Es war vor ziemlich genau 20 Jahren, als Julian Rublack zum ersten Mal nach Überlingen kam. Von Reutlingen aus suchten seine Eltern ein Internat für den damals Zehnjährigen mit Asperger-Syndrom, der bis dahin fast kein Wort gesprochen hatte. Fündig wurden sie in der Camphill-Schule in Brachenreuthe bei Überlingen, die sich auf die Förderung von Kindern mit Autismus spezialisiert hat.

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Was seither geschehen ist, dürfte alle Beteiligten stolz machen – insbesondere Julian Rublack selbst. Nicht nur, dass der 30-Jährige, dem man den Autismus auf den ersten Blick kaum anmerkt, mittlerweile gern redet und ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führt. Er bringt mit seinem Balltalent auch die Badminton-Mannschaft des TV Überlingen nach vorn. Nicht zuletzt dank Rublack ist diese 2022 erstmals in die baden-württembergische Landesliga aufgestiegen.

Nach dem Sieg in Berlin: Julian Rublack und sein Trainer Marian Janisz.
Nach dem Sieg in Berlin: Julian Rublack und sein Trainer Marian Janisz. | Bild: Julian Rublack

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt

Erst im Juni hat Julian Rublack bei den nationalen Spielen der Special Olympics in Berlin den Titel des Deutschen Meisters im Badminton geholt. Dafür durfte er sich ins Goldene Buch der Stadt Überlingen eintragen, direkt hinter dem ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck.

Die Special Olympics sind die internationalen Olympischen Spiele für Sportler mit geistiger Behinderung, 1968 ins Leben gerufen von Eunice Kennedy, einer Schwester des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy. Mit etwas Glück wird Julian Rublack auch für die Special Olympics World Games 2023 aufgestellt, die – nach Los Angeles 2015 und Abu Dhabi 2019 – diesmal in Berlin stattfinden werden.

Jahrelange Pause nach Hirnblutung und Herzproblemen

Julian Rublacks sportlicher Weg bislang war kein leichter. Bereits 2010, mit 18 Jahren, reiste er erstmals mit einem Camphill-Team zur deutschen Special-Olympics-Ausscheidung – und holte auf Anhieb Gold. Doch es folgten eine Hirnblutung und Herzprobleme – er trägt heute einen Schrittmacher –, die ihn jahrelang zum Pausieren zwangen. „Vielleicht wurde auch der Stress zu viel“, sagt der 30-Jährige rückblickend.

Seinen Job im Bistro der sozial-kulturellen Integrationsdienste (Skid) gegenüber der Stadtbücherei liebte er zwar. „Doch meine Hausärztin hat mir davon abgeraten.“ Seit vier Jahren gehört Rublack nun zum festen Team von Ricks Bio-Markt in Nußdorf. „Dort ist es nett und weniger stressig.“

Julian Rublack und sein Chef Ricardo Nardo in Rick‘s Bio-Markt.
Julian Rublack und sein Chef Ricardo Nardo in Rick‘s Bio-Markt. | Bild: Jürgen Baltes

In der Freizeit Musik, Reisen und Sport

Und was macht der 30-Jährige privat? „Ich liebe Musik, Reisen und natürlich Sport.“ Er spielt Fußball, läuft, fährt Rad, ist im Sommer auf dem SUP-Board und im Winter beim Langlaufen anzutreffen. Nicht zu vergessen die Sport-Events: „2019 war ich bei der Badminton-WM in Basel, 2011 in London.“ Zu regionalen Fußballspielen gehe er oft mit Freunden aus seiner WG. Rublack wohnt mit zehn Mitbewohnern in einer Wohngemeinschaft von Skid in Überlingen.

Selbstbestimmung des 30-Jährigen hat ihre Grenzen

Doch hier stößt die Selbstbestimmung an Grenzen. Auf weiteren Fahrten braucht er Begleitung. Morgens, abends und am Wochenende sind Betreuer in der WG vor Ort. Auch rechtlich ist Julian Rublack nicht geschäftsfähig, Vormund ist seine Mutter. „Bei Formularen, finanziellen Dingen oder Online-Bestellungen brauche ich Hilfe“, sagt er – „noch“.

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Und wie war Berlin? „Inspirierend. Ich habe mich mit so vielen Spielern und Trainern ausgetauscht.“ Und: „Am meisten Spaß haben mir die Einzel- und Unified-Sports-Spiele gemacht.“ Hier bilden Spieler mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsame Teams. Das sei seit jeher auch beim TV Überlingen so, sagt Julian Rublack, der hier weit vorn in der Rangliste steht.

Nächstes Ziel ist ein guter Start in der Landesliga

Seine nächsten Ziele: „Einfach weiter Badminton spielen – und wenn es bis 70 ist.“ Zunächst steht aber die neue Spielsaison in der Landesliga an, die am 8. Oktober in Sigmaringen-Laiz beginnt. „Dort wollen wir uns beweisen.“ Und wie gefällt es ihm in Überlingen? „Hier ist nun mein Zuhause“, sagt der junge Mann, der deutsch-britische Eltern hat und in seiner Kindheit mehrfach umziehen musste.