Was um alles in der Welt mache ich Rheinländer und zertifizierter Karnevals-Skeptiker hier? Hier, im Epizentrum der Überlinger Fasnet, dem Dorferschoppen? Freunde hatten mich, unterstützt von der Herzallerliebsten, gedrängt, doch mal hinzugehen – eine Kult-Veranstaltung nur für Männer. Moment mal, nur Männer? Schon meldete sich der Skeptiker in mir deutlich zu Wort und erinnerte mich an die obligaten „Herrensitzungen“ an Rhein, Sieg, Düssel und Wupper, bei denen man schon beim Betreten des Saales auf der Schlüpfrigkeit der zu erwartenden – und notabene von den „Narren“ erwarteten! – Zoten auszurutschen drohte, noch bevor man von den ebenso obligaten barbusigen Table-Dancerinnen in den Enddreißigern endgültig irritiert wurde.

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Die Skepsis war also groß, als ich mich zum Dorfer aufmachte. Was mich erwartete, war dann eine Überraschung der angenehmeren Art: Der Dorfer entpuppte sich als ein Kaleidoskop bestens gelebter Narren-Kultur. Der Karneval, hierzulande natürlich die Fasnet, kennt keinen Respekt, nimmt wenig Rücksicht, hat mit dem Knigge nichts gemein. Fasnet ist dann vor allem auch eins: antiautoritär – und das wurde beim Dorfer mit filigranem Sticheln, robustem Charme und derber Klotzigkeit geradezu zelebtiert.

Bild 1: Ein Rheinländer in der Fasnet: Hier wird das verhärtete Narren-Herz des Skeptikers ganz weich
Bild: Jürgen Gundelsweiler

Spott über Regierende ist Programm

Die Fasnet hält der Obrigkeit den Spiegel vor, will aber offensichtlich auch Herzlichkeit vermitteln, das Drunter und Drüber des Lebens ausgleichen. Sie will Freiheiten erlauben, die es ansonsten selten gibt, vor allen Dingen aber auch diejenigen vorführen, die glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Das gelang beim Dorfer auf das Köstlichste und Herzerfrischendste, wobei die Gefühle der anwesenden Obrigkeit zwar zuweilen arg strapaziert wurden, jedoch nie aus reiner Bosheit verletzt wurden. Die kleine Schelmelei muss erlaubt bleiben, die Frechheit gegen Despoten ist Pflicht, der Spott über Regierende Programm!

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Erinnerung an Redeverbote in dunklen Zeiten

Das änderte aber nichts daran, dass dem aufkommenden Rechtsradikalismus von den Protagonisten in der Butt deutlich und knallhart Absage und Abfuhr erteilt wurde. Gut so – denn was auch der Fasnet sonst drohen könnte, zeigt – der kleine Exkurs ins Rheinland sei erlaubt – die Geschichte von Karl Küpper aus Köln, dem vermutlich mutigsten Jeck aus Köln: Er zeigte in der Nazizeit mit erhobener rechter Hand, wie hoch der Dreck im Keller liegt – die Folge war ein Redeverbot.

Bild 2: Ein Rheinländer in der Fasnet: Hier wird das verhärtete Narren-Herz des Skeptikers ganz weich
Bild: Jürgen Gundelsweiler

Der Dorfer hat mein verhärtetes Narren-Herz angekratzt mit der Folge beginnender Aufweich-Erscheinungen. Das war, wie man hierzulande wohl formulieren würde, „Fasnet at its bescht“. Und selten habe ich landauf, landab in der fünften Jahreszeit einen schöneren Gruß gehört: „Glückselige Fasnet!“ Nur schade, dass Frauen nicht zugelassen sind – wohlverstanden nicht im oben beschriebenen rheinischen Sinn.