Es gab viele zu tun im zu Ende gehenden Jahr. Was hat am meisten an den Kräften gezehrt?

Zweifellos haben die Vorkommnisse um Stadtwerke und Campus die meiste Energie gezogen. Beide Themen habe uns in der zweiten Jahreshälfte stark beschäftigt. Vor allem der Campus wird auch im neuen Jahr noch viele Kräfte bündeln. Die Stadtwerke sehe ich mittlerweile wieder in ruhigerem Fahrwasser.

Das könnte Sie auch interessieren

Bleiben wir zunächst beim Campus. Die Kostenexplosion des Projektes von zunächst 28 Millionen auf 35 und dann auf 45 binnen weniger Woche löste Entsetzen aus – nicht zuletzt weil es keine Erklärung gab. Ist man da nun weiter?

Aktuell haben wir 16 Millionen ausgegeben. Dafür haben wir zwischen 30 und 40 Prozent des Bauprojektes realisiert. Die 45 Millionen Baukosten, die uns im August plötzlich präsentiert wurden, waren Hochrechnungen des Projektsteuerers und des damaligen Geschäftsführers Jörg Blattmann. Diese Berechnungen sehen wir heute kritisch.

Sie sollen es richten: Bürgermeister Guhl (rechts) hat nach Erfahrungen mit externen Geschäftsführern alle Campus-Entscheidungen ins ...
Sie sollen es richten: Bürgermeister Guhl (rechts) hat nach Erfahrungen mit externen Geschäftsführern alle Campus-Entscheidungen ins Rathaus geholt. Das Projekt wird jetzt geleitet von (von links) seiner Stadtkämmerin Bettina Huber und ihrem Stellvertreter Fabio Jenisch. | Bild: Vonberg, Markus

Warum kritisch? Sind die Berechnungen denn falsch?

Wir sind mit neuem Personal und auch in enger Kooperation mit dem Hauptkreditgeber über alle Bücher. Wir sehen mittlerweile, dass in etlichen Bereichen, auch bei der Ausstattung der Gebäude, teilweise zu großzügig geplant war. Wir sehen hier mittlerweile klarer und durchaus signifikante Einsparpotenziale. Dasselbe gilt auch für das Personal. Auf der anderen Seite müssen wir uns um die Erhöhung der Einnahmen kümmern. Hier gab es und wird es auch weitere Gespräche mit den künftigen Mietern geben. Wir hoffen auf ein Entgegenkommen bei der Miethöhe. Es gibt bereits positive Signale.

Das könnte Sie auch interessieren

Wieviel wird der Spitalumbau nun tatsächlich kosten? Haben Sie vier Monate nach der Hiobsbotschaft von 45 Millionen eine neue Hausnummer?

Also ich bin zuversichtlich, dass wir irgendwo zwischen 35 und 40 Millionen liegen werden, dass aber jedenfalls eine Drei davor stehen wird.

Das MVZ zog im Herbst um ins Aqualon. Damit kommen auch die Container bei ehemaligen Spital weg, die bislang auf Rechnung des ...
Das MVZ zog im Herbst um ins Aqualon. Damit kommen auch die Container bei ehemaligen Spital weg, die bislang auf Rechnung des Campushaushaltes liefen. Auch das spart Geld. | Bild: Obermeyer, Justus

Sie haben das Personal angesprochen. Die Campus-Geschäftsführung wird nun von der Stadtkämmerin und ihrem Stellvertreter wahrgenommen, von Bettina Huber und Fabio Jenisch. Was bedeutet das für Sie?

Es ist eine große Erleichterung. Denn diesen beiden Menschen vertraue ich ohne Wenn und Aber. Ich weiß, dass sie ein sehr enges Finanzregime führen und kontinuierlich die Investitionen mit den Fortschritten der Baustelle abgleichen. Damit ist eine bessere Kommunikation zwischen Geschäftsführung und der Stadt als Gesellschafter sowie die notwendige Kontrolle des Projektes gesichert.

Das könnte Sie auch interessieren

War das denn bislang nicht der Fall?

Sagen wir mal so: Ich habe in diesem Jahr eines gelernt. Ich werde Aussagen von externen Geschäftsführern in unseren kommunalen GmbHs künftig kritischer gegenüberstehen. Zwar stellt man einen Geschäftsführer ein, damit er selbständig seinen Job macht, ohne dass man ihm dauernd auf die Finger schauen muss. Aber künftig wird die Stadt, also der Gemeinderat und ich, die Geschäftsführung an eine kurze Leine legen. Das gilt sowohl für den Campus als auch für die Stadtwerke.

