Ab Montag wird wieder geschnitten, rasiert und geföhnt: Die Friseure dürfen in Überlingen und andernorts wieder öffnen. „Das hat auch etwas mit Würde zu tun“, argumentierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit Bezug auf die Entscheidung in der Bund-Länder-Konferenz, die nicht nur im Freistaat, sondern zum Monatswechsel auch in Baden-Württemberg umgesetzt wird.

Im Vorfeld der Konferenz hatten viele Branchenverbände Öffnungen für ihre Betriebe gefordert. Vorerst fanden nur die Friseure Gehör, mittlerweile haben in Baden-Württemberg aber auch Fahrschulen die Bestätigung, dass sie ab März in den Regelbetrieb zurückkehren können. Dass ausgerechnet diese Betriebe wieder öffnen dürfen, führt bei anderen „körpernahen Dienstleistern“, wie sie in der Corona-Verordnung genannt werden, zu Ärger und Unverständnis.

„Die Würde beschränkt sich nicht nur auf das Haar“

Dirk Purgold, Inhaber des gleichnamigen Friseurladens in der Überlinger Münsterstraße, ist dankbar dafür, dass er seinen Kunden ab Montag wieder die Haare schneiden darf. Die ersten beiden Wochen nach der Öffnung seien fast komplett ausgebucht. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir so vermisst wurden.“

„Wir freuen uns sehr darüber, dass wir so vermisst wurden“, Dirk Purgold, Inhaber des gleichnamigen Friseurladens, über die ...
„Wir freuen uns sehr darüber, dass wir so vermisst wurden“, Dirk Purgold, Inhaber des gleichnamigen Friseurladens, über die hohe Nachfrage nach Terminen. | Bild: Cian Hartung

Er findet Markus Söders Aussage zur Würde der Menschen im Lockdown einerseits wertschätzend für seine Zunft, andererseits aber abwertend gegenüber anderen Betrieben, die weiter nicht öffnen dürfen. „Die Würde beschränkt sich nicht nur auf das Haar, sondern auch auf andere Lebensbereiche.“ Er wünsche sich, dass bald auch andere Händler und Läden in der Münsterstraße in die Normalität zurückkehren. „Viele Corona-Maßnahmen erschließen sich mir aber einfach nicht.“

Fahrschüler rollen trotz Lockdown bald wieder über die Straßen

Auch in der Fahrschule von Siegfried Matutis wird ab der kommenden Woche der Betrieb wieder aufgenommen. Am Mittwoch hatte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entschieden, dass Fahrschulen wieder öffnen dürfen – sofern die Corona-Inzidenz in der jeweiligen Region niedrig ist.

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„Ich war erleichtert, als ich die Nachricht hörte“, sagt Matutis. „Die Schüler sitzen bereits in den Startlöchern und ich freue mich, dass ich wieder ausbilden darf.“ Bald sind sowohl Fahrstunden, bei denen Schüler und Lehrer mit Maske in weniger als einem Meter Abstand im Auto sitzen, als auch der Theorieunterricht wieder möglich.

„Ich hoffe, dass das Urteil für uns so beibehalten wird und dass wir bei steigender Infektionslage nicht gleich wieder in einen ...
„Ich hoffe, dass das Urteil für uns so beibehalten wird und dass wir bei steigender Infektionslage nicht gleich wieder in einen befristeten Lockdown geschickt werden“, sagt Siegfried Matutis, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule in Überlingen. | Bild: Cian Hartung

„Ich hoffe, dass das Urteil für uns so beibehalten wird und dass wir bei steigender Infektionslage nicht gleich wieder in einen befristeten Lockdown geschickt werden.“ Man könne im Lockdown nicht alle Bereiche dauerhaft geschlossen halten. „Die Folgen sind im wirtschaftlichen Bereich einfach gravierend.“

Öffnungen sind „kleines Zuckerle der Politik“

Bei der Fußpflegerin und Kosmetikerin Ulrike Born zeigen sich seit November die Folgen des Lockdowns. Seit diesem Zeitpunkt durfte die Betreiberin des gleichnamigen Kosmetikstudios nur medizinisch notwendige Fußpflege vornehmen. Kosmetische Behandlungen blieben hingegen verboten.

„Eigentlich gehören wir zum gleichen Gewerk“, sagt Ulrike Born, Betreiberin von Born Kosmetik in Überlingen, über die ...
„Eigentlich gehören wir zum gleichen Gewerk“, sagt Ulrike Born, Betreiberin von Born Kosmetik in Überlingen, über die anstehenden Öffnungen der Friseurläden. Sie selbst hingegen darf weiterhin keine kosmetischen Behandlungen anbieten. | Bild: Cian Hartung

Sie erklärt, sie finde es „seltsam“, dass Friseure wieder regulär arbeiten dürfen. „Eigentlich gehören wir Kosmetiker zum gleichen Gewerk wie die Friseure.“ Das Verbot der Kosmetikbehandlungen im Gesicht könne sie nachvollziehen, da der Kunde dabei keine Maske trage. Aber bei der Handpflege, wo sie mit Schutzmaske hinter einer Glasscheibe sitze, sehe sie kein Problem.

Ulrike Born kann die Maßnahmen nicht nachvollziehen. Zur Wiederöffnung der Friseursalons sagt sie: „Ich denke, es war ein kleines Zuckerle der Politik. Denn die Moral ist bei den meisten Menschen ziemlich am Boden.“

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„Schwer nachzuvollziehen, warum jetzt ausgerechnet die Friseure dran sind“

Ähnlich geht es der Überlinger Masseurin Carmel Hild. Seit November darf sie als Wellness-Masseurin nicht mehr ihre Arbeit ausüben, medizinische Massagen sind hingegen weiterhin möglich. „Ich bin für alles, was die Pandemie in Griff hält“, sagt sie. „Aber grundsätzlich ist es für mich schwer nachzuvollziehen, warum jetzt ausgerechnet die Friseure dran sind.“

Als sie im Oktober zuletzt beim Friseur war, sei dort eine Mehrzahl von Mitarbeitern und Kunden im Laden gewesen, berichtet sie. „Das hatte nichts mit Hygienekonzept zu tun.“ Ihr erschließe sich nicht, warum sie trotz Hygienevorkehrungen seit November keine Massagen mehr anbieten dürfe. Derzeit erhalte sie Kurzarbeitergeld aus ihrer anderen Tätigkeit im Tourismus, sagt Carmel Hild. „Ich lebe von der Hand in den Mund.“ Wann sie wieder arbeiten kann, weiß sie nicht. „Ich gehe davon aus, dass es vorerst so bleibt.“