Ob es brennt, ein Verbrechen geschieht oder ein medizinischer Notfall vorliegt – Einsatzkräfte eilen stets zur Hilfe. Doch während ihrer Einsätze können sie selbst in Not geraten: Laut einer Studie des Weißen Rings hat sich die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte zwischen 2019 und 2022 von 29.246 auf 39.231 erhöht. Wie ist die Lage bei uns in der Region? Wir haben die Einsatzkräfte vor Ort gefragt.

Gewalt gegen Einsatzkräfte steigt an

Die Gewalttaten gegen Rettungskräfte nehmen seit den letzten zwei Jahren im Dienstbezirk des Polizeipräsidiums Freiburg (Landkreise Waldshut, Lörrach, Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen und Stadtkreis Freiburg) ebenfalls zu, wie uns Polizeisprecher Johannes Saiger auf Anfrage mitteilte. So erhöhten sich die erfassten Gewalttaten gegen Rettungskräfte von 13 Fällen 2021 auf 28 Fälle 2022. Johannes Saiger vermutet, dass sich dieser Trend künftig fortsetzten wird.

Die Gewalt gegen Polizeibeamte habe in den letzten Jahren zwar leicht abgenommen – von 567 Fällen 2021 auf 544 Fälle 2022 – werde seit diesem Jahr aber wieder mehr, so Saiger.

Angriff auf Sanitäter

Wie ist die Situation beim DRK Kreisverband Säckingen? Wenn es um körperliche Gewalt geht, kann Notfallsanitäter Max Neumann von einem Fall berichten, der sich schon 2019 zugetragen hat: „Meine Kollegen wurden gerufen und wurden dann von dem Patienten bei der versuchten Behandlung angegriffen.“ Er vermutet, dass die Person unter Drogeneinfluss stand.

Dies sei häufig der Fall, sollte es mal zu einem Angriff auf eine Rettungskraft kommen. „Oder es passiert wegen einem psychischem Ausnahmezustand“, ergänzt Horst Schwarz, Geschäftsführer des Rettungsdienstes. Das sei allerdings kein neues Phänomen und nehme auch nicht zu. In den letzten zehn Jahren sei es zu zwei bis drei heftigen Angriffen auf Rettungskräfte gekommen, wie Horst Schwarz berichtet.

„Auf dem Land ist es eher ruhig“

Mit Blick auf die Studienergebnisse des Weissen Rings vermutet Schwarz, dass man die Zahlen nicht so gut auf ländliche Regionen übertragen könne. „Auf dem Land ist es eher ruhig,“ spricht Schwarz aus Erfahrung.

Auch Mark Jagenow, stellvertretender Kommandant der Feuerwehr in Bad Säckingen, vermutet, dass das Problem in den ländlichen Regionen nicht so stark ausgeprägt ist wie in der Stadt. Dennoch sei der Respekt gegenüber der Feuerwehr generell nicht sehr hoch. Insbesondere bei Absperrungen im Straßenverkehr zeigen die Betroffenen laut Jagenow wenig Verständnis. Dabei komme es aber nicht zu verbalen oder körperlichen Angriffen auf die Feuerwehrleute.

„Es würde uns sehr entgegen kommen, wenn uns die Leute mehr vertrauen würden“ – Max Neumann vom DRK Kreisverband ...
„Es würde uns sehr entgegen kommen, wenn uns die Leute mehr vertrauen würden“ – Max Neumann vom DRK Kreisverband Säckingen. | Bild: Sabrina Morenz

Unrealistisches Anspruchsdenken

Beim DRK Bad Säckingen hat die körperliche Gewalt gegen Rettungskräfte laut Schwarz nicht zugenommen, aber eine Zunahme der Grundaggressivität könne man durchaus verspüren.

„Die Lage verschärft sich aktuell durch die Schließung der Notfallpraxis“ – Horst Schwarz, Geschäftsführer des ...
„Die Lage verschärft sich aktuell durch die Schließung der Notfallpraxis“ – Horst Schwarz, Geschäftsführer des Rettungsdienstes. | Bild: DRK Kreisverband Säckingen

Problematisch sei vor allem das sehr starke Anspruchsdenken der Patienten und ihrer Angehörigen. Häufig wüssten die Betroffenen nicht, wie der Rettungsdienst genau funktioniert und für welche Fälle er verantwortlich sei und haben deswegen eine falsche Erwartungshaltung, so Schwarz.

Wird diese nicht erfüllt, komme es zu aggressivem Verhalten: „Es gibt einfach eine Erwartungshaltung der Leute und die rutschen dann verbal aus“, spricht Max Neumann aus Erfahrung.

Beleidigungen im Einsatz

So wurde Neumann währender seiner Einsätze schon häufiger beschimpft: „Das sind dann pure Beleidigungen“, erzählt Neumann. Die Aggressivität bei Einsätzen gehe dabei eher von den Angehörigen als von den Patienten selbst aus. Diese seien sehr besorgt und sehen die Rettungskräfte dann „als Blaulicht, das tun soll, was man von ihm erwartet“, erklärt der Notfallsanitäter.

Kernproblem sei die schlechte Versorgung

Jüngere Ereignisse haben die Situation laut Horst Schwarz noch verschlimmert: „Die Lage verschärft sich aktuell durch die Schließung der Notfallpraxis.“

Gut ausgestattet fährt Max Neumann zu seinen Einsätzen.
Gut ausgestattet fährt Max Neumann zu seinen Einsätzen. | Bild: Sabrina Morenz

Durch die unzureichende medizinische Versorgung in der Region würden Personen den Rettungsdienst rufen, für die eigentlich eher der Hausarzt zuständig wäre. Kann deren Erwartungshaltung dann nicht erfüllt werden, komme es teilweise zu aggressiven Verhalten. Das medizinische System sei hier im ländlichen Raum kurz vorm Kollabieren, betont Schwarz nochmal den Ernst der Lage.

Verständnis für Frust

Den Frust der Patienten und Angehörigen kann Horst Schwarz durchaus nachvollziehen. Max Neumann hat ebenfalls Verständnis: „Ich verstehe die Leute auch. Für die ist das dann auch subjektiv ein Notfall.“ Die verbalen Angriffe machen ihm den Spaß an seiner Arbeit nicht kaputt: „Ich ziehe mehr aus den Einsätzen, wo ich helfen konnte.“ Für Horst Schwarz ist es wichtig auch die positiven Erfahrungen im Rettungsdienst zu betonen: „Sehr viele Leute schätzen unsere Arbeit auch sehr.“

Versorgungslage darf nicht noch schlechter werden

Damit sich die Lage nicht noch weiter anspannt, sei es laut Horst Schwarz wichtig, dass sich die gesundheitliche Versorgung in der Region nicht noch weiter verschlechtert. Max Neumann wünscht sich zudem von den Menschen „mehr Verständnis, wenn man ihnen erklärt, dass es kein Notfall ist.“ Außerdem sei Vertrauen ein wichtiger Aspekt: „Es würde uns sehr entgegen kommen, wenn uns die Leute mehr vertrauen würden“, so der Notfallsanitäter.

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