Gegen Ende des Jahres hat sich die Stadt mit Bürgermeister Alexander Guhl (links) von Campus-Geschäftsführer Jörg Blattmann getrennt.
Gegen Ende des Jahres hat sich die Stadt mit Bürgermeister Alexander Guhl (links) von Campus-Geschäftsführer Jörg Blattmann getrennt. | Bild: Gerber, Andreas

Gab es auf der Campusbaustelle denn Vorgänge mit strafrechtlicher Relevanz?

Nein, da ist mir nichts bekannt und davon gehe ich nach jetzigem Kenntnisstand auch nicht aus. Allerdings wird es unter Umständen zu einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Geschäftspartner kommen. Mehr kann ich dazu aktuell nicht sagen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch die Stadtwerke sollen künftig enger geführt werden?

Wichtige Entscheidung dürfen nicht mehr an der Stadt vorbeigehen, die Kommunikation zwischen den Stadtwerken und dem Hauptgesellschafter muss besser werden. Aktuell sieht es so aus, dass die Stadtwerke durch den schlimmsten Sturm durch sind. Für 2022 rechnen wir mit einer schwarzen Null und für 2023 geht die Planung wieder von einem Gewinn aus.

Auch Stadtwerke-Chef Udo Engel (links) geht zum Jahresende, seinen Nachfolger Dirk Scheffner soll die angeschlagenen Stadtwerke künftig ...
Auch Stadtwerke-Chef Udo Engel (links) geht zum Jahresende, seinen Nachfolger Dirk Scheffner soll die angeschlagenen Stadtwerke künftig führen. | Bild: Obermeyer, Justus

Die Stadtwerke-Rettung war ja auch nicht grad billig. Wie verdaut die Stadt das?

Die Stadt musste elf Millionen Euro, der Energiedienst vier Millionen zur Stützung aufbringen. Das heißt, wir müssen in den nächsten Jahren die Verbindlichkeiten im städtischen Haushalt deutlich reduzieren. Hierzu erforderlich ist, dass wir die Grundstück auf dem Gettnauer Boden verkaufen und uns aber auch mit dem Verkauf weiterer Immobilien wie dem Hallwyler Hof dem Haus Dietz befassen. Unsere Erwartung an die Stadtwerke ist, dass die Gesellschaft künftig wieder schwarze Zahlen schreibt und mit dem Gewinn wieder Waldbad, Parkhaus Lohgerbe und der Citybuss finanziert werden können. Wichtig war uns der Erhalt des kommunalen Versorgers. Denn die Stadtwerke spielen eine wichtige Rolle in der Energiewende.

Welche Projekte haben Ihnen mehr Freude bereitet im vergangenen Jahr?

Die gibt es in der Tat, denn auf anderen Bereichen ist es teils erfreulich vorwärts gegangen. Die ehemalige Hochrhein-Eggbergklinik ist an einen vielversprechenden Investor verkauft worden, der für 40 Millionen Sanierung und Teilneubau plant. Auch das Aqualon hat Erweiterungspläne. Für den Bereich Kurgebiet hat die Stadt zudem von der Städtebauförderung eine Millionen Euro Zuschuss erhalten.

Stillstand. Ende August musste die Baustelle auf dem Campus eingestellt werden.
Stillstand. Ende August musste die Baustelle auf dem Campus eingestellt werden. | Bild: Obermeyer, Justus

Wie macht sich der Urkainekrieg bemerkbar?

In der Stadt sind aktuell 185 Menschen aus der Ukraine untergebracht. Im Verlauf des Jahres seit Kriegsbeginn waren es 224 Menschen. Ich muss betonen: Der große Teil ist privat untergebracht. Diese Unterstützung flüchtender Menschen ist beispielhaft, und ich bin stolz auf die Hilfe, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt hier leisten.

Was die Stadt Jahr für Jahr ebenfalls immer sehr beschäftigt, sind die Bereiche Bildung und Kinder

Ja, das ist einer der größten Posten im städtischen Haushalt und einer der ganz wichtigen. Denn es geht um unsere Jugend und ihre Bildung. Deshalb bringt die Stadt jährlich Millionen dafür auf. In 2022 waren es in Summe rund zehn Millionen. Schulen müssen saniert und erweitert werden, wie aktuell unter anderem das Scheffelgymnasium. Unter Strich bringen wird dieses Jahr 3,5 Millionen auf. Dasselbe gilt für die Kindergärten. Hier haben wir 6,5 Millionen Euro ausgegeben. Das betrifft Gebäude, Einrichtungen, Ausstattung – was sich derzeit aber auch mit Geld nicht beheben lässt, ist der Personalmangel. Der trifft alle Branchen und eben auch die Kinderbetreuung. Dies führte in 2022 teilweise zu reduzierten Öffnungszeiten. Ein Riesenerfolg hingegen ist die Tagespflege. Die läuft wieder und ist in gesonderten Räumen im Kindergarten St. Christophorus untergebracht.

Fragen: Andreas Gerber