Die OB-Kandidaten Martin Hahn und Jan Zeitler haben sich am Donnerstag der SÜDKURIER-Podiumsdiskussion gestellt. Der Abend war in sechs Themenblöcke portioniert. Den Einstieg in die einzelnen Sachthemen überließ Redaktionsleiter Stefan Hilser verschiedenen Bürgern, die entweder in dem Bereich tätig sind oder einschlägige Kompetenzen aufweisen.

Dies waren die Künstlerin Diana Lukas als Vertreterin der Freien Kunstakademie (Kultur), Maximilian Matern vom Jugendgemeinderat (Jugend), Roland Ruf vom Turnverein (Ehrenamt), Architektin Corinna Wagner (Bauen und Wohnen), Einzelhändler Uwe Zscherp (Handel und Gewerbe) und Theresia Heidegger von der Initiative Überlingen Zero (Klimaschutz).

Diana Lukas von der Freien Kunstakademie Überlingen: „Für uns Künstler ist es die größte Motivation, wenn wir wahrgenommen werden.“
Diana Lukas von der Freien Kunstakademie Überlingen: „Für uns Künstler ist es die größte Motivation, wenn wir wahrgenommen werden.“ | Bild: Kleinstück, Holger

So positionieren sich die Kandidaten zum Thema Kultur

Einen besseren Nährboden für die Kulturschaffenden wünschte sich Diana Lukas von der Freien Kunstakademie Überlingen. „Für uns Künstler ist es die größte Motivation, wenn wir wahrgenommen werden“, sagte sie und fragte: „Wie können Sie uns als Oberbürgermeister unterstützen? Wie könnte die Zusammenarbeit mit dem Kulturamt einfacher gestaltet werden?“

Kunst und Kultur bezeichnete Martin Hahn als „so wichtig wie das tägliche Brot“. Hahn räumte ehrlich ein, dass er die Szene noch nicht sehr gut kenne. Aber in Gesprächen sei ihm der vielfältige „Reichtum“ deutlich geworden. Um eine stetige Wahrnehmung dieser Akteure sicherzustellen, würde Hahn gerne einen Beirat für Kunst und Kultur einrichten, der die Arbeit des Ausschusses für Bildung, Jugend und Soziales begleitet. Damit die politische Ebene ein besseres Bild davon bekomme, was Kunst und Kultur für Überlingen bedeute.

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Die Stadt habe mit der Freien Kunstakademie schon „einige Projekte gemacht“, ließ Amtsinhaber Jan Zeitler einfließen und lobte einen „sehr engagierten Leiter“ des Kulturamts. Den Wunsch nach mehr Gegenwartskunst und neue Formaten habe er zur Kenntnis genommen. Die Frage sei: „Wie führen wir alles zusammen?“ Zeitler nannte eine Anlaufstelle, um die Dinge zu bündeln und in die Gremienarbeit einzuspeisen, aber auch um Unterstützung bei Antragstellungen oder der Vernetzung zu leisten.

Sanierung der Kapuzinerkirche

Moderator Stefan Hilser brachte die Raumnot von Künstlern ins Gespräch und spitzte sie mit einer Leser-Frage von Harald Lenski, dem Vorsitzenden des Fördervereins Sommertheater, nach einer schnellen Sanierung der Kapuzinerkirche zu.

2025 werde man dies sicher nicht schaffen, sagte OB Jan Zeitler. Er kenne die Sanierungspläne, bei denen auch die Denkmalpflege mitspreche. Zeitler: „Wir sind im Plan.“ Das Sommertheater werde 2026 in der Kapuzinerkirche stattfinden. „Dazu stehe ich.“ Auf eine höherwertige Sanierung verzichte man bewusst, um einen niederschwelligen Zugang zu sichern.

Dass eine statische Sicherung schneller möglich sei, erklärte Martin Hahn, habe die Nutzung bei der Landesgartenschau gezeigt. So müsste der Raum auch 2025 schon nutzbar sein, um im Anschluss die weiteren Installationen abzuschließen.

Maximilian Matern, Vorsitzender des Jugendgemeinderats, brachte die Anliegen der Jugend zur Sprache.
Maximilian Matern, Vorsitzender des Jugendgemeinderats, brachte die Anliegen der Jugend zur Sprache. | Bild: Kleinstück, Holger

So positionieren sich die Kandidaten zum Thema Jugend

Die Anliegen der Jugend brachte Maximilian Mattern als Vorsitzender des Jugendgemeinderats zur Sprache. Sie wünsche sich unter anderem einen geeigneteren Ort, „an dem man sich treffen und abhängen kann“. Das Jugendcafé sei dafür zu klein und werde wenig genutzt. Unterstützung wünschten sich Schüler jedoch auch bei der Suche nach einem Ferienjob.

