Ein Paar sucht in Überlingen nach einem Eigenheim. Der Weg ist ungewöhnlich: per Briefaktion, die Geschichte dagegen alltäglich. Für viele Menschen am Bodensee ist Wohnraumnot Realität, während Ferien- und Zweitwohnungen, teils als Kapitalanlagen, nicht durchgängig bewohnt sind. Parallel geben sich die Kommunen Mühe, neue Baugebiete und Wohnbauprojekte zu ermöglichen. Hinzu kommen Verbote zur Zweckentfremdung von Wohnraum, etwa in Überlingen.
Der SÜDKURIER stellt Stadt und Landtagsabgeordneten die Frage: Reicht das? Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen, teilt mit: „In den zukünftigen Wohnbaugebieten, die sich derzeit in der Planung befinden, wird eine Nutzung als Ferienwohnung ausgeschlossen. Zweitwohnungen oder der Bau und Erwerb von Wohnungseigentum als Kapitalanlage kann nach dem Baugesetzbuch mittels Bauleitplanung nicht verhindert werden.“
Darf Wohnraum ohne Grund leerstehen?
Leerstände belasten die Wohnraumbilanz zusätzlich. „Auch der sachlich nicht begründete Leerstand von Wohnraum ist nach den Vorgaben der Zweckentfremdungssatzung nicht zulässig“, erklärt die Pressesprecherin: „Die Überwachung gestaltet sich hierbei aber tatsächlich als schwierig, da solcher Leerstand der Stadtverwaltung häufig nicht zeitnah bekannt wird. Ziel muss es aus Sicht der Stadtverwaltung sein, unbegründeten Leerstand von Wohnraum über einen längeren Zeitraum zu vermeiden.“
Wäre ein Verbot von Zweitwohnungen möglich?
Ob ein Verbot von Zweitwohnungen denkbar ist? Andrea Winkler sagt: „Nach unserem Kenntnisstand haben verschiedene touristisch geprägte Gemeinden in Bayern Regelungen erlassen, die eine Zweitwohnungsnutzung von Wohnraum verhindern sollen. Wir betrachten diese Entwicklung mit Interesse, insbesondere ob die angewendeten Vorschriften des Baugesetzbuches der Rechtsprechung standhalten.“ Interessanterweise machen einige der Gemeinden dies, damit genügend Ferienwohnungen für wechselnde Gäste zur Verfügung stehen.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Klaus Hoher sagt: „Der Bodenseekreis gilt aufgrund seiner Seenähe, guter Infrastruktur und der vielen High-Tech-Unternehmen als Zuzugsgebiet. Wir benötigen dringend mehr Wohnraum, ob durch clevere Innenverdichtung, Aufstockungen oder neue Baugebiete. In all diesen Fällen haben die Kommunen die Möglichkeit, Ferienwohnungen in den Satzungen der Bebauungspläne zu untersagen. Es wird jedoch zu wenig umgesetzt.“
Martin Hahn, Grünen-Landtagsabgeordneter, erklärt zur Bautätigkeit: „Jede Wohnung, jedes Bauprojekt hilft, die Lücken in der Wohnraumversorgung zu schließen, wenn es unter den richtigen Rahmenbedingungen verwirklicht wird.“ Hahn betont: „Mit Quoten für geförderten Wohnungsbau, Abgabe von Grundstücken nach Konzeptvergabe und ähnlichen Instrumenten kann gut gesteuert werden, welche Wohnungen entstehen und wem sie zugutekommen.“
„Im Zweifel ein paar Euro weniger in der Stadtkasse“
Hahn fordert die Kommunen auf, eine „aktivere Rolle im Wohnungsbau“ zu spielen: „Dazu gehören gute und aktuelle Bebauungspläne, ausreichendes Personal, eine aktive Bodenpolitik und Bevorratung und – ganz entscheidend – die Vergabe von Grundstücken in Konzeptvergabe statt zum Höchstpreis.“ Hahn sagt: „Im Zweifel habe ich dann ein paar Euro weniger in der Stadtkasse, aber habe eben nicht an den Investor verkauft, der nur auf hohe Rendite aus ist, sondern vielleicht an die örtliche Genossenschaft, die schon seit 80 Jahren bezahlbaren Wohnraum schafft.“
Klaus Hoher findet: „Bei der Vergabe von Bauflächen an Wohnungsbauunternehmen müssen Kriterien wie Mietpreisbindung stärker einfließen. In Salem (Baugebiet Salem-Stefansfeld), wo ich als Gemeinderat tätig bin, wurden diese Kriterien gut umgesetzt, so, dass dort auch Wohnungen zu ortsüblichen Mieten ohne Wohnberechtigungsscheine erhältlich sind.“
Geschosswohnungsbau für Bedarfe der Zukunft
Martin Hahn sieht das Zweckentfremdungsverbotsgesetz, die Mietpreisbremse und das Umwandlungsverbot als wichtige Mittel im Bestreben für bezahlbaren Wohnraum. Und: „Wenn wir bezahlbaren Wohnraum wollen, müssen wir mehr Nähe zulassen. Das bedeutet im Zweifel eben, dass in meiner Nachbarschaft Geschosswohnungsbau entsteht.“ In vielen Fällen müsse dieser barrierefrei sein für die Bedarfe einer älter werdenden Gesellschaft, so Hahn.
Mit der Wiedervermietungsprämie seien Anreize zur Aktivierung von leer stehendem Wohnraum geschaffen worden, führt er weiter aus. Bestehenden Wohnraum gelte es, bestmöglich zu nutzen. „Dazu dienen Umnutzungs- und Modernisierungsmaßnahmen und Ansätze zu neuen Wohnformen, die auf veränderte Wohnbedürfnisse reagieren“, sagt der Grünen-Politiker. Beide Landtagsabgeordnete weisen auf Fördermöglichkeiten für die Gemeinden hin.
Konzentration auf künftige Vergaben und Pläne
Ließen sich rückwirkend Maßnahmen ergreifen? FDP-Landtagsabgeordneter Hoher sagt: „Als Liberaler gilt hier für mich zuerst der Schutz des Eigentums, deshalb halte ich rückwirkende Maßnahmen für rechtlich nicht umsetzbar.“ Maßnahmen bei Neubauwohnungen zur Steuerung von Wohnungsart, Leerstand oder Mietpreise müssten die Kommunen künftig bei der Vergabe beziehungsweise Bebauungspläne besser berücksichtigen.
Hoher sieht aber auch die Bundespolitik in der Pflicht: „Grundsätzlich müssen die Baukosten gesenkt werden und die steuerlichen Anreize bei Eigenbedarf und Vermietung verbessert werden.“ Zur Kostensenkung forderten die Liberalen einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer. „Steuerliche Anreize
will die neue Ampelkoalition in Berlin mit Erhöhung der Abschreibung von 2 auf 3 Prozent einführen“, so Hoher. Zudem müssten die Baugenehmigungsverfahren kürzer und behördliche Auflagen heruntergefahren werden.