„Für uns Kinder waren sie nichts Besonders. Wir sind mit ihnen aufgewachsen und sie waren für uns ganz selbstverständlich.“ Das sagt Maria Bußmann über die Pfahlbauten in Uhldingen-Mühlhofen. „Sie waren halt da.“ Dennoch hat sie eine besondere Beziehung zu den Pfahlbauten: Denn beide, Maria Bußmann und die Pfahlbauten, sind gleich alt, nämlich 100 Jahre. Und die zweite besondere Beziehung: Als Kind wirkte Maria Bußmann in einem Film mit, der in den Pfahlbauten gedreht wurde.

Lehrfilm über die Entwicklung des Lebens auf der Erde

Fünf Jahre war die gebürtige Unteruhldingerin, als sie in dem Stummfilm „Natur und Liebe“ als Laiendarstellerin mitwirkte, der von der Kulturabteilung der Universum-Film AG (Ufa) 1926 und 1927 produziert wurde. Der 79 Minuten lange Film wurde am 20. Dezember 1927 erstmals aufgeführt. Er zeigt die Entstehung der Erde, die Entwicklung des weiteren Lebens vom Einzeller zum Mehrzeller über den Neandertaler und die Jungpaläolithiker hin zum Pfahlbauneolithiker. Besucher der Pfahlbauten können in den ersten beiden und mittlerweile restaurierten Pfahlbauhäuser von 1922 kurze Ausschnitte dieses Films ansehen.

Die Hundertjährige schaut sich in den Riedschachen-Häusern Ausschnitte aus dem Ufa-Stummfilm an, in dem sie als Fünfjährige mitwirkte.
Die Hundertjährige schaut sich in den Riedschachen-Häusern Ausschnitte aus dem Ufa-Stummfilm an, in dem sie als Fünfjährige mitwirkte. | Bild: Holger Kleinstück

Kindergärtnerin empfiehlt Maria und ihren Bruder Helmut

Wie sie zu diesen Filmaufnahmen kam, weiß Maria Bußmann heute nicht mehr so genau. Wer weiß schon, was er als Fünfjähriger erlebt hat? „Ich weiß nur, wir waren fünf Geschwister und hatten eine Kindergärtnerin, die scheinbar gefragt wurde, ob sie jemand hätte für den Film“, erzählt Maria Bußmann. „Und da hat sie sich für mich und meinen Bruder Helmut entschieden, der dann später leider im Krieg gefallen ist.“ Die Aufnahmen gingen laut der Seniorin rasch vonstatten. „Das ging schnell, wir waren rund zehn Kinder und es hat uns Spaß gemacht“, sagte die 100-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht. „Das war wirklich etwas Besonderes.“

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Tourismus im Dorf boomt erstmals ab 1933

Viel Betrieb habe damals sommers im Strandbad geherrscht, das zu jener Zeit noch unmittelbar an die beiden Pfahlbauten grenzte. Allerdings seien zu der Zeit noch nicht viele Menschen von weiter her nach Unteruhldingen gekommen. Erst über die am 27. November 1933 gegründete nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF), deren Aktivität insbesondere Nah- und Fernreisen waren, habe der Tourismus dann stark zugenommen. „Viele Vereine sind damals mit KdF gekommen“, erinnert sich Maria Bußmann. Und dann hebt die Hundertjährige noch hervor, was anno dazumal anders war: „Für die Menschen, die damals hierher kamen, war ihr Aufenthalt hier etwas Besonders. Sie wollten etwas erleben und etwas Neues sehen. Das ist heute nicht mehr so.“

Maria Bußmann mit ihrem Sohn Franz vor einer Schautafel, die Unteruhldingen im Jahre 1922 zeigt – ihrem Geburtsjahr und das des ...
Maria Bußmann mit ihrem Sohn Franz vor einer Schautafel, die Unteruhldingen im Jahre 1922 zeigt – ihrem Geburtsjahr und das des Pfahlbaumuseums. | Bild: Holger Kleinstück

Stationen im Leben von Maria Bußmann

Maria Bußmann kam am 30. März 1922 im Hotel-Restaurant „Mainaublick“ in Unteruhldingen zur Welt. Nach dem Besuch der damaligen Volksschule – dort, wo einst das Haus des Gastes stand – folgten Handelsschule und Arbeitsdienst. Von ihrer Jugend an half die Jubilarin, geborene Sernatinger, im „Mainaublick“ mit und war dort im Zweiten Weltkrieg Chefin. Vier Wochen vor der Währungsreform, am 20. Mai 1948, heiratete Maria ihren Franz in Seefelden. Nach Stationen in Hattenweiler, Denkingen und Meersburg zog es das Paar zurück in das Wohnhaus ihrer Schwiegereltern, in dem die Jubilarin heute noch wohnt.