Der Bad Säckingen Gemeinderat steht unter Schock. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Campus innerhalb eines Monats plötzlich vor der Insolvenz steht. Bei unserer SÜDKURIER-Anfrage sagen das alle Fraktionen unisono. Und sie sind sich in einem weiteren Punkt einig: Wenn sich die Zahlen als richtig erweisen, wird die Stadt kein weiteres Geld mehr zur Verfügung stellen. Michael Maier, Sprecher der CDU-Fraktion sagte, der Gemeinderat habe das Projekt zum Ausbau der Gesundheitsversorgung unterstützt und mitgetragen. Aber mehr könne die Stadt nicht leisten. Das unterschreiben alle anderen auch.

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Hartmut Fricke: „Dilettantismus pur“
Hartmut Fricke: „Dilettantismus pur“ | Bild: SK

Im Gemeinderat herrscht Unverständnis und Verärgerung

Was die Gemeinderäte ebenfalls eint, ist das Unverständnis über die Teuerung, die ihnen niemand schlüssig erklären kann. Aus der betreffenden Aufsichtsratssitzung berichten Stadträte, die Planer hätten lapidar die neun Millionen Mehrkosten verkündet, sonst aber wissen lassen, dass sie sich das Ganze selber nicht erklären könnten. Bei unseren Gesprächen mit den Stadträten wird dieser Vorgang immer wieder als „unvorstellbar“, „absurd“ oder „fassungslos“ kommentiert. Und nicht nur einer der Stadträte fühlt sich „verarscht“.

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Michael Maier: „Absurd und unvorstellbar“
Michael Maier: „Absurd und unvorstellbar“ | Bild: SK

CDU-Sprecher Michael Maier hört man die Verärgerung mehr als deutlich an: „Ja, sitzen die Chefplaner denn in Berlin im Homeoffice, kümmern sich um nichts und lassen hier bei uns auf der Baustelle alles so laufen“, fragt er sich. Anders könne er sich deren Unkenntnis nicht erklären. „Wir haben keine erklärenden Fakten von ihnen bekommen“, schimpft Maier.

Ruth Cremer-Ricken: „ominöse Zahlen“
Ruth Cremer-Ricken: „ominöse Zahlen“ | Bild: SK

Bei den Planern „Dilettantismus pur“?

Ähnlich deutlich sind auch die anderen Ratsmitglieder: Hartmut Fricke (Unabhängige Bürgerleiste) spricht von „Dilettantismus pur“, die Grünen-Sprecherin Ruth Cremer-Ricken von „ominösen Zahlen“ und Fred Thelen von den freien Wählern kam sich vor wie bei „Verstehen Sie Spaß“ – nur dass es dann bitterer Ernst war, fügt er hinzu.

Stephan Muster: „Bin schockiert, es gab keine Vorzeichen“
Stephan Muster: „Bin schockiert, es gab keine Vorzeichen“ | Bild: SK

Die Hoffung stirbt zuletzt

Gleichwohl hoffen alle auf baldige Aufklärung der Verteuerung, die im Moment anscheinend nicht mal die Planer und Projekt-Steuerer verstehen. So sehen sie im Moment in die Zukunft nach der Devise „die Hoffnung stirbt zuletzt“. Stephan Muster, SPD-Sprecher, zählt die Rettungsoption auf, die derzeit kursieren. Da ist die Möglichkeit eines privaten Investors (wobei daran keiner so richtig glaubt) oder etwa die Übertragung an einen Generalunternehmer. Auch in einer Insolvenz ergäben sich eventuell Chancen, so Muster. Ein bisschen finanzielle Hoffnung der Gemeinderäte ruht auch auf dem Land und auf dem Landkreis.

Fred Thelen: „Hab zuerst gedacht, ich bin bei verstehen Sie Spaß“
Fred Thelen: „Hab zuerst gedacht, ich bin bei verstehen Sie Spaß“ | Bild: Esteban Waid

Das Schlimmste wird erwartet: „Dann ist der Campus tot“

Wenn aber in den nächsten Wochen alle Stricke reißen, dann läuft es auf den harten Schnitt hinaus. Michael Maier will keinen müden Cent mehr freigeben, und Ruth Cremer-Ricken sagt: „Dann ist der Campus tot.“ Für Linken-Stadtrat Angelo de Rosa übrigens ein Schritt, der schon lang überfällig ist. Er ist der Meinung, man hätte schon früher die Reißleine ziehen müssen, sagte er unserer Zeitung. Er habe einst für den Erhalt des Spitals gekämpft, sich aber mit dem Campus nie so richtig anfreunden könne. Jetzt einen Schlussstrich ziehen, fordert de Rosa: „Besser wir blamieren uns mit 15 Millionen, als wenn es nachher noch schlimmer kommt.“

Angelo de Rosa: „Schritt ist längst überfällig“
Angelo de Rosa: „Schritt ist längst überfällig“ | Bild: Nadin Wiepcke

Es erwischte alle völlig unerwartet

Das Unverständnis und der Schrecken steckt allen gleichermaßen in den Knochen. Denn der regelmäßige Rapport der Planer in den Aufsichtsratssitzungen sei laut Ruth Cremer-Ricken bis zur August-Sitzung plausibel und konsistent gewesen. Diese Unterlagen habe der Aufsichtsrat auch nach seinen Möglichkeiten geprüft. Im Übrigen seien diese auch jedes Mal von der Bank geprüft worden, bevor weitere Darlehensmittel freigegeben wurden. „Wir müssen jetzt sehen, wo der Fehler und der Kipp-Punkt ist“, sagt die Grünen-Chefin, vorher könne über weitere Perspektiven nicht belastbar gesprochen werden.

Was wird aus den Mietern?

So gibt es derzeit auch keine Lösung für die Mieter des Campus, von denen die ersten schon zur Jahreswende hätten einziehen sollen. Am härtesten trifft es nach Meinung von Hartmut Fricke das Altenpflegeheim St. Marienhaus mit seinen 80 Bewohnern. „Das schmerzt mich am meisten“, sagt Fricke, der einst Geschäftsführer des Heimes war. Der Hintergrund: Das Marienhaus hat von der Heimaufsicht nur eine begrenzte Betriebserlaubnis. Denn eigentlich müsste das Pflegeheim wegen der seit 2019 gültigen neuen Heimbauverordnung Einzelzimmer anbieten. Die Perspektive war jetzt der Umzug in den modernisierten Campus. Doch wihin jetzt? Fricke bezweifelt, dass der Heimträger St. Vinzentiusverein aus eigener finanzieller Kraft einen Neubau stemmen kann.