Beim Bahnhof Mitte werde die Stadt demnächst Räume für die „mobile Jugendarbeit“ anmieten, erklärte Jan Zeitler. Genau dort wolle die Arbeitsagentur auch regelmäßig eine „Berufsberatung und Jobbörse“ für Schüler anbieten. Man habe bewusst diesen zentralen Standort gewählt, sagte Zeitler. Was den Raumwunsch für Treffs angeht, setzt der Amtsinhaber auf einen „Dreiklang“ von Nußdorfer Rampe für Proben und kleine Konzerte, das Jugendcafé am Gondelehafen „zum Chillen“ und „in absehbarer Zeit“ die Kapuzinerkirche, die für größere Partys genutzt werden könne. Um den Zugang dort niederschwellig zu halten, wolle man bewusst auf einen Dritten als Betreiber verzichten. Vor dem Neubau eines Jugendhauses schrecke er zurück, sagte Zeitler. „Das werden wir nicht schaffen.“ Stattdessen gelte es die genannten drei Gebäude bedarfsgerecht zu nutzen.

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Anders sah Martin Hahn die Situation. „Aus meiner Sicht braucht es zusätzliche Räume“, erklärte Hahn. Zumal es Jugendgruppen gebe, die sich auch mal „separieren“ wollten. Deshalb gelte es im Bereich des Zentralen Omnibusbahnhofs weitere Räume zur Verfügung zu stellen. Die sollten allerdings „nicht fertig ausgebaut und nicht voll betreut“ sein.

„Ich wünsche mir, dass die Jugend auch tätig wird“, betonte Hahn. Dazu sei am ehesten „ein Rohbau geeignet, in dem sich etwas entwickeln kann, was ihnen gemäß ist“. Die mobile Jugendarbeit sei eine gute Sache, sagte er. Doch die Jugendlichen bräuchten Räume für ihre Kreativität und ihre Entwicklung, auch außerhalb der Vereine – „allerdings low level – und nicht high end ausgebaut.“

Roland Ruf vom TV Überlingen sieht die Vereine vor Herausforderungen.
Roland Ruf vom TV Überlingen sieht die Vereine vor Herausforderungen. | Bild: Kleinstück, Holger

Die Positionen zum Thema Ehrenamtliche

Vor neuen Herausforderungen sieht Roland Ruf vom TV Überlingen künftig die Vereine. Auf die Unterstützung der Stadt angewiesen seien sie bei der Begleitung der Ganztagsbetreuung an Grundschulen und bei der Integration von geflüchteten Kindern. Gerade hier könnten die Vereine einen größeren Beitrag leisten. „Welche Ideen hätten Sie hier für uns?“, fragte Ruf.

Zu Beginn des nächsten Jahres wolle man sich mit den größeren Vereinen zusammensetzen, um auszuloten, welcher Beitrag geleistet werden könne, erklärte Jan Zeitler. Die Ganztagsbetreuung werde von der zuständigen Abteilung begleitet. Als Problem sah Martin Hahn, dass hier völlig neue Aufgaben auf die Vereine zukämen. Für die jungen Familien sei die Betreuung allerdings ein ganz zentrales Thema. Hahn: „Wir werden dies nicht kostenneutral hinkriegen.“ Die von Ruf erhofften konkreten Ideen waren hier wie dort allerdings noch Mangelware.

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Um die Vereine bei der aufwendigeren Integration von geflüchteten Kindern zu stärken, sagte Hahn, müsse die Stadt vielleicht die Pauschale bei der Jugendförderung erhöhen. „Wir müssen die Kinder abholen in den Schulen und mitnehmen in die Vereine,“ beschrieb er die Herausforderung. Jan Zeitler verwies auf den Sozialpass der Stadt, über den jedes Kind Vereinsmitglied werden könne. Um einen Fahrdienst einzurichten, bedürfe es allerdings eines höheren Integrationsbudgets, wenn ein konkretes Projekt vorliege.

