Der Anfang machte Hoffnungen. 570 Senioren aus dem Bodenseekreis tauschten 2022 ihren Führerschein gegen ein „AboMobil63“-Ticket des Bodo-Verkehrsverbunds ein. Das Interesse war groß: Fast die Hälfte der Interessenten meldeten sich damals bereits in den ersten Monaten nach dem Start der Aktion „Bus und Bahn statt Führerschein“.
Im zweiten Jahr wurden circa 360 Führerscheinverzichte anvisiert. Doch nur noch 230 Einwohner des Landkreises ließen ihren Lappen in der Behörde, um ein ÖPNV-Ticket zu erhalten. Seit Mai 2023 hätten sie sogar ein Deutschlandticket erhalten. Doch selbst dieser Anreiz konnte offenbar nur wenige begeistern.
Schwaches zweites Jahr führt zum Umdenken
Nachdem die Zahlen im zweiten Jahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, ist zum Jahresende Schluss. Die Aktion wird eingestellt, wie Verkehrsplaner Andreas Rein in der vergangenen Sitzung des Nahverkehrausschusses erläuterte. Das wundert aber: Im Sommer 2023 hieß es aus der Pressestelle des Landratsamts noch, dass man mit der Entwicklung der Aktion bis dato „sehr zufrieden“ sei. Ziel sei es, so die Aussage damals, dass bis Ende des Jahres 800 Menschen den Fahrausweis eingetauscht haben werden. Warum also jetzt die Vollbremsung?
Lars Gäbler, Pressesprecher des Landratsamts, antwortet darauf: „Das überwiegend schwache zweite Jahr und die Einführung des Deutschland-Tickets haben schlussendlich zum Umdenken bewogen“, sagt er. So überwiege das mögliche Einsparpotenzial den Nutzen der Aktion insgesamt. Das zwei Jahre angesetzte Programm wurde aus Geldern des Landkreises und des Landes Baden-Württemberg finanziert. Eine eigenfinanzierte Fortführung des Programms werde aber nicht angestrebt, so der Wortlaut in den Unterlagen der Ausschusssitzung. „Stattdessen sollten die Vorteile des ÖPNV weiterhin offensiv dargestellt und beworben werden.“
Trotzdem positives Fazit des Landratsamts
Pressesprecher Gäbler verweist auch darauf, dass Seniorinnen und Senioren über 65 Jahre bei einem Bevölkerungsanteil von 22 Prozent im Jahr 2022 nur in 13 Prozent der Unfälle auch Verursacher waren. In Sachen Verkehrssicherheit habe die Aktion keinen großen Effekt erzielt. Senioren am Steuer seien laut dem Sicherheitsbericht der Polizei im Bodenseekreis bei Verkehrsunfällen unauffällig. 435 von knapp 5700 Unfällen wurden im vergangenen Jahr von Fahrern über 65 Jahren verursacht.
„Diese Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem stabilen Niveau“, so Gäbler. Das Fazit der Aktion falle insgesamt aber weiterhin positiv aus, weil das Ziel von 800 umgetauschten Führerscheinen erreicht wird.
Kreisseniorenrat: „Rückmeldungen gab es so gut wie keine“
Walter Schmid, Vorsitzender des Kreisseniorenrats, bedauert das Ende der Aktion. Für ihn komme das aber nicht überraschend. Laut ihm habe man damals unter Senioren im Landkreis für die Aktion geworben. „Rückmeldungen gab es so gut wie keine“, sagt er. Positive Berichte habe er aus Bewohnern städtischer Gebiete erhalten, negative von Einwohnern aus eher ländlich geprägten Orten. „Der Hintergrund ist klar: Die Seniorinnen und Senioren in Städten habe eine bessere ÖPNV-Struktur, die in ländlichen eine schlechtere.“
Aktionen dieser Art würden besser angenommen werden, wenn man genau bei diesem Problem ansetzt, sagt er. „Damit meine ich, dass es in den ländlichen Regionen eine Zusammenarbeit geben müsste zwischen Landratsamt, Kommunen, bestehenden Bürgerbussen, die Gründung weiterer Bürgerbusse, Abholbänke im Sommer, Car-Sharing oder private Mitfahrdiensten.“ Schmid weiter: „Wie bei anderen Themen auch: Angebote nützen nur was, wenn sie auch angenommen werden.“