Mit der neuen virenfreien Begrüßungsgeste – Ellenbogen/Unterarm aneinanderstoßen ist das neue Händeschütteln – begann am Sonntag das Eröffnungskonzert des 74. Zyklus der Säckinger Kammermusik-Abende. Alternative Umgangsformen statt Handschlag und ungewöhnliche Programmformate sind eine Corona-Folge: Das Konzert wurde zwei Mal hintereinander gegeben – mit den vorgeschriebenen Lücken im Publikum und in Anwesenheit des Intendanten des Orchesters.
Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter seinem Chefdirigenten Case Scaglione kam auch mit ungewöhnlichem Auftrittsritual auf die Kursaal-Bühne: alle mit Maske. Nicht minder ungewöhnlich war das Programm, gleichermaßen attraktiv wie interessant, pandemiebedingt leicht gestrafft mit nur einigen Liebeslieder-Walzern von Brahms.
Das Hauptwerk war Schönbergs „Verklärte Nacht“ in der Fassung für Streichorchester: ein nach-wagnerisches, spätromantisches und hochdramatisches Tongemälde nach einem Gedicht von Richard Dehmel über den nächtlichen Spaziergang eines Liebespaares. Die Heilbronner legen sich ins Zeug für dieses expressive Frühwerk, kitzeln aus ihrem harmonischen Klangkörper die atmosphärische Farbigkeit des Schönbergschen Klangspektrums, musizieren voller Intensität und mit viel Gefühl, aber nie sentimental oder euphorisch. Dafür hört man delikate Pizzicati und fahle Flageoletttöne. Eine atmende Interpretation, deren Sog man sich nicht entziehen konnte und die auch den letzten Schönberg-Skeptiker von der Sinnlichkeit dieser Musik überzeugte.
Allerdings fiel durch die fehlende Pause der Stimmungswechsel von der zuvor aufgeführten folkloristisch inspirierten Scaramouche-Suite hin zu dieser – mit glühendem Bogen gespielten – nächtlichen Szene etwas abrupt aus. Dort bei Darius Milhaud in der Saxophonversion des „Scaramouche“ von 1939 heitere Gelöstheit, betonte Fröhlichkeit und brasilianische Lebensfreude, hier die unheilschwangere Schönberg-Nachtmusik. Aber sei‘s drum, man hörte sich bald in diese Tondichtung der verklärten Nacht hinein, zumal die Orchesterleistung ansprechend farbintensiv war. Gleich zwei Auftritte absolvierte der franko-kanadische Saxophonist Daniel Gauthier (für ihn sicher eine große Anstrengung, da er das Konzertprogramm an diesem Abend zwei Mal hintereinander gab). Schmissig war er in der temperamentvollen Scaramouche-Suite mit ihren fröhlichen Rhythmen und ihrer reizvollen südamerikanischen Melodik zu erleben – richtige „Happy Music“. Der Samba „Braziliera“ ging in die Beine.
Exzellenter Saxophonist
Was für ein exzellenter Saxophonist ist, bewies er dann in Alexander Glasunows einsätzigem Saxophonkonzert, dem letzten Werk des vernachlässigten russischen Sinfonikers, spätromantische, schwärmerische Musik. Bei all den Tempowechseln hatte Gauthier in diesem Standardwerk viel Gelegenheit zum Glänzen und sein Altsaxophon klang sonor, mal melancholisch, mal brillant. Die Heilbronner sorgten für die instrumentale Streicherorchester-Farbigkeit. Mit dem Bolero von Michail Glinka blieb es auch in der Zugabe russisch.