Von 1955 bis 1994 war der heutige Pensionär Hubert Titz (79) am Bahnhof in Säckingen beschäftigt. Im Vergleich zu heute war der Bahnhof in den 70er Jahren ein Betrieb mit etwa 45 Mitarbeitern. „Da herrschte noch rege Betriebsamkeit“, stellt der Eisenbahner wehmütig fest. Wir unternehmen mit dem ehemaligen Bahnbeamten einen Rundgang durch die Bereiche des Bahnhofs der damaligen Zeit.
- Station 1: Eine überaus wichtige Funktion hatten die beiden Stellwerke an der Waldshuter- und der Bergseestraße, berichtet Titz. Als Fahrdienstleiter begann sein Arbeitstag bei der Frühschicht morgens früh um 3.30 Uhr. Im Winter garantierte die stets mitgeführte Motorsäge den rechtzeitigen Arbeitsbeginn, wenn beispielsweise ein umgestürzter Baum die Straße blockierte. Um 4 Uhr passierte dann der erste Güterzug mit Flugbenzin den Bahnhof, erzählt Titz. Drei weitere Güterzüge folgten. Bereits um 5 Uhr machte der erste Personenzug in Richtung Basel Halt.
Um 6.30 Uhr fuhr der Hauptzug aus dem Rheintal in den Bahnhof ein. Hinter der Lok befand sich der Packwagen mit dem Expressgut, den Schluss bildete der Postwagen. Um 22.30 Uhr erreichte der letzte Zug Säckingen. Dazwischen verkehrten Eil- und Personenzüge. Als Fahrdienstleiter im Stellwerk war Titz für einen reibungslosen Zugverkehr zuständig. Dazu gehörte, die Weichen und Signale richtig zu stellen, die Züge an- und abzumelden und die Schranken am Bahnübergang Bergseestraße zu bedienen. Die Pünktlichkeit der Züge hatte für Titz stets oberste Priorität. Blieb ein Zug liegen, so wurde er mit der Rangierlok abgeschleppt und die Strecke war wieder frei.
- Station 2: Wir kommen zum Fahrkartenschalter im Bahnhofsgebäude, der sich an derselben Stelle wie heute befindet. Nur gab es damals keinen Computer, sagt Titz. Vielmehr waren in einem Regal vorgedruckte Fahrkarten für die meist gewählten Ziele vorhanden. In den Ferien oder an Weihnachten, wenn die Gastarbeiter nach Hause fuhren, musste der Fahrpreis anhand einer Tabelle berechnet und die Fahrkarten von Hand geschrieben werden, erinnert sich Titz. Er hat noch das Bild vor Augen, welcher Ansturm herrschte, als die vielen Mitarbeiterinnen der Firma Vita aus dem Elsass am Wochenende nach Hause fuhren und jede Fahrkarte vor Hand geschrieben werden musste. Ende der 70er Jahre erleichterte dann ein Fahrkartendrucker die Arbeit.

- Station 3: Weiter geht es zum Express- und Gepäckausgabeschalter, direkt neben dem Fahrkartenschalter. Wie wichtig diese Abteilung einst war, demonstriert Titz am Beispiel der Filmrollen für das Gloria-Theater, die per Express mit der Bahn angeliefert wurden. Auch frischer Fisch oder Hasen und Rehe in Decken eingewickelt, kamen per Express, erzählt Titz.
Der Schalter hatte aber auch noch eine zweite Funktion. Viele Reisende – und insbesondere Kurgäste – ließen ihr Reisegepäck von der Bahn befördern. So kam es damals häufig vor, dass 30 bis 40 Koffer am Tag abgefertigt werden mussten.

- Station 4: Der Umschlagplatz für Stückgut war der Güterbahnhof in der Güterstraße mit einem eigenen Gleisanschluss. Titz weiß noch genau, wie der Zirkus per Bahn anreiste. Ob Holz, Kohlen, Kunstdünger, Zement, Heizöl oder auch Kartoffeln, die Bahn war das Transportmittel Nummer eins. Für Titz und seine Kollegen hieß das, täglich vier bis fünf Güterwaggons ein- und ausladen.

