Gudrun Deinzer

Nach der Schule ist vor der Schule. In den letzten Tagen des laufenden Schuljahres stehen die Zeichen im Bildungszentrum freilich längst auf Neubeginn. Der wird mit Sicherheit interessant, zumal er eine Art Showdown einleitet. Denn es wird das letzte Jahr der Bonndorfer Werkrealschule sein. Noch zwei Klassen werden dort im kommenden Schuljahr unterrichtet, eine siebte und eine neunte Klasse.

Wegfall der Grundschulempfehlung läutet Entwicklung ein

Die Entwicklung war quasi eingeläutet mit dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung der vorherigen Landesregierung. Birgitta Stephan, Rektorin des Schulverbunds aus Grund-, Förder- und Werkrealschule, hatte das schon bei der Übernahme ihrer Aufgabe für die Werkrealschule vermuten können. Dennoch bedauert sie: „Wir haben das zweite Jahr keine fünfte Klasse, damit sind Fakten geschaffen. Natürlich trauere ich der ‚Inklusiven Werkrealschule‘ nach, das war ein Traum. Aber es ist nicht so gekommen.“

Der letzte Weg zum Hauptschulabschluss

Die verbleibende achte Klasse werde dann als eigenständige Klasse mit den bisherigen Lehrern innerhalb der Realschule zum Ende der neunten Klasse Werkrealschule, also zum Hauptschulabschluss geführt. „Es sind ja die gleichen Bildungspläne“, so Stephan. Guter Dinge sei sie, dass die verbleibenden Lehrer ins Kollegium der Realschule eingefügt werden können, vorbehaltlich der Entscheidungen des Schulamtes.

Realschule in neuer Rolle

Folgerichtig ändert sich die Rolle der Realschule im Bildungszentrum. „Die Realschule hat eine andere Form der Heterogenität“, bringt Schulleiter Tilman Frank die Situation auf den Punkt. Für das Fach Mathematik wurde bereits im laufenden Jahr eine Möglichkeit ersonnen, darauf einzugehen. Der Mathematikunterricht soll in den einzelnen Klassenstufen gleichzeitig erfolgen. So können im Austausch der Kollegen die Schüler klassenübergreifend in den Unterricht genommen werden, der sie am ehesten auf ihrem momentanen Lerntempo abholt.

Drei Niveaustufen an der Realschule

Laut Bildungsplan ist es in Realschulen vorgesehen, auf verschiedenen Niveaustufen zu unterrichten. Die Buchstaben G, M und E stehen für Grundstufe (WRS, Hauptschule), Mittelstufe (Realschule) und Erweiterte Stufe (gymnasiales Niveau). Die Klassenarbeiten fänden zwar prinzipiell auf dem sogenannten M-Niveau statt. Ab Klassenstufe acht könne nun aber auch auf E-Niveau unterrichtet werden. Andererseits werden ab der siebten Klasse von G-Schülern Klassenarbeiten auf G-Niveau geschrieben, dies führt dann zum Hauptschulabschluss innerhalb der Realschule.

Auch die Schule muss lernen

„Wir sind am Lernen“, gibt Tilman Frank offen zu, keine Schule wüsste genau, wie es wirklich geht. Allerdings grenzt die Beschreibung wohl an Understatement. Schließlich bietet die Realschule seit Jahr und Tag Förderunterricht in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik an. Auch eine tägliche, für Schüler freiwillige, Hausaufgabenbetreuung (außer freitags) von drei Schulstunden sollte nach Einschätzung des Schulleiters genügen, um daheim keine Hausaufgaben mehr erledigen zu müssen. „Wir sind sehr um Sprachförderung und individuelles Coaching bemüht“, meint Frank und verweist auch auf die freiwillige Ganztagesbetreuung mit nachmittäglichen Angeboten und den anstehenden Umbau der Schulmensa, die damit auch zum Aufenthaltsraum würde.

Tilman Frank, Leiter der Bonndorfer Realschule, wird weiterhin mit der Rektorin der Verbundschule aus Grund-, Förder- und ...
Tilman Frank, Leiter der Bonndorfer Realschule, wird weiterhin mit der Rektorin der Verbundschule aus Grund-, Förder- und Werkrealschule, Birgitta Stephan, eng zusammenarbeiten.

Sonder-Engagement, wie bei Dunker bewegt, einem Tag des Sportabzeichens, für die Naturparkschule oder auch die Freizeiten in Öttiswald rundeten ein sehr reichhaltiges Schulleben ab. Eine erfolgreiche Verabschiedung der 89 Schulabgänger bei der diesjährigen Abschlussfeier mit einem "ordentlichen Gesamtschnitt von 2,3" zeigt nicht zuletzt das Engagement von Tilman Frank und seinem Kollegium, das mit einer gewählten Steuergruppe zukunftsgerichtet Schulentwicklung betreibt.

61 Anmeldungen für neues Schuljahr

Umso größer war freilich die Enttäuschung, als sich in diesem Schuljahr nur 61 Schüler für das kommende Jahr angemeldet hatten. Bei einer ersten Analyse der Gründe dafür, sei man sich im Kollegium einig gewesen, dass diese mannigfaltig seien, erläutert Frank. Es seien schon wenige Bonndorfer Grundschüler gewesen, die im kommenden Jahr auf eine weiterführende Schule wechseln. Auch sei ihm zu Ohren gekommen, dass in anderen Schulen über „chaotische Verhältnisse“ an der Bonndorfer Realschule geredet wurde, im Zuge des verwaisten Rektorensessels.

Schüler ziehen das Gymnasium vor

Der einstige Rektor Sammy Wafi hatte sich mitten im Schuljahr in die Elternzeit verabschiedet und unterrichtet inzwischen in Dubai. Ungewöhnlich viele Schüler seien in diesem Jahr auch direkt auf Gymnasien gewechselt. „Es spielt ja auch immer eine Rolle, auf welche Schule der Kumpel geht“, so Tilman Frank. Er sei aber zuversichtlich, dass sich die seit jeher schwankenden Schülerzahlen auch bald wieder nach oben bewegen.

Neubesetzung der Rektorenstelle im Laufe des Schuljahres

Tilman Frank wird das kommende Schuljahr abermals als Schulleiter beginnen. Mit einer Besetzung der Rektorenstelle rechnet er im Laufe des Schuljahres. Die engagierte Steuergruppe unter seiner Leitung und drei seiner Grundsätze sprechen dafür, dass die Herausforderungen der Zukunft, unabhängig von der Besetzung des Rektorensessels, gestemmt werden: „Wir unterrichten keine Fächer, sondern Kinder. Es sind keine Realschüler, sondern Kinder, die zu uns kommen. Wir sind nicht dafür da, dass wir den Stoff losbekommen, sondern dafür, dass er ankommt.“