradklimatest des ADFC 2016 landete Überlingen im Vergleich der Städte bis 50.000 Einwohner auf dem letzten Platz in Baden-Württemberg. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Überlingen fahrradfreundlicher zu gestalten?
BÜB+: Verkehrsberuhigter Bereich in der ganzen Altstadt
- Eine grundsätzliche Sperrung unterstützt die BÜB+ nicht, um den Einzelhandel, Praxen, Hotels und Dienstleister nicht zu gefährden. Diese sind für eine lebendige Innenstadt unverzichtbar. Wir sprechen uns klar für eine verkehrsberuhigte Zone mit gleichen Rechten für alle – vom Fußgänger bis zum Auto – aus. Schrittgeschwindigkeit für Fahrzeuge 12km/h, auch für Fahrräder! Diese Zone soll, beginnend am Aufkircher Tor und Parkhaus Mitte, mittelfristig die gesamte Altstadt umfassen. Eine Vollsperrung, für Anwohner und Hotelgäste frei, kann abends ab 20 Uhr und an Sonn- Feiertagen gelten. Das reine Durchqueren der Altstadt mit dem Auto muss dadurch unattraktiv werden. Dringend notwendig ist eine Sperrung für LKW über 7,5 Tonnen. Die Münsterstraße ist nach 28 Jahren endlich zu einer optisch attraktiven Fußgängerzone zu gestalten. Das Einfahren muss kontrolliert werden.
- Die BÜB+ tritt nachdrücklich für die Schaffung eines 1-Euro-Tickets für den Stadtverkehr ein. Im Innenstadtbereich ist für die Anbindung vom P&R-Platz und den Parkhäusern ein E-Shuttle mit dem „Dolmus-Prinzip“ (ohne feste Haltestellen) zu planen. Andere Städte machen uns das vor. Die Anbindung der Teilorte ist noch immer überwiegend schlecht und muss dringend neben der verbesserten Stadtbusanbindung auch mit alternativen Konzepten (z.B. Bürgermobil Amtzell) umgesetzt werden.
- Auch wenn der aktuelle Vergleich eine leichte Verbesserung aufzeigt, so ist doch noch dringender Handlungsbedarf. Das bestehende Radwegekonzept muss endlich umgesetzt werden. Aus Sicherheitsaspekten sieht die BÜB+ die Lenkung der Radfahrer nach Westen gegen den Verkehr durch die Hafenstraße sehr kritisch. Unserer Meinung nach ist es einem Radfahrer durchaus zuzumuten, die 200 Meter durch die Münsterstraße zu schieben. Wer das nicht will, kann den kleinen Umweg über den Münsterplatz wählen. Der äußerst miserable Zustand der Lindenstraße muss allerdings vorrangig behoben werden. Ein verkehrsberuhigter Bereich in der kompletten Innenstadt wird auch für Radfahrer ein bedeutender Fortschritt für ihre Sicherheit sein. Öffentliche Ladestationen sind zu planen.
FDP: Aktionismus löst keine Probleme
- Der OB hat ein schon mal gescheitertes Projekt wieder aus der Schublade gezogen. Wir waren von Anfang an – als einzige – gegen die temporäre Sperrung. Dabei bleiben wir. Mit unserer Idee von einer lebendigen Innenstadt sind Sperrungen nicht vereinbar. Auch von der Sperrung einzelner Straßen und Einbahnregelungen, die den Verkehr nur verlagern aber nicht verhindern, halten wir nichts. Jede Sperrung belastet das Kurviertel im Westen mit zusätzlichem Verkehr. Eine Innenstadt, die nur noch für Fußgänger erreichbar ist, wird bald leer stehen. Wohnen in der Innenstadt soll aber attraktiv bleiben. Verbote und Sperrungen können wir uns auch deswegen nicht leisten.
- Die Stärkung des ÖPNV ist einer der Schlüssel zum Verkehrskonzept der Zukunft. Aber um zukunftsfähig zu sein, müssen wir uns auch hinsichtlich des ÖPNV von gestrigem Denken lösen, von der Vorstellung etwa, der ÖPNV bestehe nur aus Bussen mit starren Fahrplänen. Der ÖPNV muss und wird flexibler werden. Zum Beispiel mit Kleinst-Personentransportern, selbst gefahren, mit Fahrer oder autonom. Hinsichtlich der Teilorte sehen wir bei den Planungen keine zwei Varianten. Die Teilorte gehören zu Überlingen. Sie sind so zu behandeln wie die die Kernstadt.
- Wir leben mit dem Fahrrad und mit dem Auto. Wir wollen keine Politik, bei der eine mobile Gruppe gegen die andere agiert und ausgespielt wird. Moderner Verkehr muss alle Mobilitätsvarianten einbeziehen, und alle Verkehrsteilnehmer – vom Auto- über den Radfahrer bis zum Fußgänger – sind zu Rücksicht gegenüber den anderen verpflichtet. Daran müssen alle Gruppen noch arbeiten, zumal in einer historisch gewachsenen Stadt wie unserer, die nicht auf modernen Verkehr ausgelegt ist. Ideologische Entscheidungen und Aktionismus lösen keine Probleme. Den Fahrradverkehr von Ost nach West durch die Hafenstraße halten wir nach wie vor für gefährlich und falsch. Einem Radfahrer ist es zuzumuten, sein Rad 250 Meter zu schieben. Das macht Überlingen nicht fahrradunfreundlicher, sondern dient dem Zusammenleben in der Stadt.
