Fast zwei Jahre steht er nun – der Fischreiser vor dem Uferpark in Überlingen. Wissenschaftler der Universität Stuttgart und Taucher aus den Tauchvereinen am Bodensee untersuchen seitdem die Ansiedlung unterschiedlicher Wasserlebewesen. Der Fischreiser besteht aus Holzpfählen, die ins Sediment gerammt wurden, und Reisig. Laut einer Pressemitteilung des Badischen Tauchsportverbands waren nach nur wenigen Monaten bereits Schnecken, Insektenlarven, Schwämme, Pflanzen und zehn Fischarten anzutreffen.
„Sehr schnell und sehr dominierend hat sich jedoch die Quagga-Muschel an allen Flächen des Fischreisers angesiedelt, was die Ausbreitung der übrigen Lebewesen verlangsamte“, heißt es weiter. Diese neu eingeschleppte Muschelart breite sich rasant aus. Es zeige sich hier sehr deutlich der Einfluss invasiver Arten auf den Lebensraum Bodensee.

Hannelore Brandt, Präsidentin des Badischen Tauchsportverbands, verdeutlicht auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Die Quagga-Muschel besiedelt im Vergleich zu anderen Muscheln auch größere Tiefen.“ So sei das Wrack der Jura, das rund 800 Meter vor dem Schweizer Ufer nahe Bottighofen in knapp 40 Metern Tiefe liegt, inzwischen von der Quagga-Muschel übersät.
Im Jahr 2016 sei die Quagga-Muschel erstmals im Bodensee festgestellt worden. Mehrmals im Jahr entlasse die Muschel Larven. „Was das letztendlich für andere Arten im See bedeutet, weiß man nicht so schnell“, erklärt Hannelore Brandt. Vier bis fünf Jahre seien zu kurz, um die Auswirkungen auf die Biodiversität zu beurteilen. Auch gebe es weitere invasive Arten, die früher nicht im Bodensee heimisch waren.
Fische nutzen den Fischreiser derweil „als Unterschlupf und Schutz“, teilt der Badische Tauchsportverband mit. Für sie ist er ein neu geschaffener Lebensraum. „Es siedeln sich alle möglichen Organismen an, die von kleinen Fischen abgelesen werden“, erläutert Hannelore Brandt. Die kleinen Fische wiederum locken große Räuber an.
Während Fischreiser einst mit einem zusätzlichen Netz dem Fischfang dienten, sind sie heute Projekte von Naturschützern und Anschauungsobjekte für Biologen. Auch der Fischreiser vor dem Uferpark in Überlingen soll dort bleiben, wo er ist. Auf jeden Fall bis zum Ende der Landesgartenschau im Oktober – oder sogar darüber hinaus. Die Taucher wollen den Fischreiser weiterhin für Exkursionen nutzen.

Neben den Wasserlebewesen wird man der Präsidentin des Tauchsportverbands zufolge einen natürlichen Prozess beobachten können: Das Holz des Fischreisers fällt irgendwann zusammen. Eine 300 bis 400 Jahre alte Fischreiserstätte befindet sich in direkter Nähe. Hier sind nur noch meterhohe Stöcke zu sehen, alles andere ist zerfallen und von Sediment bedeckt, wie Hannelore Brandt berichtet.
Unterwasserkameras senden live ins Internet
„Es hat uns viel Arbeit gekostet, aber es hat sich gelohnt“, sagt Brandt. Von der Arbeit können sich nicht nur Taucher, Naturschützer, Biologen und Archäologen einen Eindruck verschaffen. Die Taucher haben Unterwasserkameras installiert, die per Livestream Bilder ins Internet übertragen. Seit Dezember 2019 sind die zwei Kameras am Fischreiser montiert.
Der Livestream findet sich auf der Internetseite der Taucher, www.btsv.de, unter dem Menüpunkt Fischreiser und wird auch bei der Landesgartenschau zu sehen sein, wenn die Taucher des Badischen und Württembergischen Tauchsportverbände anwesend sind. Hannelore Brandt hofft, dass noch lange direkt aus dem Bodensee gesendet werden kann.