Hans-Walter Mark

Mit einer Gesamtfläche von 252 Hektar zählte Harpolingen zu den kleinsten Gemeinden im einstigen Landkreis Säckingen. Es gibt zu dieser Zeit zwei Dorfläden, den Konsum und die Bäckerei Friedbert Vökt. Zum Warenangebot gehören Suppenwürfel, Schokolade, Mehl, Gries, Reis, Zucker, Salz und Teigwaren. Das Meiste war in großen Säcken verpackt. Weiterhin hat das Dorf eine Gemeinschaftsgefrieranlage, eine Milchsammelstelle und einen Lagerschuppen mit Saatgut und Düngemitteln.

Dorfplatz 2018: (von rechts nach links) Schulhaus, „Musikhüsli“ mit Kindergartenraum, Musikprobelokal und Raum für die Feuerwehr, ...
Dorfplatz 2018: (von rechts nach links) Schulhaus, „Musikhüsli“ mit Kindergartenraum, Musikprobelokal und Raum für die Feuerwehr, Feuerwehrgerätehaus und ein Teil des Gemeindesaals. | Bild: Hans-Walter Mark

Außerdem gibt es zwei Wirtschaften, das Café Waldau und die Traditionsgaststätte „Adler“ mit Josef Vökt als Besitzer. Vor dem Krieg befindet sich im ersten Stock der große Adlersaal für Veranstaltungen. Diesen hat Josef Vökt zu Fremdenzimmern umgebaut. Wirt war in den 60er Jahren August Grabowski mit seiner Ehefrau Elli. Übrigens: mehrere Lokale gehören Wirtsleuten aus Berlin. Aus Angst vor einem Krieg infolge der Kubakrise fühlen sie sich an der Schweizer Grenze sicherer als in Berlin. Das Gasthaus „Adler“ verfügt über moderne Fremdenzimmer und durch die Kontakte des Wirtehepaars nach Berlin verbringen viele Landsleute die Ferien in Harpolingen. Die Vollpension pro Tag kostet 14 Mark. Außerdem finden im „Adler“ regelmäßig “Berlinertreffen“ statt. Sämtliche Veranstaltungen wie Theater, Konzerte finden bis zum Bau des Gemeindesaales im „Adler“ statt.

In den 60er Jahren ist das Dorf geprägt von einer guten Beschäftigungslage, dem stetigen Ausbau der Infrastruktur und einer Verbesserung der Lebensqualität. Dazu gehören die zahlreichen Verbesserungen an und in den Häusern und Gebäuden. Durch die zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft besteht die Möglichkeit einem Zweiterwerb in der Industrie nachzugehen, was natürlich mit einer zunehmenden Abnahme der Vollerwerbsbetriebe einhergeht.

Die Schulreform Mitte der 60er Jahre bringt in Harpolingen eine wesentliche Veränderung. Die Hauptschule kommt nach Säckingen, die Grundschule verbleibt im Ort. Außerdem wird der Schulanfang von Ostern auf den Herbst verlegt.

Das Gasthaus „Adler“ erlebt unter den Wirtsleuten Grabowski in den 60er Jahren eine Blütezeit. Über 30 Personen verbringen jährlich ...
Das Gasthaus „Adler“ erlebt unter den Wirtsleuten Grabowski in den 60er Jahren eine Blütezeit. Über 30 Personen verbringen jährlich ihren Urlaub in Harpolingen. Die große Sonnenterasse, die Liegewiese und das kleine Schwimmbecken finden bei den Gästen Gefallen. | Bild: adalbert baumgartner

Ein starker Gemeinschaftssinn

Alle Projekte, die den sechziger Jahren verwirklicht werden, begleitet ein starker dörflicher Gemeinschaftssinn. So entsteht anfangs der sechziger Jahre unter der freiwilligen Mitarbeit vieler Bürger und Vereine ein 300 Personen umfassender Gemeindesaal, so dass die Gemeinde Einsparungen in Höhe von 18.000 Mark verzeichnen kann.

Die Verbundenheit mit der Herz-Jesu-Kapelle zeigt sich in der Spendenfreudigkeit bei der Renovierung und Anschaffung von Kirchengeräten, so im Jahre 1966. Für die Sammlung in der Gemeinde stellen sich Bürgermeister Gotthold Bäumle und Gemeinderäte zur Verfügung. Der Erlös von 5000 Mark kann sich sehen lassen. Übrigens die gesamten Baukosten der Kapelle finanzieren die Bewohner ohne Zuschüsse von Kirchen- oder Staatseite selbst. Als ein weiteres Beispiel für Bürgerengagement ist die Identifikation der Bevölkerung mit dem Friedhof und der in ökumenischen Geiste gebauten Auferstehungskapelle hervorzuheben.

Chronist Adelbert Baumgartner berichtet über die Umbettungen der Verstorbenen von Obersäckingen nach Harpolingen auf der neu angelegten Friedhofsanlage, wo die Angehörigen unter der Aufsicht von Harold Bäumle die neuen Gräber selbst geöffnet haben. “Es herrscht eine eigenartige Stimmung, die man mit Worten nicht umschreiben kann, wenn der Sohn das Grab fertig hat und der Vater oder die Mutter angefahren wird, um ein zweites Mal beerdigt zu werden. Die Teilnahme der gesamten Einwohnerschaft war sehr groß.“

Der neue Friedhof

Die Bedeutung des Friedhofs für die Einwohnerschaft kommt auch in der finanziellen Beteiligung zum Ausdruck. Bei den Gesamtkosten von zirka 350.000 Mark spenden die Bewohner und Unternehmen 50.000 Mark. Den Brunnen stiftet Maurermeister Alois Schanz. Mit einem Betrag von 50.000 Mark beteiligt sich die evangelische Kirche.

