Herr Guhl, war das vergangene Jahr nach dem Katastrophenjahr 2022 weniger anstrengend für Sie?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das, was im vergangenen Jahr im Rathaus passiert ist, uns alle unberührt gelassen hat. Wir haben auf tragische Weise zwei Kollegen verloren, die ich beide sehr geschätzt habe. Der Tod dieser beiden hat mich, aber auch die gesamte Stadtverwaltung tief betroffen, und die Umstände werden mich persönlich mein Leben lang begleiten. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: 2022 war ein dienstlich schwieriges Jahr, wir hatten bei Stadtwerken und Gesundheitscampus schwere Krisen zu bewältigen. 2023 hat uns persönlich enorm gefordert. Bei diesen beiden tragischen Todesfällen relativieren sich viele andere Probleme, die plötzlich nichtig erscheinen.
Fällt die Bilanz in Ihrer Weihnachtsbotschaft deshalb so durchwachsen aus?
2023 war für die Stadt sicher kein schlechtes Jahr. Die Baustelle auf dem Gesundheitscampus ist auf der Zielgeraden, für die weitere Entwicklung des Kurgebiets haben wir die Weichen gestellt. Wir haben 2023 kräftig in die Schulen investiert und werden dies weiter tun. Für insgesamt 2,75 Millionen wurde die „Rote Villa“ des Scheffel-Gymnasiums saniert. Im Altbau wurde der Brandschutz auf ein zeitgemäßes Niveau gebracht und eine Fluchttreppe ergänzt. An der Werner-Kirchhofer-Realschule wurde der Pausenhof begrünt und neu gestaltet. Parallel erfolgte bereits die Detailplanung des Neubaus der Hans-Thoma-Gemeinschaftsschule. Erfreulich aus Sicht der Stadt ist die Weiterplanung der A98; hier sind wir auf gutem Weg, denn der Weiterbau ist für die Stadt elementar wichtig. Auch über die Fortschritte bei der Elektrifizierung der Hochrheinbahn mit dem Bahnhalt Wallbach habe ich mich gefreut, ebenso über die weitere Entwicklung beim Sisslerfeld.

Bleiben wir noch kurz beim Gesundheitscampus. Das Ziel, dass noch im Jahr 2023 die ersten Mieter einziehen, wurde nun knapp verfehlt. Sie sprechen von einer Zielgeraden – aber das gesamte Konzept muss sich ja erst noch beweisen. Am Ziel wird es nie sein.
Ob der Campus nun einen Monat früher oder später an den Start geht, da mache ich mir keine Sorgen. Es ist zweifellos ein wichtiger Baufortschritt, der nun kurz vor dem Abschluss steht. Natürlich haben sie recht, dass der Betrieb des Gesundheitscampus eine Daueraufgabe sein wird. Aber mit der Einweihung erreichen wir eine bedeutenden Markstein und ich bin optimistisch, dass der Campus sich gut entwickeln wird. Erfreulich ist, dass sich unser Medizinisches Verorgungszentrum (MVZ) langsam stabilisiert und die dortige Hausarztpraxis auch noch weitere Patientinnen und Patienten aufnehmen kann. Gerade von neu zugezogenen Bürgern weiß ich, dass es gar nicht immer so einfach ist in der Stadt einen Hausarzt zu finden. Insofern stellt das MVZ eine Verbesserung der medizinischen Grundversorgung für die Bürger der Stadt dar; genau dafür engagiert sich die Stadt auch finanziell in diesem Bereich.
Mit der Notfallpraxis schloss die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Oktober eine Einrichtung, die auch im Campus untergebracht werden sollte. Hat dies wirtschaftliche Folgen für das Projekt?
Wirtschaftlich hat dies null Auswirkungen, denn wir stellen die Praxisräume der KV unentgeltlich zur Verfügung. Für die Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger war die Schließung aber ein schwerer Schlag. Politisch ist das ein Skandal, anders kann man es nicht sagen.
„Die Frage, ob ärztliche Selbstverwaltung noch funktioniert“
Gibt es aktuell Signale von der KV, ob und wie es mit der Notfallpraxis weitergeht?
Zum jetzigen Stand weiß ich leider nichts Neues. Landrat Martin Kistler hat mit seinem Brief an die KV super reagiert, aber hat – genau wie ich – nur eine nichtssagende Antwort bekommen. Es stellt sich mittlerweile ganz ernsthaft die Frage, ob das System der ärztlichen Selbstverwaltung überhaupt noch funktioniert.
Welche Themen stehen 2024 auf der Agenda?
Wir stehen weiter vor großen Herausforderungen, mit denen nahezu alle Kommunen zu kämpfen haben: Eine davon ist die Anschlussunterbringung für Flüchtlinge, bei der wir täglich sehen, dass Wohnraum nicht endlos vorhanden ist. Eine weitere ist die Kindergartenbetreuung. Hier stehen wir wie viel andere Städte vor dem Problem, dass uns für die Angebote, die wir schaffen wollen, schlicht das Personal fehlt. Das gilt im übrigen auch für die Ganztagesbetreuung für Kinder im Grundschulalter, auf die Eltern ab 2026 einen Rechtsanspruch haben werden. Neben den personellen Themen wird die Ganztagsschule die Stadt auch wieder viel Geld kosten. Insbesondere die Personalkosten, aber auch die Kosten für die Erweiterung der Räume, werden die Stadt finanziell stark belasten. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf halte ich eine qualifizierte Ganztagsbetreuung für dringend notwendig; allerdings brauchen die Kommunen (auch Bad Säckingen) für die Umsetzung auch entsprechende Unterstützung vom Land/Bund.
Als weiteres großes Projekt nimmt die kommunale Wärmeplanung in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und dem Beitrag ehrenamtlicher, sachkundiger Bürger an Fahrt auf. Wir erhoffen uns damit künftig mehr Unabhängigkeit in der Energieversorgung und nicht zuletzt große Fortschritte im Klimaschutz.
Wie sehen Sie die Stadtentwicklung im kommenden Jahr?
Im Kurgebiet läuft schon die Planung für die frühere HEK, die wieder mit Leben gefüllt wird. Hier werden wir sicher im Laufe des Jahres schon etwas sehen. Mit der neuen Sparkasse und dem Volksbank-Quartier an der Friedrichstraße gibt es zwei weitere tolle Bauprojekte, die die Stadt voranbringen. Im Laufe des Jahres werden wir uns mit der Nachnutzung des Marienhauses beschäftigen, das ja in den Campus zieht.
Was würden Sie sich als Bürgermeister der Stadt Bad Säckingen für 2024 wünschen?
Etwas mehr Verlässlichkeit. Durch die Krisen der Welt ist auch in der Kommunalpolitik vieles sehr schnelllebig und unsicher geworden. Zum Beispiel bei den Finanzen: Wir haben im Jahr 2023 mit einem Defizit von 2,6 Millionen Euro geplant, am Ende wird es wohl ein Plus von etwa drei Millionen. Natürlich freue ich mich darüber und will mich über das Plus auch nicht beklagen, aber es hätte eben auch ganz anders kommen können. Wir würfeln unseren Haushaltsplan ja nicht aus.