Hubert Titz kann viele Anekdoten erzählen. An eine erinnert er sich besonders gut. Als er eines Tages um 24 Uhr das Bahnhofgebäude abschloss, zog ein schweres Gewitter auf. Zwei ortsbekannte Obdachlose suchten Zuflucht. Aus Mitleid ließ er sie in den Bahnhof. In der Nacht kontrollierte die Bahnpolizei und fand einen unverschlossenen Bahnhof. Titz erhielt einen Verweis, bereute aber sein Handeln keine Sekunde.

Die Bahn und ihr Haltepunkt in Säckingen
1994 wird der bisherige Staatsbetrieb Bahn privatisiert. Die folgende Übersicht beschreibt die wichtigsten Veränderungen von den 60er Jahren bis 2001, als der Bad Säckinger Bahnhof zu einem Haltepunkt degradiert wird.
- Der Bahnhof in Säckingen: Ende der 60er Jahre bis zu Beginn der 70er Jahre wurde der Bahnhof im Erdgeschoss umgebaut. Fahrkartenausgabe und Wartebereich wurden zusammengelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Gleise durch eine Absperrung vom Bahnhof getrennt. Zu den Zügen kam man nur mit gültiger Fahrkarte oder Bahnsteigkarte. Diese war für 20 Pfennig am Automaten erhältlich. Auf dem Bahnsteig 1 befand sich ein Zeitungskiosk. Einen zweiten Kiosk gab es vor dem Bahnhof, am heutigen Taxistand. Bis Ende der 60er Jahre war das alte WC an der Stelle des heutigen Kiosks. Der Neubau wurde Anfang der 70er Jahre östlich des Bahnhofs errichtet.
- Die Wehratalbahn war eine 19,7 Kilometer lange Nebenbahn von Schopfheim nach Bad Säckingen. An der Strecke befand sich mit dem Fahrnauer Tunnel einer der damals längsten Eisenbahntunnel (3,169 Kilometer) Deutschlands. Die Wehratalbahn wurde als strategische Bahn zur Umgehung der Schweiz bei Basel ausgeführt und war für die Verlegung eines zweiten Gleises vorbereitet.
- Stilllegungen: Veränderungen gibt es zu Beginn der 70er Jahre auf der damals schon elektrifizierte Wehratalbahn. Sie wurde am 23. Mai 1971 eingestellt, damit wurden die Bahnhöfe Hasel, Wehr, Öflingen und Brennet/Wehratal geschlossen. Die Fahrleitung wurde 1977 demontiert. Güterverkehr zwischen Bad Säckingen und Wehr lief noch bis zum 1. September 1990. Zum 31. Dezember 1994 legte man die Strecke still. Damit wurde auch das Gleis 3 im Säckinger Bahnhof überflüssig. Im Winter 1971 ist die letzte Dampflok auf der Hochrheinstrecke unterwegs. Im Juni 2001 wurde das dritte Gleis von beiden Seiten abgeklemmt und der Bahnübergang an der Bergseestraße verkleinert. Gleichzeitig entfernte man alle Weichen im Bahnhofsbereich, sodass keine Gleiswechsel und Zugüberholungen mehr möglich waren.
- Technischer Fortschritt: Am 3. September 2001 wird das Elektronische Stellwerk (ESTW) in Betrieb genommen und der Bahnhof Bad Säckingen wird damit zu einem unbesetzten Haltepunkt degradiert. Mit der Stillegung der beiden Bad Säckinger Stellwerke werden von Basel bis Erzingen 60 Bahnmitarbeiter freigestellt und in den Kanton Schaffhausen oder ins Wiesental versetzt.
Ihre Bilder
Wir suchen Ihre Bilder und Geschichten aus den 70er Jahren. Wie sah das Leben in den Dörfern und Städten damals aus? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungsschätze und Fotos und wir begeben uns für Sie auf Spurensuche. SÜDKURIER Medienhaus, Lokalredaktion, Hauensteinstraße 60, 79713 Bad Säckingen, 07761/56 04 51 90, E-Mail: saeckingen.redaktion@suedkurier.de
Unsere Serie
In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 70er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Alle Folgen der Serie im Internet: www.suedkurier.de/geschichte