Ob es nicht an der Zeit wäre, mal alle Vereine an einen Tisch zu holen, hakte Stefan Hilser nach, um mögliche Synergien zu nutzen. Als „großes Ziel“ nannte Jan Zeitler eine Koordinierungsstelle für ehrenamtliches Engagement, die bei den bürokratischen Anforderungen helfen und auf Fördermöglichkeiten hinweisen könne. Wichtig war Martin Hahn „eine ganz hohe Durchlässigkeit in der Verwaltung“. Es gelte schnell zu merken: „Wo brennt‘s?“ Wenn eine Sache hochkoche werde es sehr schwierig. Hahn nannte als Beispiel das Problem des Musikvereins in Lippertsreute, der plötzlich in Raumnot geriet.

Architektin Corinna Wagner fragte nach den Positionen der Kandidaten zum Thema Wohnraum.
Architektin Corinna Wagner fragte nach den Positionen der Kandidaten zum Thema Wohnraum. | Bild: Kleinstück, Holger

Thema Bauen und Wohnen

Beim Thema Bauen und Wohnen hinterfragte Architektin Corinna Wagner die Positionen der beiden Konkurrenten. An „bezahlbarem Wohnraum“ fehle es nach wie vor, während in der Altstadt Häuser teilweise leer stünden, sagte sie. Der Druck auf den Wohnungsmarkt sorge zudem für Planungen, dass bei Bürgern ein Unwille entstehe. „Wie wollen Sie die Menschen dabei mitnehmen?“

Viel Hoffnung für den Wohnungsmarkt wollte Martin Hahn nicht wecken. „Auch wenn wir hier alles richtig machen, wird es nur unmerklich besser“, prognostizierte er. Dazu sei Überlingen einfach zu attraktiv. Das Land versuche, Leerstände derzeit über eine Prämie zu mobilisieren. Zudem könne eine Organisation eventuell den Eigentümern die Probleme der Vermietung abnehmen.

Jan Zeitler verwies auf den Bedarf und das städtische Wohnbaulandmodell als „tolles Instrument“. Altbauten seien häufig zum Spekulationsobjekt geworden, klagte Zeitler. Die Stadt biete eine Sanierungsberatung an, doch viele Eigentümer erreiche man nicht. Zuversichtlich war Zeitler bei Neubaugebieten, wo die Stadt beim Belegungsrecht steuernd eingreifen könne.

Die geplante Bebauung „Rauenstein Ost“ sei in der ganzen Stadt umstritten, griff Martin Hahn einen Ball von Stefan Hilser auf. Auf kein anderes Thema sei er häufiger angesprochen worden, selbst in den Teilorten. Wenn die Planung weiter forciert werde, komme es mit Sicherheit zu einem Bürgerentscheid aus der Bevölkerung heraus. Zudem habe die Bauverwaltung in anderen Bereichen genug zu tun, dass ein Engagement hier „vergebene Liebesmüh“ sei. Hahn: „Ich bin da raus.“ In Deisendorf gebe es sicher eine Lösung, ohne Sankt Leonhard anzufassen.

Für ein kurzes Wortgefecht sorgte der Einwurf Zeitlers, sein Gegenüber sei ja „in dem Thema nicht so drin“, dem Hahn vehement widersprach.

Der Gemeinderat wolle hier eine Wohnbaufläche entwickeln, sagte Jan Zeitler. Niemand wolle den Hang bebauen und auch die ehemalige Reitwiese habe man herausgenommen. Es sei nach wie vor ein „guter Prozess“. Und wenn es zu einem Bürgerentscheid kommt? Zeitler: „Dem stellen wir uns. Warum nicht?“

Einzelhändler Uwe Zscherp moniert die Leerstände in der Stadt.
Einzelhändler Uwe Zscherp moniert die Leerstände in der Stadt. | Bild: Kleinstück, Holger

Thema Einzelhandel

Mehr Geschäftsverkehr in den ruhigen Monaten wünschte sich Einzelhändler Uwe Zscherp, der ebenfalls die Leerstände monierte. Es gebe Städte, die das Thema mit Förderprogrammen aktiv angingen oder mit eigenen kreativen Ideen. „Könnten Sie sich das auch vorstellen?“ Andere Städte böten in der Nebensaison temporär preiswertes Parken an, sagte Zscherp und wies auf das Thema Stadtmarketing hin.

„Wir spielen die ganze Klaviatur der Förderprogramme bei Sanierungen“, erklärte Jan Zeitler: „Doch die Angebote müssen auch angenommen werden.“ Die „Founder Walks“ des Wirtschaftsförderers nannte Zeitler indessen einen „Riesenerfolg“. Dadurch seien erste Geschäfte schon wieder belebt worden. Man bringe damit Vermieter und Interessenten zusammen. Ein Riesenproblem seien nach wie vor die Brandruinen – wegen hoher Immobilienpreise.