Die Auferstehungskapelle dient bis vor wenigen Jahren neben den kirchlichen Gottesdiensten bei Beerdigungen auch als Gebetshaus für die katholischen und evangelischen Christen von Harpolingen und Rippolingen. Bis zu diesem Datum halten die evangelischen Gläubigen ihre Gottesdienste in den Schulhäusern der beiden Dörfer ab.

Während seiner gesamten Amtszeit legt der sehr rührige Bürgermeister Bäumle neben der Ausweisung von Baumöglichkeiten Wert auf ein gepflegtes Dorfbild. Dreimal, 1967, 1968 und 1969 beteiligt sich die Gemeinde am Wettbewerb“ Unser Dorf soll schöner werden“ und wird jeweils mit einem ersten Platz ausgezeichnet.

Vereine bereichern Leben im Ort

Mit der Landjugend und der Frauengymnastikgruppe werden zwei Vereine in dieser Zeit gegründet. Dass sich Frauen zu Gymnastik wöchentlich treffen und anschließend im Gasthaus einkehren, ist anfangs für einige Männer schwer zu verdauen, sind Vereine bislang reine Männerangelegenheit. Doch alle Vereine bereichern durch ihre Veranstaltungen das Leben im Ort.

Die 60er Jahre – was alles passierte

Die vom ehemaligen Ratschreiber Adelbert Baumgartner erstellte Ortschronik erlaubt detaillierte Einblicke in die stetige Aufwärtsentwicklung von Harpolingen. Beträgt das Budget im Jahre 1960 noch 40 000 DM beträgt der Haushalt 1969 rund das Vierfache. Die 60er Jahre sind für Harpolingen erfolgreiche Jahre.

  • 1960: Haushaltsvolumen: 40 807 DM, Einwohnerzahl:346. Bürgermeister: August Rufle, Ratschreiber: Gustav Baumgartner, Kassenverwalter: Kurt Baumgartner, Gemeinderäte: Alwin Bäumle, Ludwig Huber, Eugen Sibold, Eugen Vökt, Leo Ebner und Ernst Greiner. Ereignisse: Innenausbau des Gemeindehauses, Kauf neuer Schulmöbel, Konzessionserteilung an den neuen Adlerwirtes August Grabowski
  • 1961: Haushaltsvolumen: 52 782DM, Einwohnerzahl: 364. Ereignisse: Anlegen eines Müllplatzes, Grundstückserwerb für den Bau eines Gemeindesaales und Beschlussfassung, Aufstellung des Teilbebauungsplanes, Gewann Breite.
  • 1962: Haushaltsvolumen: 92 142 DM, Einwohnerzahl: 360. Neu im Gemeinderat: Adelbert Baumgartner und Josef Dietzig. Ereignisse: Errichtung einer neuen Trafostation
  • 1963: Haushaltsvolumen: 92 143 DM, Einwohnerzahl: 359. Ereignisse: Errichtung einer Dorfbeleuchtung , Teerung von Ortsstraßen, Ankauf einer Motorspritze, Kauf eines Schneepfluges und Gründung der Landjugendgruppe.
  • 1964: Haushaltsvolumen: 94 622 DM, Einwohnerzahl: 374. Personelle Veränderungen: Bürgermeister August Rufle und Ratschreiber Gustav Baumgartner treten aus Gesundheitsgründen zurück. Neuer: Ratschreiber: Adelbert Baumgartner. Ereignisse: Anschaffung einer elektrischen Läuteanlage für die Dorfkapelle.
  • 1965: Haushaltsvolumen: 108 400 DM, Einwohnerzahl: 372. Personelles: Posthalter Gotthold Bäumle (44) wird zum Bürgermeister gewählt. Ereignisse: Erhöhung des Wasserpreises von 20 auf 40 Pfennig.
  • 1966: Haushaltsvolumen: 106 860 DM, Einwohnerzahl: 410. Ereignisse: Beschluss über Friedhofsbau zusammen mit Rippolingen, Außenrenovation der Dorfkapelle.
  • 1967: Haushaltsvolumen: 126 000 DM, Einwohnerzahl: 410. Ereignisse: Erster Bauabschnitt des gemeinsamen Friedhofes, ester Preis beim Dorfverschönerungswettbewerb, Gründung der Frauengymnastikgruppe
  • 1968: Haushaltsvolumen: 135 581 DM, Einwohnerzahl: 424. Ereignisse: 75-jähriges Jubiläum des Musikvereins, erster Preis beim Dorfverschönerungswettbewerb
  • 1969: Haushaltsvolumen: 147 438 DM, Einwohnerzahl: 448. Ereignisse: Einweihung der Friedhofsanlage, schneereicher Winter, erster Auftritt der Jugendkapelle, Brand im Anwesen Werner Baumgartner, Außenrenovation des Schulhauses. (hwm)