War es russische Sabotage mit dem Ziel, die Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine zu unterbinden – oder ist doch ein technischer Defekt verantwortlich für den Großbrand bei Diehl in Berlin? Seit Tagen spekulieren Deutsche und internationale Medien darüber, wer oder was für das Feuer verantwortlich ist, das am 3. Mai die Produktionseinrichtungen der Firma Diehl Metall im Stadtteil Lichterfelde derart schwer zerstörte, dass der Galvanikbetrieb sieben Wochen später noch immer im Krisenmodus arbeite, wie der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) Geschäftsführer Thomas Hör aktuell zitiert.

Boulevardblatt weiß von Geheimdienst-Informationen
Bereits kurz nach dem Feuer hatte die „Bild“ gemutmaßt, das Flammeninferno könnte etwas damit zu tun haben, dass Diehl Flugabwehrsysteme produziert, die in der Ukraine eingesetzt werden, um russische Angriffe abzuwehren. Nun vermeldete das Boulevardblatt als erstes Medium am Donnerstag, 20. Juni, die Bundesregierung habe einen „hochbrisanten Hinweis über einen Anschlag von Kreml-Diktator Putin in Berlin“. Ein ausländischer Nachrichtendienst habe deutsche Geheimdienste darüber in Kenntnis gesetzt, dass es konkrete Hinweise für eine Beteiligung des russischen Staates gebe. Die deutsche Regierung gehe den Hinweisen nach.
„Die Berichte und Artikel, in denen von den von Ihnen genannten Spekulationen die Rede ist, sind uns bekannt, diese können oder wollen wir aber nicht kommentieren.“Susanne Donovan, Sprecherin von Diehl Defence in Überlingen
Drei Tage später legte das renommierte New Yorker „Wall Street Journal“ mit weiteren Details nach, die von deutschen Sicherheitsbehörden stammen sollen. Diese Quellen ließen dann auch Medien wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) aufmerksam werden. Die amerikanische Zeitung schreibe, es habe sich um einen Brandanschlag gehandelt, und berufe sich dabei „auf zwei Quellen aus dem deutschen Sicherheitsapparat“, so die NZZ am 24. Juni.
„Abgefangene elektronische Kommunikation“ belege eine russische Beteiligung, schreibt das Wall Street Journal. Allerdings sei das vor deutschen Gerichten nicht verwertbar und so ordneten deutsche Ermittler die Attacke Russland nicht eindeutig zu. Das US-Blatt zitiert Quellen, die erklären, seit dem russischen Überfall auf die Ukraine habe es möglicherweise Dutzende Vorfälle in Europa gegeben, die darauf abgezielt hätten, die Waffenproduktion zu stören und Verunsicherung zu verbreiten.
Laut „Wall Street Journal“ gingen Sicherheitsbeamte davon aus, der Anschlag sei das Werk „erfahrener Profis“. Russland werbe für solche Sabotageakte oft Zivilisten, insbesondere Kriminelle, an, nutze dazu soziale Netzwerke wie Telegram und bezahle in Kryptowährungen. Das Ganze sei wie eine Gig-Economy für Sabotage und Terror, Täter würden wie Uber-Fahrer rekrutiert.

Dass das Unternehmen Diehl Metall, das in Berlin vorwiegend Autoteile herstellt, mit der Wehrtechniksparte des Konzerns Diehl überhaupt nichts zu tun hat, spielt in den Artikeln keine Rolle. In den Räumen des Diehl-Galvanik-Unternehmens in Lichterfelde gab es zwar bis vor einiger Zeit ein Büro des Wehrtechnik-Teilkonzerns Diehl Defence. Doch diese kleine Niederlassung war schon vor dem Brand an den Potsdamer Platz verlagert worden. Der Sitz von Diehl Defence ist Überlingen, die Stadt am Bodensee wird im Zusammenhang mit den Anschlags-Spekulationen nirgendwo erwähnt.
Ungeachtet der Berichte von „Wall Street Journal“ und „Bild“ geht man bei Diehl in Berlin nach dem bisherigen Ermittlungsstand von einem technischen Defekt als Brandursache aus, erklärte Geschäftsführer Thomas Hör am Freitag, 21. Juni, dem RBB. Zu diesem Schluss seien die Versicherungsgutachter gekommen. „In der reinen Theorie“ könne auch Sabotage zu dem Defekt geführt haben, zitiert der RBB Geschäftsführer Hör weiter. Nach den Spekulationen über einen Anschlag recherchierte auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und veröffentlichte seine Ergebnisse am Nachmittag des 25. Juni: Ermittler und Sicherheitsbehörden hätten keine Anhaltspunkte für Sabotage.
Das sagt die Sprecherin von Diehl Defence zu Brand und Spekulationen
Auch bei Diehl Defence in Überlingen geht man von einer technischen Ursache aus: „Zur Brandursache können wir sagen, dass wir – so wie die Behörden – nach wie vor von einem unverschuldeten technischen Defekt ausgehen“, erklärte Susanne Donovan, Sprecherin von Diehl Defence, auf SÜDKURIER-Anfrage. „Zutreffend ist auf jeden Fall, dass der besagte Brand weder an einer Liegenschaft von Diehl Defence ausbrach, noch die Produktion von Diehl Defence beeinträchtigt.“ Zu detaillieren Fragen, auch dazu, ob die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden seien oder ob die Überlinger Bevölkerung Angst vor einem Anschlag haben müsse, äußert sich Diehl Defence nicht. „Die Berichte und Artikel, in denen von den von Ihnen genannten Spekulationen die Rede ist, sind uns bekannt“, sagt die Konzernsprecherin, „diese können oder wollen wir aber nicht kommentieren.“