Die Stadt lebe davon, dass es „pulsiert“, sagte Martin Hahn. Man brauche eine Innenstadtkommission, in der sich die Verwaltung mit Händlern, Gastronomen und Marktbeschickern ins Benehmen setzten. Hier seien auch Start-ups wichtig und neue zukunftsorientierte Branchen. Gemeinsam könne man das vorhandene Know-how bündeln und weiter entwickeln.

Beim Thema Parkgebühren trat Jan Zeitler auf die Bremse und verwies auf die Verpflichtungen der Stadtwerke, die für vier Parkhäuser, die Therme und den ÖPNV wirtschaftlich verantwortlich seien. Die seien „keine gewinnbringenden Sparten“. Vergünstigungen seien eine politische Entscheidung und eine Freiwilligkeitsleistung, die aus dem städtischen Haushalt finanziert werden müsse.

Er könne Herrn Zeitler an dieser Stelle nur bestätigen, pflichtete Martin Hahn im Grundsatz bei. Er habe sich den Haushalt der Stadtwerke angeschaut. Der Vergleich mit anderen wohlhabenderen Städten sei schwierig. Vielleicht könne man gemeinsam eine kluge Lösung hinbekommen, sagte er und brachte eine Wertkarte mit Vergünstigungen ins Gespräch. Hahn: „Manche machen sich auch die Mühe und nutzen den öffentlichen Verkehr. Was geben wir denn denen?“

Theresia Heidegger von der Initiative Überlingen Zero fragt: „Wie würden Sie die Bürger anregen, mehr CO2 zu vermeiden?
Theresia Heidegger von der Initiative Überlingen Zero fragt: „Wie würden Sie die Bürger anregen, mehr CO2 zu vermeiden? | Bild: Kleinstück, Holger

Thema Klimaschutz

Etwas emotionaler wurde es auf dem Podium, als Theresia Heidegger von der Initiative Überlingen Zero zum Abschluss das Thema Klimaschutz aufrief. Die Stadt habe sich zur Klimaneutralität bis 2040 bekannt, sagte sie. „Welche nächsten Schritte würden Sie initiieren, um das zu erreichen?“, fragte Heidegger. Private Haushalte hätten mit 45 Prozent den größten Anteil am CO2-Ausstoß. „Wie würden Sie die Bürger anregen, mehr CO2 zu vermeiden?“

Die Rettung der Welt entscheide sich zwar nicht in Überlingen, räumte Martin Hahn ein. Doch komme die Frage der Heizung oder der CO2-Preise „unweigerlich auf unsere Bürger zu“. Die Stadt sollte daher ihre Ziele schnell und ambitioniert erfüllen „Wir müssen da richtig Gas geben.“ Das Kramer-Areal und Diehl seien ideale Abnehmer für ein Seewärmekonzept. Andere Gemeinden seien hier schneller. Die Wärme sei neben dem Verkehr der zentrale Bereich, den die Stadt steuern könne. Die erstellte kommunale Wärmeplanung müsse „zu Aktionen verdichtet werden“.

Nicht ganz richtig lag Hahn bei seiner Kritik an fehlenden neuen Photovoltaik-Anlagen. „Die machen wir ständig auf irgendwelche Dächer“, entgegnete Zeitler und nannte das Parkhaus Stadtmitte und das Parkhaus Therme, wo der städtische Haushalt den Stadtwerken mit Zuschüssen aushelfe. Zeitler führte das integrierte Klimaschutzkonzept an, mit dessen Umsetzung die Stadt einen großen Schritt weiter komme. Für das Seewärmeprojekt in Meersburg gebe es schlicht mehr Großabnehmer. Dennoch könne es zu einer Blaupause für Überlingen werden, sagte Zeitler. Es gehe jedoch um hohe Investitionen. „Wenn wir in der Altstadt ein Nahwärmenetz wollen, brauchen wir die Abnehmer.“ Hier habe man wenig Rückmeldung bekommen.

Diese Netze kosteten viel Geld, räumte Martin Hahn ein und nannte das Stichwort Bürgerenergiegenossenschaft. „Wir sind nicht die ärmste Stadt“, sagte er. „Doch wir müssen das Potenzial auch anzapfen.“ Die Stadt müsse signalisieren: „In diesen Netzen geht es um eure Zukunft.“ Das sei auch eine Frage der Kommunikation.