Es soll vor Corona schützen: Das Lüften der Klassenzimmer, damit sich die Aerosol-Partikel verdünnen. Sie sollen eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Sars-CoV-2 spielen, da sie Stunden bis Tage in der Luft schweben können. Zur wärmeren Zeit war das Lüften kein Problem, doch mit den jetzt sinkenden Temperaturen ist zu erwarten, dass die Klassenräume trotz Heizung kalt sein werden – kälter als das, was gemeinhin als Zimmertemperatur gilt.

Nach Mitteilung der Stadt wird ein regelmäßiges Lüften von Klassenräumen nicht erst seit Inkrafttreten der Corona-Verordnung empfohlen. Man stelle jetzt aber fest, dass in den Schulen aufgrund der Angst vor Ansteckung in vielen Räumen die Fenster praktisch durchgehend offen seien. Eine ausreichende Heizleistung werde „schwierig, wenn nicht unmöglich“, wenn die Fenster dauerhaft oder zu lange offen stehen. Aktuell seien alle Heizungen in Betrieb und intakt.

Stadt sieht Geräte zur Luftfilterung kritisch

Lüften braucht man einen Raum nur dann nicht, wenn die Luft durch eine geeignete Anlage ausgetauscht wird. Man erhalte vermehrt Angebote von Geräten zur Luftfilterung oder zur Luftdesinfizierung in geschlossenen Räumen. Die Stadt schreibt: „Dieses Thema wird noch an Aktualität gewinnen, wenn in den kommenden Monaten die Temperaturen weiter sinken und ein gründliches Lüften alle 45 Minuten schwieriger wird. Den geforderten Luftaustausch erfüllen diese Geräte jedoch nicht. Geeignete Lüftungsgeräte müssen also einen Luftaustausch mit Wärmerückgewinnung ermöglichen, sofern diese Bestimmung nicht geändert wird.“ Außerdem heißt es in der Mitteilung, dass Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium derzeit die Effizient von Luftfiltern untersuchen ließen. „Ihr Einsatz wird ministeriumsseitig nicht verlangt und soll auch nicht verlangt werden.“

Die Sechstklässler Elena Unger, Keno Halbauer und Mia Metzler beim Lüften im Klassenzimmer: Noch können sie die kühle Frischluft ...
Die Sechstklässler Elena Unger, Keno Halbauer und Mia Metzler beim Lüften im Klassenzimmer: Noch können sie die kühle Frischluft vertragen, doch die kalte Jahreszeit steht erst noch bevor. | Bild: Cian Hartung

Am Gymnasium entsteht bei offener Dachluke ein Kamineffekt

„Im Gymnasium sind alle Voraussetzungen für ein ordentliches Lüften gegeben“, sagt Schulleiter Hans Weber. Im Sommer sei dauergelüftet worden, jetzt bleibe die Eingangstür auf, sodass auf dem Flur Durchzug herrsche, mit geöffneter Dachluke entstehe sogar ein kleiner Kamineffekt. „Wir hatten eher ein energetisches Problem aufgrund undichter Fenster“, sagt der Schulleiter. Die Stadt habe bereits den Neubau des Haupthauses beschlossen. „Trotz der Pandemie und der angespannten Haushaltslage ist es daher aus Sicht unserer Schulgemeinschaft wichtig, dass die Planung weitergeht“, sagt Weber.

Bild 2: Werden Klassenzimmer nach dem Lüften wieder warm genug? An Überlingens Schulen ist dies „nahezu unmöglich“, räumt die Stadt ein
Bild: Archiv
„Im Gymnasium sind alle Voraussetzungen für ein ordentliches Lüften gegeben.“
Hans Weber, Leiter des Gymnasiums

Seine Empfehlung an das Kollegium: Alle 15 bis 20 Minuten im Unterricht stoßlüften und in großen Pausen etwas länger. Weil das Temperaturempfinden der Menschen unterschiedlich sei, „und vielleicht aufgrund unterschiedlicher Sensibilität für das Thema Aerosole und Lüften“, werde das Lüften momentan noch unterschiedlich gehandhabt. Einige Schüler, die an Fenstern säßen, hätten bereits signalisiert, dass es ihnen zu kalt sei. Er habe kein Problem damit, wenn Schüler mit Jacken im Unterricht sitzen. Es brauche jetzt wärmere Kleidung und beim Lüften Rücksicht auf diejenigen, die in Fensternähe sitzen. „Wir wollen natürlich nicht, dass wir jetzt lauter Erkältungskrankheiten durch Lüften induzieren.“

