Neun Monate musste Museumsdirektor Gunter Schöbel auf diesen Moment warten. Im Juni 2021 hatte er Post vom amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier bekommen, die von der Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz kündete. In Zeiten der Pandemie braucht es allerdings Geduld. Mit Joachim Gauck hätte ein ehemaliger Präsident am Montagabend die Übergabe des wertvollen Stückes vornehmen können, der in diesen Tagen ohnehin zwischen Meersburg und Salem unterwegs ist. Doch im Grunde war Ministerin Nicole Razavi (CDU) die Idealbesetzung. Schließlich ist sie seit März in Stuttgart in einer neuen Landesbehörde für Bauen und Wohnen zuständig. Und um außergewöhnliche Bauten drehte sich bei Gunter Schöbel inzwischen das halbe Leben so gut wie alles.

Nicht immer sind derlei Veranstaltungen so kurzweilig wie diese im Welterbesaal von Unteruhldingen. Zumal die teilweise amüsanten und entspannten Reden von einer Jazzband der Musikschullehrer ebenbürtig und schwungvoll flankiert wurden. So werden auch Bundestagsabgeordneter Volker Mayer-Lay (CDU) und die beiden Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Grüne) und Klaus Burger (CDU) die Teilnahme nicht bereut haben. Mit Claus Wolf war auch der Chef des Landesdenkmalamts aus Stuttgart angereist, von Haus aus ebenfalls Archäologe.

Beifall für die Auszeichnung und die musikalische Begleitung: Seit Langem wieder einmal Publikum im Welterbesaal.
Beifall für die Auszeichnung und die musikalische Begleitung: Seit Langem wieder einmal Publikum im Welterbesaal. | Bild: Hanspeter Walter

Schöbel: „Kulturelle Teilhabe für alle“ ermöglichen

Er widme diese Auszeichnung dem Auftrag der „Volksbildung für alle“, sagte Gunter Schöbel am Ende seines Dankes. Dies sei schon der Traum der Museumsgründer gewesen, dies sei auch sein Traum. Und dieser Vision verdanke er die Würdigung. In zeitgemäßerer Terminologie könnte man es als „kulturelle Teilhabe für alle“ (Schöbel) beschreiben, die niederschwellig, inklusiv und barrierefrei ermöglicht werden solle. Schließlich war es für Schöbel stets wichtigstes Anliegen, den Elfenbeinturm zu verlassen und die Erkenntnisse der Wissenschaft in die breite Gesellschaft zu tragen.

Ministerin: „archäologischer und museologischer Tausendsassa“

Als „archäologischen und museologischen Tausendsassa“ hatte Ministerin Nicole Razavi den Museumschef bezeichnet. Er sei ein begabter und aktiver Netzwerker, er bringe Ideen, Menschen und Fertigkeiten zusammen. Ja, mit seiner Kreativität setzte er neue Impulse, mit experimentellen Ansätzen erweitere er die Erkenntnisse des Fachs und sorge mit einem aufgeklärten Wissenschaftsverständnis zugleich für ein „public understanding“. Davon hatte sich Razavi bei einem Rundgang durch die Pfahlbauten kurz vorher noch einmal überzeugen können. Obwohl sie regelmäßiger Gast auf dem Campingplatz von Seefelden sei, wie sie sagte, habe sie das Freilichtmuseum zuvor lange nicht mehr besucht gehabt – außer mit dem Paddelboot.

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Blick auf die Vorfahren in den Pfahlbauten

„Zukunft braucht Herkunft“ zitierte die Ministerin den Philosophen Odo Marquard und untermauerte dies noch mit einem Zitat des Schriftstellers Salman Rushdie: „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, der existiert nicht.“ In diesem Sinne habe der Uhldinger Archäologe und Museumsdirektor den fundamentalen Zusammenhang „Herkunft – Sein – Zukunft“ zu seinem Lebensthema gemacht. Aus einer Scherbe werde eine Schale, aus einem Stück Holz ein Haus und aus einem Knochen ein Mensch, beschrieb Nicole Razavi die Arbeit der Archäologen. Im Grunde seien die Pfahlbauten selbst höchst modern. Neudeutsch würde man sie als „Tiny Houses“ bezeichnen, sagte Razavi, und nachhaltig sei die Holzbauweise ebenfalls. „Die Vorfahren haben uns damals schon vorgemacht, wie es richtig ist – und wir machen es wieder nach.“

Die vorgeschichtlichen Funde und das Erleben der Rekonstruktionen erzeugten in jedem Besucher „eine gewisse Ehrfurcht und ein geschichtliches Empfinden“, das die Krisen und Konflikte unserer Tage noch einmal „kleinmütiger und sinnloser“ erscheinen lasse. Als „Denkmalschutzministerin“ wünsche sie sich viel Respekt vor dem, was die Menschen bereits vor langer Zeit hier geleistet, vielleicht auch erlitten hätten. Diesen Respekt lebe und vermittle das Museum auf ideale Weise.

Lob für Aufarbeitung der Geschichte des Museums

Die Aufnahme der Pfahlbauten in das Weltkulturerbe wäre ohne Schöbels Einsatz kaum denkbar gewesen, betonte die Ministerin. Doch fast noch wichtiger sei „die wissenschaftliche und pädagogische Grundhaltung, die Sie in Unteruhldingen etabliert haben“. Als großes Verdienst nannte Razavi auch Schöbels Aufarbeitung der Geschichte des Museums im Nationalsozialismus und die Rückgabe geraubter Kulturgüter aus dem Zweiten Weltkrieg nach Griechenland und die Ukraine. Umso mehr müsse man sich fragen: „Was passiert dort mit den Menschen, aber auch mit der Kultur?“

Stolz auf den Laureaten: Bürgermeister Dominik Männle gratulierte Museumsdirektor Gunter Schöbel mit einem Präsent und mit Blumen für ...
Stolz auf den Laureaten: Bürgermeister Dominik Männle gratulierte Museumsdirektor Gunter Schöbel mit einem Präsent und mit Blumen für Sabine Schöbel. | Bild: Hanspeter Walter

In mehreren Dingen sei er seiner Zeit offensichtlich voraus gewesen. Dies gelte für die Restitution von geraubten Kulturgütern, mit der sein Museum schon in den 1990er Jahren begonnen habe, sagte Gunter Schöbel später. Auch mit der Medienpädagogik habe man sich im Pfahlbaumuseum befasst, als der Begriff noch nicht in aller Munde war und das Museum despektierlich als Disneyland belächelt worden sei. Doch das ist mittlerweile Geschichte.

Bürgermeister: „Fasziniert von 100-jähriger Geschichte des Museums“

„Wir sind alle fasziniert von der 100-jährigen Geschichte des Museums“, hatte Uhldingens Bürgermeister Dominik Männle in seiner Begrüßung betont. Und er dankte Gunter Schöbel „für den Dienst an der Allgemeinheit. Diese Auszeichnung haben sie sich mehr als verdient“. Männle hatte zuvor den Werdegang vom Wissenschaftler zum Museumspädagogen und die wegweisenden Mosaiksteine der Modernisierung des Museums aufgelistet, das heute mehr denn je einen wichtigen Faktor für Tourismus und Wirtschaft in der Gemeinde darstelle.

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