Ideales Wetter für den Start einer abenteuerlichen Reise sieht anders aus. Am ZOB in Überlingen steht die kleine Gruppe mit ihren Fahrrädern und dem Gepäck im Regen und wartet auf den Fernbus. Doch die Stimmung ist gut und die Spannung groß. Streetworker Carlos Göschel ist mit vier jungen Flüchtlingen auf dem Weg nach München und dann weiter nach Berlin. Der Jugendsozialarbeiter gibt zu, in den letzten Nächten nicht viel geschlafen zu haben. In der bevorstehenden langen Nachtfahrt wird das kaum besser werden. Die Gruppe holt in Berlin eine Rikscha ab, die die Linzgau Kinder- und Jugendhilfe, wo Göschels Stelle angesiedelt ist, erworben hat.
800 Kilometer in 16 Tagen
„Wir strampeln uns ab!“ haben sie ihre Tour überschrieben. Mit der Aktion wollen sie darauf aufmerksam machen, dass die jungen Migranten dringend Wohnraum und Arbeit benötigen. Geplant ist es, in 16 Tagen die 800 Kilometer zurück nach Überlingen per Rad und Rikscha zu schaffen und so zu beweisen, dass sie eine Chance verdient haben. Liyaqat und Amir aus Afghanistan, Ahmed aus dem Irak und Jamal aus Äthiopien fahren auf ihren von einem Überlinger Fahrradhändler gesponserten Rädern. Der Jugendsozialarbeiter wird die Rikscha mit dem Gepäck steuern.

„Die Rikscha muss man sich wie eine Kutsche mit einem E-Motor vorstellen“, so Carlos Göschel. Um damit Touristen durch Berlin zu fahren, hatte der Vorbesitzer das Gefährt asiatischen Ursprungs umgebaut. Nun sei es auch den europäischen Gewichtsklassen gewachsen. Die Rikscha soll am Bodensee bei der mobilen Jugendarbeit zum Einsatz kommen. Carlos Göschel hat schon viele Ideen, wie das aussehen könnte.
Einige soziale Unterkünfte haben Obdach angeboten
Doch erst einmal muss die Überführung geschafft werden. Die Gruppe ist mit Zelten, Schlafsäcken und einem knappen Budget unterwegs. Einige soziale Einrichtungen auf dem Weg haben ihnen schon Obdach angeboten. „Es lässt sich nicht alles bis ins Detail vorbereiten“, erläutert Göschel, der darin keinen Makel sieht. Im Gegenteil – die jungen Männer könnten so am besten Deutschland und seine Gastfreundschaft kennenlernen.
Seine Intention, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen, beschreibt Carlos Göschel so: „Stellenweise stoße ich mit meiner Arbeit an Grenzen.“ Wenn junge Flüchtlinge drohten, in eine Art Lethargie zu fallen und kaum noch Energie oder Hoffnung auf Veränderungen hätten, käme er mit Gesprächen nicht weiter. „In solchen Fällen ist Erlebnispädagogik ein klassisches Mittel, ihnen Selbstwertgefühl zu vermitteln.“ Er warb für seine Idee und Liyaqat, Amir, Ahmed und Jamal machen mit. Sie wissen, dass es nicht leicht wird, täglich Etappen von 60 bis 70 Kilometer zurückzulegen, dem Wetter zu trotzen und jede Nacht ein anderes Quartier zu finden. Sie wollen potenziellen Arbeitgebern demonstrieren, dass sie durchhalten und zuverlässig sind. Gleiches gilt für Vermieter, die den Jungs eine Wohnung geben könnten.
Ankunft ist am 13. September geplant
„Wir bringen das Problem auf die Straße“, sagt Carlos Göschel. Am Sonntag, 13. September, wollen sie wieder in Überlingen eintreffen – um viele Erfahrungen und müde Muskeln reicher.
Rikscha-Tour von Berlin nach Überlingen
Die Reise der Gruppe von Berlin nach Überlingen mit der Rikscha und gesponserten Fahrrädern kann man im Netz verfolgen. Carlos Göschel schreibt unterwegs einen Blog mit Fotos und Berichten. Dort ist nachzulesen, wie es direkt mit Verspätung losgeht, unterwegs elektronische Post von den Behörden kommt und wie gut den jungen Männern die Gastfreundschaft tut: