Normalerweise kommen die Bürger am Schmotzigen Dunschdig ins Rathaus, setzen den OB ab und kapern die Immobilie. In diesem Jahr sollte es umgekehrt sein. Einem Überlinger Obstbauern droht die Enteignung eines, zugegeben kleinen, Teils seiner Anbaufläche. Dies erfuhren die Leser des Mitteilungsblatts, in dem das Regierungspräsidium Tübingen über die „Durchführung eines Enteignungsverfahrens“ informierte. Ausgerechnet am Schmotzigen und ausgerechnet im Ratssaal.

Fläche im Bereich des Bebauungsplans „Schättlisberg, 7. Teiländerung“

Dem Ankündigungstext ließ sich entnehmen, dass Eigentümer Bernhard Kitt – bekannter Ur-Überlinger und Obstbauer – 116 Quadratmeter seiner Fläche im Bereich des Bebauungsplans „Schättlisberg, 7. Teiländerung“ abgeben soll, damit dort ein Gehweg und eine Stützmauer errichtet werden können. Da die Parteien sich vor dem Termin nicht äußern wollten, verhieß sich die Öffentlichkeit vom Besuch der „mündlichen Verhandlung“ mehr Informationen.

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Verhandlung am Schmotzigen im Rathaus?

Es ging los mit einer närrischen Schnitzeljagd. Den Verantwortlichen war aufgefallen, dass es im Ratssaal an diesem Tag eventuell zu einer Terminkollision kommen könnte. Ein Schild an der Rathaustür wies auf die kurzfristige Verlegung ins Torhaus hin.

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Gänzlich ohne närrische Bezüge und sehr formal ging es weiter. Marko Wedemeyer vom Regierungspräsidium Tübingen eröffnete die Sitzung, stellte die Anwesenden vor, beziehungsweise fragte nach Namen und Zweck des Besuchs. Neben dem Ehepaar Kitt und ihrem Rechtsbeistand waren einige Vertreter der Stadt Überlingen, angeführt von Kämmerer Stefan Krause, anwesend.

Mit der Öffentlichkeit sollten alle Parteien einverstanden sein

Die Presse dürfe nur bleiben, wenn alle einverstanden wären, erläuterte Wedemeyer. Und mahnte, dass man vielleicht nicht alles, was hier heute zur Sprache käme, in der Zeitung lesen wolle. Damit hatte Familie Kitt kein Problem, die Stadt Überlingen aber schon. Daraufhin wurde die Sitzung als nicht öffentlich erklärt.

Er hätte nichts gegen die Öffentlichkeit des Enteignungsverfahrens gegen ihn gehabt: Obstbauer Bernhard Kitt (Mitte) ist ein bekannter ...
Er hätte nichts gegen die Öffentlichkeit des Enteignungsverfahrens gegen ihn gehabt: Obstbauer Bernhard Kitt (Mitte) ist ein bekannter und vielfältig engagierter Bürger, Starschauspieler des Hödinger Dorftheaters und seit Jahrzehnten bekannt als der vielleicht originellste Schurrand in der Überlinger Fastnacht . Hier im März 2018 in seiner Funktion als Stiftungsrat der Münstergemeinde mit Wolfgang Meinhardt von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (links) und Toto-Lotto-Regionalchef Frank Eisele. Sie übergaben an Kitt eine Bronzeplakette, die Stiftung beteiligte sich an der Sanierung der Ölbergkapelle. | Bild: Hanspeter Walter

Da der Termin keinerlei Informationen über den Sachverhalt bot, fragte der SÜDKURIER beim Regierungspräsidium nach – der Grund, weshalb wir diese Geschichte erst nach dem Aschermittwoch erzählen.

Die Pressestelle des Regierungspräsidiums rechtfertigt die öffentliche Ankündigung einer dann nicht öffentlichen Sitzung damit, dass auf diesem Wege beispielsweise Banken oder Pächter die Möglichkeit erhielten, ihre durch das Enteignungsverfahren beeinträchtigten Rechte in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen.

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Auch die genaue Lage der Fläche verschweigen die Behörden

Den genauen Standort der betreffenden Fläche will die Pressestelle auch nicht nennen und gibt nur den Bebauungsplan „Schättlisberg, 7. Teiländerung“ an. Die Stadt Überlingen habe unter Bezugnahme auf jenen Bebauungsplan „für Teilflächen des betroffenen Flurstücks die Enteignung für die Errichtung einer Verkehrsfläche, konkret für die Errichtung eines Gehwegs und einer Stützmauer beantragt“. Die fraglichen 116 Quadratmeter befinden sich demnach in der Nachbarschaft des Neubaugebiets Hildegardring und Anna-Zentgraf-Straße.

Offensichtlich braucht die Stadt die 116 Quadratmeter

Ob es bereits ein Kaufangebot gab und was sich aktuell auf der Fläche befindet, zum Beispiel Obstbäume, will die Behörde auch nicht beantworten. „Nach gegenwärtigem Verfahrensstand können der verfahrensgegenständliche Gehweg und die Stützmauer nicht an einer anderen Stelle errichtet werden, da diese gerade an der beantragten Teilfläche benötigt werden. Im zugrundeliegenden Bebauungsplan ist daher eine entsprechende Verkehrsfläche festgesetzt worden“, heißt es weiter in der schriftlichen Antwort des Regierungspräsidiums. Die Teiländerung des Bebauungsplans wurde vom Gemeinderat mehrheitlich am 13. Dezember 2017 beschlossen.

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Ob die Parteien sich am Schmotzigen Dunschdig einigen konnten, will die Pressestelle – ebenfalls – nicht verraten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen.

Und wie geht es jetzt weiter? „Das hängt von den entsprechenden Antragsstellungen der Verfahrensparteien ab“, so die letzte Antwort aus Tübingen. Da sich auch die betroffenen Parteien in Schweigen hüllen, bleibt der Öffentlichkeit nur die Erkenntnis, dass Enteignungen zwar selten, aber hinter fest verschlossenen Türen stattfinden.