FW/ÜfA: Der ÖPNV ist bereits gut ausgebaut
- Eine Sperrung der engen Altstadt bietet sich, wie in anderen Städten schon lange Normalität, an. Dies funktioniert allerdings nur im Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen und unter Einbindung aller Betroffenen. Für Anwohner und Geschäftsinhaber muss jederzeit die Zufahrt zu ihren Wohnungen und Geschäften möglich sein. Dies gilt ebenso für die Gäste der Hotels. Der Zulieferverkehr sollte beschränkt werden auf spezielle Anlieferzeiten, z.B. werktags von 7 bis 11 Uhr. Die Durchfahrt muss für den Individualverkehr von Haus aus erschwert werden. An Sonn- und Feiertagen kann durch eine Sperrung vor allem in den Sommermonaten eine deutliche Entlastung der Altstadt erreicht werden. Die Örtlichkeiten müssten für eine Gleichberechtigung von Fußgängern und motorisiertem Verkehr baulich angepasst werden.
- Für eine Stadt mit der Größe von Überlingen ist der ÖPNV bereits sehr gut ausgebaut. Die wichtigen Hauptlinien verkehren werktags schon im Halb-Stunden-Takt, auf der P&R-Linie sogar im 15 Minuten Takt. Grundsätzlich bietet der für den Stadtverkehr gültige bodo-Tarif bereits viele attraktive Angebote. Der P&R-Parkplatz bietet zudem günstige Parkmöglichkeiten und die kostenlose Nutzung der Stadtbusse. Dies alles gilt es transparent stärker zu bewerben und den Bürgern und Gästen näherzubringen. Mobilitätseingeschränkte Personen haben ebenso die Möglichkeit, mit den kurzen Linientakten bequem in die Innenstadt zu kommen. Mit den modernen flexiblen Bedienungsformen, wie dem Anmeldelinienverkehr emma, werden derzeit schon einige Teilorte stärker angebunden. Hier gibt es in den Schwachlast-Zeiten wie spät abends oder am Wochenende weiteres Potential um den Individualverkehr zu verringern. Denn die Teilorte gehören genauso zu Überlingen wie die Altstadt.
- Eine Verbesserung der Radfahrqualität in der Innenstadt kann schon über die Verkehrsberuhigung deutlich erreicht werden. Auf den weiteren Ein- und Ausfallstraßen sollte ein konsequenter Ausbau von Radwegen, mindestens von Radstreifen erfolgen. Das Radfahren ist zum Teil mit Kindern auf manchen Straßen kein Vergnügen, sogar gefährlich. Weiterhin gibt es zu wenige Fahrradstellplätze, um die meist teuren Räder sicher abzuschließen.
SPD: Ein-Euro-Ticket im Stadtbus muss her
- Eine temporäre Sperrung der Innenstadt ist allenfalls als Übergangslösung interessant, denn nur eine dauerhafte verkehrsberuhigte Zone oder eine echte Fußgängerzone – beides entsprechend gestaltet – schafft die gewünschte Aufenthaltsqualität. Eine deutliche Verbesserung der Bedingungen – ob für Flanieren und Einkaufen oder für besseres Wohnen in einer Kurstadt – muss unbedingtes Ziel aller Maßnahmen sein.
- Um die Innenstadt zu erreichen und sich in ihr zu bewegen, ist eine deutliche Verbesserung des Stadtbusverkehrs notwendig. Das Ein-Euro-Ticket (noch lieber: kostenlose Busfahrten) in der Kernstadt und bessere Taktung der Busse sind ein die Nutzung ganz sicher deutlich erhöhendes attraktives Angebot. Unabdingbar ist für die SPD dabei auch eine bessere Anbindung aller Teilorte – auch in den Schulferien! Ebenso sind abendliche ÖPNV-Angebote – besonders für Jugendliche – unverzichtbar!
- Es wird in Überlingen aufgrund der Topografie immer etwas schwieriger sein, attraktive Wegeführungen für Radfahrer zu finden. Trotzdem halten wir das Fahrrad für ein zukunftsweisendes Mittel in Innenstädten. Radwege und Schutzstreifen in fast allen Straßen, Leih-E-Bikes und Ladestationen gehören ebenfalls dazu. Außerdem fördert eine deutlich verkehrsberuhigte Innenstadt, wie wir sie anstreben, automatisch auch das Radfahren.
