Ganz so einfach, wie es manche Bürger gerne gehabt hätten, die sich in der Fragestunde zur Windkraft meldeten, machte es sich der Gemeinderat nicht. Denn eine kategorische Ablehnung des potenziellen Windkraftstandortes am Hochbühl könnte zum Bumerang werden, wenn der Regionalverband sich mangels Flächen wahllos für Standorte entscheiden müsste und zum Instrument der „Superprivilegierung“ greifen würde – darunter ist eine Privilegierung ohne wesentliche Abwägungsmöglichkeiten zu verstehen.
Im Zuge des Beteiligungsverfahrens hatte der Regionalverband die Stadt aufgefordert, Stellung zu beziehen zum Regionalplan Bodensee-Oberschwaben, Teilregionalplan Energie. Dahinter verbirgt sich unter anderem die Ausweisung des Vorranggebietes Windenergie für den Hochbühl, davon betroffen sind Überlingen mit den Teilorten Hödingen und Nesselwangen sowie Owingen mit dem Ortsteil Billafingen.

Regionalverband ist selbst unter Zugzwang
Es gehe um gesetzliche Vorgaben von Bund und Land, die einen Beitrag zum überfälligen Klimaschutz leisten sollen und müssen, wie Oberbürgermeister Jan Zeitler und Bürgermeister Thomas Kölschbach in der Sitzung mehrfach betonten. Der Regionalverband habe ebenso lange intensiv wie fundiert geprüft und er müsse Vorschläge machen – ganz unabhängig von einer Stellungnahme der Stadt.
Bei der aktuellen Abwägung würden Argumente zum Landschaftsbild oder zur Natur weniger stark gewichtet, um überhaupt zum Ziel zu kommen, erläuterte Kölschbach. Als optisch schützenswert zum Beispiel seien am Seeufer lediglich die Klosterkirche Birnau und die Pfahlbauten ausdrücklich genannt worden. In ihrer Stellungnahme weist die Stadt nun ausdrücklich auf die Nähe der angedachten Windkraftanlagen zur historischen Altstadt mit ihrer Vielzahl an Denkmalen hin. Das hatte die Verwaltung bereits in der Vorlage zur Sitzung vorgeschlagen.
Nesselwangen begründet Ablehnung ausführlich
Für den Ortschaftsrat Nesselwangen erläuterte Axel Wieczorek die ablehnende Stellungnahme des Teilorts und benannte acht ausführliche Sachargumente als Begründung. Dazu gehörten unter anderem eine Betrachtung der Höhenlage, die Nähe zu einem reinen Wohngebiet sowie die starke Beeinträchtigung von Natur und Biotopvernetzung durch den Standort. Nicht so ausführlich, doch in die gleiche Richtung zielte die Stellungnahme des Teilorts Hödingen, die Martin Keßler vortrug. Den interfraktionellen Antrag aller Räte zur Berücksichtigung der kritischen, aber sachlichen Nesselwanger Stellungnahme, den Stadtrat Robert Dreher (FWV/ÜfA) angeregt hatte, modifizierte das Gremium später noch.
CDU-Rat Bruns warnt vor kategorischer Ablehnung
Alexander Bruns (CDU) brachte das Spannungsfeld auf den Punkt. Ihm gefielen die Windräder auch nicht, sagte Bruns. Doch nur zu sagen „Ich will das nicht bei mir“, reiche nicht angesichts der aktuellen Herausforderungen. Der Regionalverband werde die sachlichen Argumente abwägen. Einfacher machten es sich Roland Biniossek und Monika Wieden-Biniossek. „Wir gehen häufig dort spazieren“, sagten beide sinngemäß und Wieden-Biniossek wies noch auf ihre tiefe emotionale Betroffenheit hin.
„Die Diskussion war zu erwarten“, sagte Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne). Doch die Fakten seien professionell erarbeitet und die klimatischen Veränderungen seien nicht zu übersehen, die ein Handeln dringend erforderlich machten. Dem folgte auch Michael Wilkendorf für die SPD-Fraktion. Peter Vögele (FDP) stellte die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Betriebs infrage. Darüber hätten Stadt und Gemeinderat nicht zu befinden, betonte Bürgermeister Thomas Kölschbach. „Wir werden vom Regionalverband angehört und das war‘s.“
Sitzungsunterbrechung zur Klärung
Als Frage stand anschließend etwas Anderes im Raum: Kann beziehungsweise darf die Stadt in der von ihr geforderten Stellungnahme sich die Nesselwanger Position „zu eigen machen“ oder kann sie diese dem Regionalverband nur „zur Kenntnis geben“. Die Einschätzung in der Runde war kontrovers und OB Jan Zeitler sprach sich für eine Sitzungsunterbrechung aus und zog die Sitzungspause vor.
Die Fraktionen steckten noch einmal die Köpfe zusammen und fanden eine für alle tragbare Formulierung mit dem Hinweis auf die historische Altstadt. In einem weiteren Zusatz zur Stellungnahme wird der Regionalverband gebeten, die Nesselwanger Stellungnahme zu „prüfen“ und die Hödinger Position „zur Kenntnis zu nehmen“. Der kleine Unterschied spiegelt die Argumentationstiefe der beiden Erklärungen wider.