Das neue Urteil gegen den 33-jährigen Salvatore G. ist noch nicht rechtskräftig, da muss er bereits mit einer weiteren Haftstrafe rechnen. Das Landgericht Konstanz verurteilte ihn in dieser Woche zu einer Haftstrafe, weil er die ′Ndrangheta unterstützt und mit Koks im Kilobereich gehandelt habe. Über den Angeklagten schwebt aber noch, wie ein Damoklesschwert, ein früheres Urteil des Amtsgerichts Überlingen.
Unterschlupf in Stockach-Seelfingen
Seine Helfers-Tat für die Mafia passierte von Überlingen aus, ohne dass die Öffentlichkeit ahnte, dass Überlingen das Nest eines der gefährlichsten Mafia-Clans ist. Sie bekam im Zweifel gar nicht mit, was da zum Beispiel in Stockach-Seelfingen vor sich ging, wo ein Unterschlupf von hochrangigen Clanmitgliedern lag.
Von einem Lager und einer Wohnung in Seelfingen aus betrieben andere Verdächtige schwarz einen Lebensmittelhandel. Ihnen wird bandenmäßiger Steuerbetrug vorgeworfen. Salvatore G. wurde nun dafür verurteilt, als Strohmann die Räume gemietet zu haben. Geldbewegungen auf seinem Konto zeigen, dass er immer wieder tausende Euro Bargeld einzahlte und noch am selben Tag an den Vermieter in Seelfingen weiter überwies.
Kokain einem V-Mann angeboten
Zudem wurde er verurteilt, weil er Rauschgift, insgesamt sechs Kilo Kokain, einem Vertrauensmann der Staatsanwaltschaft angeboten hatte. Die Drogen stellten aus Sicht des Gerichts keine wirkliche Gesundheitsgefahr für einen Konsumenten dar, was sich mildernd auf das Urteil auswirkte. Denn das Koks wäre ja vernichtet worden, falls es zu dem Deal gekommen wäre. Der aber platzte, weil das Rauschgift von der italienischen Polizei nach Ankunft im Hafen in Kalabrien beschlagnahmt wurde.
Der 33-Jährige wurde nun am Landgericht Konstanz in einer Berufungsverhandlung zu zwei Jahren und fünf Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Den Großteil dieser Strafe hat er bereits abgesessen. Denn Salvatore G. wurde im Mai 2021 bei einer Polizeirazzia verhaftet und saß seitdem in Untersuchungshaft.
Ein altes Urteil des Amtsgerichts könnte ihn einholen
Nun muss er damit rechnen, dass er noch länger sitzt, sofern ihn das Amtsgericht Überlingen als Bewährungsbrecher einstuft. Was war geschehen? Im Mai 2019 ist er am Amtsgericht wegen sexueller Nötigung verurteilt worden. Erst lauerte er einer Frau vor ihrer Haustüre in Überlingen auf und bedrängte sie, mit in die Wohnung zu dürfen. Sie wimmelte ihn erst einmal ab. Ihr gelang es aber nicht, die Haustüre zu öffnen, weshalb sie zu einem Kellereingang wechselte. Dort stellte er ihr erneut nach und, so das Urteil am Amtsgericht, fasste ihr brutal in den Schritt, bevor es ihr gelang, ihn zum Teufel zu jagen. Dafür erhielt er am Amtsgericht Überlingen zehn Monate Haft, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Neue Taten in der Bewährungszeit
Dieses Urteil schien Salvatore G. nicht groß zu kümmern. Seine Taten als „Handlanger der Mafia“, wie es die Richterin formulierte, fallen nämlich in diese Bewährungszeit. Das Landgericht Konstanz lehnte es ab, daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Das bedeutet, dass das Amtsgericht nun sein Bewährungsurteil widerrufen könnte. Damit drohen Salvatore G. weitere zehn Monate, die er abzusitzen hätte.
Wie sein Rechtsanwalt vor Gericht schilderte, sei die Untersuchungshaft für seinen Mandanten wegen der Corona-Zeit mit besonderen Härten verbunden gewesen. Er habe keinen Besuch empfangen, und seine Briefe seien der Kontrolle unterzogen worden, was dazu geführt habe, dass es teils Monate gedauert habe, bis eine Antwort kam.
„Der Weg aus Italien ist für solche Familienmitglieder weit.“Die Vorsitzende Richterin
Die Vorsitzende Richterin wies das zurück. Sie ist die für den Vollzug zuständige Richterin und sagte, dass für den Häftling kein einziges Mal ein Besuchsantrag gestellt worden sei. „Er war nicht isoliert in der Untersuchungshaft. Wenn ihn niemand besucht, liegt das nicht an den Corona-Beschränkungen.“ Vielmehr empfindet sie es so: „Der Weg aus Italien ist für solche Familienmitglieder weit.“ Die Briefkontrolle führe allenfalls dazu, dass Briefe „Tage, vielleicht Wochen, aber nicht Monate“ später zugestellt würden.
„Mein Bruder hat immer nur gearbeitet.“Ein Besucher im Gericht
Am Landgericht Konstanz herrschten strengste Sicherheitsvorschriften. Zu groß sind offenbar die Bedenken, dass Rache geübt werden könnte, wenn ein Angeklagter plaudert. Die Besucher mussten sich einer Leibesvisitation unterziehen, auch Pressevertreter. Es gab nur einen einzigen Besucher. Ein Mann, der auf dem Flur des Gerichtes sagte, dass er der Bruder des Angeklagten sei. Von Salvatore G. hörte er in diesem öffentlichen Prozess jedenfalls nichts, was der Justiz bei der Aufklärung von Verbrechen der Mafia dienen könnte.
Der Angeklagte wuchs in Kalabrien auf, wie er berichtete, besuchte er acht Jahre lang die Volksschule, einen Beruf erlernte er wohl nie. „Mein Bruder hat immer nur gearbeitet“, sagte der Besucher im Gerichtssaal gegenüber dem SÜDKURIER. Die ganze Verhandlung sei eine „Show“.
Salvatore G. schilderte, dass er von 2005 bis Ende 2010 in Erfurt in einem Restaurant gearbeitet habe. Das Lokal gehörte, wie vor Gericht erwähnt wurde, wohl ebenfalls einem Clan-Mitglied. 2011, so Salvatore G., sei er nach Überlingen gewechselt. Nach der Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftstrafe muss er damit rechnen, nach Italien abgeschoben zu werden – sofern ihn zuvor nicht noch das alte Urteil von 2019 einholt.