LBU/Grüne: Mehr Geld für den ÖPNV statt für Parkhäuser
- Eine temporäre Sperrung der Innenstadt wurde bereits 2016 von Frau OB Becker vorgeschlagen, aber vom Gemeinderat abgelehnt. Die Probleme liegen auf der Hand: Wie soll die Sperrung kontrolliert werden? Wer behält die Übersicht, wann, wo und wie lange gesperrt ist? Unser Standpunkt: Die Innenstadt schrittweise und dauerhaft vom motorisierten Durchgangsverkehr weitestgehend befreien durch vorausschauende Lenkung der Verkehrsflüsse. Dann kann die Innenstadt zum verkehrsberuhigten Bereich umgestaltet werden. Auch das Verkehrsleitsystem muss endlich realisiert werden, das zu den freien Parkplätzen leitet. Und alles funktioniert nur, wenn die Verkehrsteilnehmer sich an die Regelungen halten.
- Der ÖPNV muss attraktiver als das eigene Auto sein. Das ist nur durch eine angemessen hohe Frequenz, ein gutes Liniennetz und einen günstigen Preis zu erreichen. Wir wollen lieber in den ÖPNV und Park&Ride als in teure Parkhäuser investieren. Das erlaubt auch eine bessere Anbindung der Teilorte, insbesondere für Jugendliche und Senioren. Die nötigen Investitionen müssen in einer Bedarfsanalyse ermittelt, mittelfristig in den Haushalt eingestellt und dann verlässlich umgesetzt werden.
- Im aktuellen Fahrradklimatest 2018 liegt Überlingen auf einem hinteren Rang (44 von 50). Radfahren muss als alternatives Verkehrsmittel zu Auto und ÖPNV mehr in den Mittelpunkt rücken. Dazu zählt eine sichere Verkehrsführung auf Straßen ohne eigenen Radweg (z.B. Lippertsreuter Straße) und die bessere Anbindung von Teil- und Nachbarorten. Da sich in der Innenstadt der vorhandene Raum, den sich alle Verkehrsteilnehmer teilen, nicht vergrößern lässt, müssen wir eine bessere Aufteilung vornehmen. Dazu ist die Befreiung der Hafenstraße vom motorisierten Durchgangsverkehr ein wichtiger Schritt. Dadurch sinkt auch die Unfallgefahr. Die Kessenringstraße muss folgen. Auch die Verbesserung des Angebots an Abstellplätzen und Ladestationen für Fahrräder kann die Attraktivität der Innenstadt erhöhen, ebenso (in vielen Städten längst Standard) die Befahrbarkeit von Einbahnstraßen in beiden Richtungen.
CDU: Es braucht weitere Parkplätze in der Innenstadt
- Wenn viele Menschen die Stadt beleben, kann eine Sperrung temporär gut tun. Dabei muss aber der Spagat zwischen Schließung und Erreichbarkeit gelingen, und zwar in gerechter Abstimmung der Interessen von Bürgerschaft, Anwohnern und Einzelhandel. Es ist eine Herausforderung, die Logistik für die Altstadt dabei zu lösen: Shuttlebus, Taxen, Lieferverkehr, Haus- und Hotelzufahrt, Möglichkeit mobilitätseingeschränkte Bürger zum Arzt-, Gottesdiensts- oder Geschäftsbesuch vorzufahren – dann kann eine temporäre Sperrung in Abstimmung mit dem Einzelhandel gelingen. Vorerst vielleicht nachts und samstags ab 10.30. Bei positiver Erfahrung dann gerne auch weiter ausgedehnt. In den übrigen Zeiten muss dennoch die Verkehrsmenge drastisch reduziert werden. Das Unterbinden des Transits und jetzt die Ausweisung der Hafenstrasse als verkehrsberuhigter Bereich ist der Anfang und verlangt Fortführung.
- Der ÖPNV muss weiter gefördert werden, was z.B. Taktung, Zeiten, Routen (auch in die Teilorte) angeht. Er muss, auch finanziell, einfach attraktiv sein, da er umweltfreundlicher ist und einer weiteren Verkehrssteigerung entgegenwirkt. Das Anruf-Sammel-Taxi, auch ein Angebot an Nachtbussen, gerade für die Jugendlichen, gehören ebenso dazu. Ein Dauer-Anliegen der CDU sind dennoch weitere Parkplätze. Wo keine ÖPNV-Route, da sind Bürger nun mal auf das Auto angewiesen! So muss z.B. der P+R-Platz am Helios-Spital noch attraktiver werden, da neben unseren Parkhäusern dies die Alternative ist zum wirklich günstigen Parken in Überlingen.
- Der Radweg-Ausbau muss vorangehen, primär da, wo Schüler unterwegs sind: Owinger Straße, im Nesselwanger-Tal, vielerorts. Der Umstieg aufs Rad und mehr Radtourismus bringen einfach mehr Radverkehr, auch in der Innenstadt. Die Ausleitung des Radverkehrs aus der Münster- in die Hafenstraße ist somit folgerichtig – in Zukunft gar auch durch die Kessenring-Straße -, denn das Tempo der Radler (Sportler und E-Bikes ) birgt auch Gefahren für die Fußgänger, den schwächsten Verkehrsteilnehmer. Durch separate Rad-Führung wollen wir für ihn in unserer Stadt mehr Sicherheit.
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