Wer am Fenster sitzt, trägt teils jetzt schon eine Jacke im Unterricht

Die Sechstklässlerin Mia Metzler trägt schon jetzt eine gefütterte Jacke im Unterricht. „Ich sitze an der Fensterreihe, wo es kälter ist“, sagt die Elfjährige. „Daher ziehe ich mir morgens schon wärmere Sachen an.“ Ganz anders sieht es Keno Halbauer auf der anderen Seite des Klassenraums. Er sitzt im Sweatshirt da und meint: „Momentan brauche ich noch keine Jacke. Ich schwitze eher, als zu frieren. Aber ab Dezember kann es sein, dass auch ich hier in Winterjacke sitze.“ Neben ihm ist Elena Unger glücklich darüber, noch nicht am Fenster zu sitzen. „In der kommenden Woche wird die Sitzordnung geändert“, erklärt sie und befürchtet: „Dann könnte es sein, dass ich am Fenster sitze.“

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Bild: Hilser, Stefan
„In der Realschule haben wir, bis auf einen Raum, die Möglichkeit, ausreichend zu lüften.“
Karin Broszat, Schulleiterin der Realschule

Realschule denkt über Kauf von Kohlendioxid-Messgeräten nach

In der Realschule habe man die Möglichkeit, außer in einem Raum, ausreichend zu lüften, sagt Schulleiterin Karin Broszat. „Dieser eine Raum wird entsprechend weniger genutzt.“ Lehrkräfte und Schüler seien angehalten, regelmäßig stoßzulüften. „Wir alle ziehen uns wärmer an als sonst, und noch ist es ja nicht richtig kalt und die Erkältungszeit hat nicht richtig begonnen.“ Für den Winter denkt die Realschule über die Anschaffung von Kohlendioxid-Messern für jedes Klassenzimmer nach. „Wenn viel ausgeatmetes Kohlendioxid in der Luft ist, dann sind auch viele Aerosole in der Luft“, erläutert die Schulleiterin. Die Geräte zeigten an, wann es geboten sei, die Fenster zu öffnen.

Bild 4: Werden Klassenzimmer nach dem Lüften wieder warm genug? An Überlingens Schulen ist dies „nahezu unmöglich“, räumt die Stadt ein
Bild: Archiv
„Die Belüftung der Klassenräume geschieht durch dezentrale Lüftungsgeräte.“
Judith Oelhaf, kommissarische Leiterin der Burgbergschule

Burgbergschule hat dezentrale Lüftungsgeräte in den Klassenräumen

An der Burgbergschule läuft die Heizung während des Schulbetriebes vormittags und nachmittags bis 15.30 Uhr. „Durch einen Außenfühler wird die Heizleistung automatisch geregelt“, erklärt die kommissarische Schulleiterin Judith Oelhaf mit. Das Schulgebäude sei vor zehn Jahren energetisch saniert worden, „daher sind die Fensterdichtungen alle intakt“. Die Klassenräume werden über dezentrale Lüftungsgeräte belüftet, die über eine Zeitschaltung geregelt sind. Zudem öffnen die Lehrer in jedem Klassenzimmer ein Fenster zum Lüften. „In der kalten Jahreszeit werden wir Erfahrungen zur bisher praktizierten Umsetzung sammeln“, sagt Oelhaf.

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Bild: Tim Lechler
„Es ist eine Gratwanderung zwischen ausreichend gutem Lüften und genug Wärme im Klassenraum.“
Jürgen Mattmann, Leiter der Wiestorschule

In der Wiestorschule sind alle Fenster dicht und können geöffnet werden

Jürgen Mattmann von der Wiestorschule meint: „Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wie leistungsfähig unsere Heizung ist.“ Bei Problemen stimme man sich mit dem Schulträger ab. Alle Klassenräume hätten genügend Fenster, die geöffnet werden könnten. Zudem seien die Fenster dicht. Mattmann sieht eine Gratwanderung zwischen ausreichendem Lüften und genügend Wärme im Klassenraum. „Das muss die jeweilige Klasse mit der Lehrkraft herausfinden.“ Es gebe schon ein paar Erkältungsfälle, da teils einfach zu viel Durchzug herrsche. „Und wir stehen erst am Anfang der kälter werdenden Tage und Wochen.“