In Zeiten steigender Preise gibt es nichts geschenkt. Falls doch, fällt es sofort ins Auge – so wie der Facebook-Post von Jacqueline Schindler. „Die aktuelle Lage ist für viele Familien und Alleinerziehende finanziell eine hohe Belastung“, beginnt ihr Beitrag in einer Überlinger Gruppe. „Dennoch wollen wir auf eins nicht verzichten: unsere Hunde als Familienmitglieder.“ Sie sei daher bereit, Training „gegen nicht monetäre Gegenleistungen“ anzubieten.
Wer macht denn sowas?
Ein Treffen mit Jacqueline Schindler im Überlinger Ostbad. Die 28-Jährige hat ihren Hund Lipton dabei. Die Deutsche Dogge reicht ihr bis zur Hüfte und trägt Maulkorb. Einige andere Hundehalter schauen auf. Ein Pudel rennt sofort auf Lipton zu und will spielen – aber die Dogge will nicht.
Noch bevor der Reporter Schindler die Hand schütteln kann, hält sie die beiden Hunde auseinander: Körperspannung, Brust raus und deutliche Gesten mit Hand und Arm. Der Pudel rennt wieder weg. Die Kommunikation mit Hunden scheint die Überlingerin offenbar zu beherrschen.
Vom Handel auf die Hundewiese
Schindler arbeitet seit etwa einem Jahr als Hundetrainerin. Früher war die Überlingerin Verkäuferin, doch dieser Beruf habe sie nicht erfüllt, erzählt sie. Daher habe sie vor einigen Jahren Wohnung und Job gekündigt und sei auf Reisen gegangen. Als sie auf Mallorca für eine Tierschutzorganisation arbeitete, habe sie sich in Hunde verliebt – und wollte dies fortan hauptberuflich machen, sagt sie.
Nach ihrer Ausbildung zur Trainerin machte sie sich selbständig und gibt mittlerweile Hundekurse in Überlingen und im Bodenseekreis. Sie bietet unterschiedliche Arten von Trainings an und setzt sich gleichzeitig bei einer Tierschutzorganisation ein.
Höhere Kosten für Haustiere
Ihren Facebook-Post erklärt sie folgendermaßen: „Viele Hundebesitzer scheuen inzwischen die Kosten für Hundetraining, weil sie finanziell nicht über die Runden kommen“, sagt sie. „Sie sehen das als Luxus oder unnötige Ausgabe.“ Dabei sei die Kommunikation zwischen Mensch und Tier essenziell für ein gutes Miteinander. Dazu komme, dass die Kosten für Tierarztbesuche künftig teurer werden.
Dieser Kostenanstieg könnte sich zu Ungunsten der Hundeerziehung auswirken, befürchtet sie. Zur Orientierung: Einzelstunden Hundetraining kosten bei Anbietern in der Region zwischen 70 und 100 Euro. Bei Gruppenstunden liegt der Preis pro Teilnehmer zwischen zehn und 25 Euro.
Angebot als Akt der Freundlichkeit
Bevor daher viele überforderte Herrchen und Frauchen ihre Hunde in die Tierheime bringen, will sie unterstützen: Hundetraining im Tausch gegen eine Hilfeleistung. Sie macht ein Beispiel: „Ich spare auf ein Tattoo. Wenn sich ein Tätowierer ein Hundetraining also nicht leisten möchte, kommen wir ins Geschäft.“ Lediglich einen symbolischen Wert müsse sie aus versicherungstechnischen Gründen in Rechnung stellen, sagt Schindler.

Sie spricht dabei von einem „random act of kindness“ (deutsch: „zufälliger Akt der Freundlichkeit“). Damit ist eine spirituelle Praxis gemeint, bei der Menschen Anderen helfen, um selber glücklich zu werden. „Ich will auch andere Menschen dazu ermutigen, etwas Gutes zu tun – gerade in diesen schwierigen Zeiten.“
Das ist ihre Botschaft an Hundehalter
Noch hätten sich wenige auf ihren Aufruf gemeldet. Aber der Winter sei ja noch lang, sagt sie. Ohnehin ginge es der überzeugten Tierschützerin auch darum, dass sich viele Hundehalter kritische Fragen stellen sollten – am besten vor der Anschaffung. Sonst steige die Zahl der Hunde in Tierheimen nach Ende der Corona-Pandemie weiter.
„Der wichtigste Grund ist zu fragen: ‚Warum brauche oder will ich einen Hund?‘“, so Schindler. „Es ist zudem wichtig, dass Hundehalter konfliktfähig sind und Führungsqualitäten besitzen.“ Die Frage sollte sein: Kann ich die Grundrechte eines Hundes erfüllen? „Zudem sollte sich jedem bewusst sein, dass man sich ein domestizierten Beutegreifer ins Haus holt und jeder das Potenzial hat zu zu beißen“, sagt sie.