Die drei Polizeimeldungen aus dem August ähneln sich: Ein Unbekannter setzt sich am Ufer zwischen Unteruhldingen und Meersburg zu einer Frau, zieht sich komplett aus und befriedigt sich selbst. Wenige Tage später masturbiert ein Mann vor zwei Frauen, nachdem er nackt im Bodensee gebadet hat. Tatort ist erneut der Bereich der Unteruhldinger Straße. Ende des Monats belästigt ein Exhibitionist nackt eine 33-jährige Frau und macht ihr gegenüber sexuell anzügliche Bemerkungen. Platz der Geschehnisse ist wieder derselbe Strandabschnitt. Die Tatzeitpunkte liegen jeweils in den frühen beziehungsweise in den Abendstunden.
Nicht nur die Taten, sondern auch die Beschreibungen der Männer weisen Parallelen auf. In der ersten Meldung wird der Täter als 60- bis 65-jährig beschrieben. Er war 1,80 Meter groß und hatte graue, gelockte Haare. Das zweite Mal wird diese Beschreibung abgegeben: zwischen 65 und 70 Jahre alt und zwischen 1,75 und 1,80 Meter groß, braun gebrannt und kurze graue Haare. Im dritten Fall ist der Mann laut Zeugenaussage circa 60 bis 70 Jahre alt und hat graue Haare. „Ob es sich um den gleichen Täter handelt, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden – allerdings ähneln sich die Personenbeschreibungen des Unbekannten“, erklärt Polizeioberkommissar Simon Göppert vom Polizeipräsidium Ravensburg auf Nachfrage.

Zahl der geklärten Fälle variiert stark
Etwaige Hinweise von Zeugen gab es nicht. „Die Geschädigten haben Strafanzeige erstattet und eine Personenbeschreibung abgegeben, darüber hinaus gingen bislang keine Hinweise ein“, teilt der Polizeisprecher mit. Zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen möchte er sich nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. 26 Fälle von Exhibitionismus wurden 2017 im Bodenseekreis angezeigt. 2018 waren es 30, 2019 lediglich zehn, 2020 wieder 27 und für 2021 sind 19 Taten verzeichnet. Die Zahl der aufgelösten Taten variiert dabei sehr: sieben im Jahr 2017, 25 (2018), vier (2019), 17 (2020) und zehn (2021).
Das Polizeipräsidium in Ravensburg ist ebenfalls für die Landkreise Ravensburg und Sigmaringen zuständig. So sehen die Zahlen im Kreis Ravensburg aus: 2017 wurden 32 Taten angezeigt und elf aufgeklärt. 2018: 31 Fälle bei 17 Aufklärungen, 2019: 35 und 22, 2020: 22 und 7 sowie 2021: 18 und 14. Im Kreis Sigmaringen kommt es entweder zu weniger Fällen von Exhibitionismus oder sie werden nicht so häufig der Polizei gemeldet. 2017 sind vier Taten erfasst, zwei wurden aufgeklärt. Für die darauffolgenden Jahre übermittelt der Polizeisprecher diese Zahlen: 2018: neun Fälle bei vier Ermittlungserfolgen, 2019: sieben und fünf, 2020: neun und sechs sowie 2021: sechs und vier. „Wie die Zahlen in Konstanz oder gar in Österreich oder der Schweiz aussehen, kann ich nicht sagen“, sagt Polizeioberkommissar Göppert.
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr
Bei Exhibitionismus handelt es sich um eine Straftat gemäß Paragraf 183 im Strafgesetzbuch. Darin ist unter anderem zu lesen: „Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Frauen sind in Paragraf 183a mit eingeschlossen, der die Erregung öffentlichen Ärgernisses behandelt. „Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in Paragraf 183 mit Strafe bedroht ist“, heißt es in dem Gesetzestext. Sind Kinder oder Jugendliche von Exhibitionismus betroffen, so wird dieser als sexueller Missbrauch gewertet.
Zwölf Taten im Winter 2017/2018 bleiben den Überlingern wohl besonders in Erinnerung. Damals kam es teils innerhalb weniger Tage zu mehreren Delikten – und das stets an öffentlichen Orten. Ein Fall in einer Bäckerei brachte Überlingen sogar bundesweit Schlagzeilen ein. Ein Verdächtiger wurde schließlich vorläufig festgenommen. Doch keine der zwölf Taten konnte dem 27-Jährigen nachgewiesen werden. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Konstanz bestritt der Verdächtige alle Vorwürfe. Zwar passte er von seinem Aussehen her in den engeren Täterkreis, allerdings konnte keine der Belästigten den Verdächtigen eindeutig wiedererkennen. Das Verfahren wurde eingestellt.
Simon Göppert appelliert deshalb, dass sich nicht nur die Opfer bei der Polizei melden. „Um solche Straftaten aufzuklären, ist die Polizei zu einem großen Teil auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Opfer und Zeugen werden deshalb gebeten, umgehend die Polizei zu verständigen und eine Personenbeschreibung abzugeben“, sagt der Pressesprecher.