Thorsten Hengst

Mr. Wilson, Ihr neues Album heißt ‚The Weight Of Man‘. Was für eine Geschichte steckt hinter dem Titel?

Das Konzept von ‚The Weight Of Man‘ basiert auf den heutigen Kernfragen unseres Alltags: es geht um die Zerstörung unseres Planeten, die Kluft zwischen Arm und Reich, den international grassierenden Populismus, die Spaltung der Gesellschaft... Das alles wurde in den letzten Jahren leider zur Normalität.

Hat die Menschheit die Erde zu weit an den Abgrund gebracht?

Diese Frage kann man mit einem klaren Ja beantworten! Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu sehen, was vor sich geht. Es ist beschämend, was die Menschen der Erde angetan haben und zukünftigen Generationen hinterlassen.

Sehen Sie sich selbst als politischen Aktivisten?

Nein, ich bin nur ein Bürger dieser Welt. Ich berichte in vielen Songs des neuen Albums lediglich das, was sich die Menschen untereinander erzählen.

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Wie zum Beispiel in dem Song ‚I, Like You‘?

Ja, ‚I, Like You‘ ist ein Lied über unsere Sehnsucht nach jemand anderem. Schließlich wollen wir doch fast alle einen Partner an unserer Seite, denn irgendwann im Leben brauchen wir alle mal einen Freund – ob wir es uns nun selbst eingestehen oder nicht.

Der Schotte Ray Wilson steht für Europa. Er sagt: Der Brexit nervt auf allen Ebenen.
Der Schotte Ray Wilson steht für Europa. Er sagt: Der Brexit nervt auf allen Ebenen. | Bild: Radek Pietruszka

Der letzte Song des Albums ist eine Interpretation des Beatles-Songs ‚Golden Slumbers‘. Wie sind Sie auf diese Interpretation gekommen?

Ich habe den Song schon vor einigen Jahren einmal für ein Tribute-Projekt meines deutschen Freundes Uwe Metzler aufgenommen. Es war seine Idee, das Lied jetzt als Abschluss für ‚The Weight Of Man‘ zu verwenden, da es im Original auf dem 1969er ‚Abbey Road‘-Album vor dem Song ‚Carry That Weight‘ platziert ist.

Wie gehen Sie als in Polen lebender Exil-Brite mit dem Brexit um?

Der Brexit nervt auf allen Ebenen. Großbritannien hat sich das Leben durch die Isolation selbst schwer gemacht. Durch populistische Rhetorik wurden die Menschen zum Glauben verleitet, dass der Brexit ihnen das Leben erleichtert. Nun zahlen die Ärmsten der Gesellschaft den höchsten Preis dafür. Wir Schotten sind aber überzeugte Europäer und haben mehrheitlich gegen diesen Irrsinn gestimmt.

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Hat sich der Brexit schon persönlich für Sie in Polen ausgewirkt?

Oh ja, ich habe hier schon einige Rechte verloren: Ich bin in Polen nur noch ein Einwohner und kein EU-Bürger mehr und meine britischen Band-Mitglieder benötigen jetzt Arbeitsvisa, wenn wir in Europa Konzerte spielen wollen. Ich sehe keinerlei Vorteile im Brexit, sondern nur Verlierer.

Zuletzt gab es viele Spannungen zwischen der polnischen Regierung und der EU-Kommission. Glauben Sie, dass Polen die EU verlassen könnte?

Ich denke, die Möglichkeit besteht. Ich lebe seit über 13 Jahren in Polen und habe selbst erlebt, wie sich das Land innerhalb der Union zum Positiven gewandelt hat. Beide Partner haben eigentlich enorm voneinander profitiert. Aber die aktuelle polnische Regierung – nicht das polnische Volk – will die volle Kontrolle über die Medien, die Kirche und die Justiz im Land. Ich hoffe sehr, dass die Bürger das verhindern werden. Es wäre ein großer Verlust, wenn auch Polen die EU verließe.

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Inwiefern?

Dann könnte am Ende vielleicht die ganze EU auseinanderbrechen. Es ist harte Arbeit, unter so vielen Staaten immer wieder nach neuen Kompromissen zu suchen. Nein zu sagen und auf seine Unabhängigkeit zu verweisen, ist da oft viel einfacher. Aber in der Politik ist es wie im richtigen Leben: wir alle müssen Kompromisse schließen. Es lohnt sich und macht uns letztlich stärker. Die Demokratie ist es wert – alles andere wäre doch undenkbar...