Großer Bahnhof für den ersten Waldrappnachwuchs nach fast 400 Jahren bei der Brutwand in den Goldbacher Weinbergen. Zur Beringung und Taufe der ersten beiden hier geschlüpften Jungtiere hatte Anne-Gabriela Schmalstieg, die die entstehende neue Kolonie betreut, Vertreter der Stadt, die Unterstützer aus Hödingen und einige ständige Helfer des Teams eingeladen. Mit dabei war auch Professor Peter Berthold aus Billafingen, der den Kollegen aus Österreich Überlingen als dritten Standort für die Ansiedelung der Waldrappe anempfohlen hatte. Schließlich stammten von hier auch die letzten nachweislich dokumentierten Vögel aus dem 17. Jahrhundert.
Die erste Überlinger Generation umfasst tatsächlich sieben Tiere
Lediglich einer fehlte bei der Tauffeier: Projektleiter Johannes Fritz aus Österreich, der den Erfolg seines dritten Standorts für die Auswilderung der Waldrappe gern mitgefeiert hätte, konnte nach einem Fahrradunfall am Wochenende nicht dazukommen. Doch gab es auch noch eine gute Nachricht: Die erste Überlinger Generation umfasst inzwischen tatsächlich sieben Tiere.

Ziehmutter lässt Schützlinge so weit wie möglich in Ruhe
„Ich habe am Nachmittag noch das dritte Köpfchen im Nest von Eduardo und Urmel entdeckt“, bestätigte Anne-Gabriela Schmalstieg jetzt eine Vermutung von Beobachtern. Zuvor war sie nicht sicher gewesen. Denn auch die Ziehmutter der Eltern will ihren Schützlingen in dieser sensiblen Phase nicht zu sehr und nicht ohne Not auf die Pelle rücken.
Vorläufig wurden nur die beiden Erstgeborenen beringt
Beringt wurden daher am Montag auch nur die beiden Erstgeborenen – der Nachwuchs von Sky und Bernardo. Just als Martin Keßler die Leiter an die Brutwand stellte, kamen die Eltern angeschwebt und beobachteten aus geringer Distanz das Geschehen.
Jeder Jungvogel erhält zwei Kunststoffringe an den Beinen
Gemeinsam mit Peter Berthold verpasste Schmalstieg den lieben Kleinen zwei Kunststoffringe an die Beine. „Das ist ein neues System, das wir dieses Jahr erst eingeführt haben“, erklärte sie. Ein blauer Ring am rechten Bein trägt die Gravur der Waldrapp-Homepage und eine Telefonnummer, ein gelber Ring steht für die Zugehörigkeit zur Überlinger Kolonie. Links kennzeichnet eine zusätzliche individuelle Farbkombination das einzelne Tier. Anders als bisher tragen die jungen Waldrappe noch keine Nummer.

Mit dem Team freute sich auch Überlingens Bürgermeister Matthias Längin über die Waldrappe. Glück gehabt hätten Stadt und Team, dass die Landesgartenschau verschoben werden musste. „Sonst wären sie um ein Jahr zu spät gekommen“, sagte Längin schmunzelnd.
„Das Projekt ist einzigartig und absolut bewundernswert.“Peter Berthold, Taufpate von „Professor“
Eine Urkunde bekam Peter Berthold, denn nach ihm wurde das erste Jungtier „Professor“ getauft. Die Schwester heißt Mathilde. „Das Projekt ist einzigartig und absolut bewundernswert“, war der Ornithologe geradezu aus dem Häuschen: „Das ist Weltspitze. Da kann man richtig neidisch sein.“ Diese Einschätzung unterstrich Berthold, indem er Anne-Gabriele Schmalstieg eine Spende von 1000 Euro für das Waldrappteam in die Hand drückte. Mitnehmen durfte der Vogelkundler ein Waldrapp-T-Shirt der Hödinger Kulturlandschaft, das ihm Martin Keßler mitgebracht hatte.

Geschlecht der Jungvögel wird durch ausgezupfte Feder bestimmt
Nun gibt es also einen gefiederten „Professor“. Bei Vögeln ist die Namensgebung allerdings schwieriger als bei Menschen, da das Geschlecht in der Regel zumindest am Anfang nicht sicher bestimmt werden kann. Damit ist auch zu erklären, dass die dritte Mutter im Bunde „Eduardo“ heißt und der eine andere männliche Waldrapp einen Frauennamen trägt. Klarheit über das Geschlecht wird bei „Professor“ erst in einigen Wochen eine DNA-Analyse geben. Dazu zupfte Anne-Gabriela Schmalstieg dem Nachwuchs beim Beringen schon mal eine kleine Feder aus. „Wenn ich alle zusammen habe, schicke ich sie an ein Labor bei Bad Kissingen“, erklärt die frühere Ziehmutter.
Und wenn „Professor“ eine junge Dame ist?
„Was machen wir, wenn es eine junge Dame ist?“, hatte Peter Berthold zuvor gefragt. Doch wie so oft gab er auch gleich die Antwort dazu. Vor dem Hintergrund, dass es sich um ein österreichisches Projekt handle, liege eine Wiener Lösung auf der Hand und die Waldräppin heiße dann eben „Frau Professor“.