Durch den coronabedingten, mit Pausen durchsetzten und von unterschiedlichen Gruppen präsentierten Ablauf gestalten sich die Veranstaltungen des Görwihler Kultursommers in diesem Jahr noch facettenreicher als bisher. In der Herrischrieder Pfarrkirche hat Julia Schleicher nun ihre 2012 entstandene Diplomarbeit ausgestellt, eine fünfteilige Figurengruppe aus Eisenguss. Dazu musizierten das Ensemble Mandelkärn sowie Cembalist Teun Braken und Sängerin Cornelia Fahrion, alle aus Basel.

Den Auftakt machte Mandelkärn-Mitglied Alberto Gaspardo auf der Orgel mit dem Präludium fis-Moll von Buxtehude, einem lebendigen Beispiel für dessen „stylus phantasticus“ mit so reichhaltiger Formensprache wie Fuge, rhapsodischen und virtuos geprägten Passagen oder solchen, die wirken wie freie Improvisationen. Den Schluss markiert eine Klangexplosion.
Julia Schleicher hat ihre fünfteilige Figurengruppe, entsprechend der intensiven Zeit der Beschäftigung mit ihrem Diplomgegenstand, „307 Tage“ überschrieben. Sie beschreiben die Entwicklung, die ihre Arbeit genommen hat. Thema war der Versuch, innere Vorgänge, Seelenzustände, nach außen zu projizieren mittels der Fragmentierung des menschlichen Körpers. Schleicher wollte zeigen, wie die Kreatur in lädiertem Zustand Strategien entwickelt, um weiterhin existieren zu können, neue Positionen zu finden, sich aufzubäumen und nach vorn zu schauen. Entgegen der Einschätzung beim ersten Blick auf ihre Figuren, so Schleicher, sind sie Ausformungen eines positiven Menschenbildes. Zudem stellt die von der ersten bis zur fünften Figur sichtbare Entwicklung in gewisser Weise eine Parallele dar zur Entwicklung der Künstlerin, die Stadien im Versuch, einen Weg, eine Haltung zu finden.
Musikalisch blieb das Ensemble Mandelkärn zunächst bei Buxtehude. Geiger Lukas Hamberger, Gambistin Mathilde Gomas und Alberto Gaspardo, diesmal als Cembalist, interpretierten zwei Triosonaten des Barockkomponisten, und gemeinsam mit Sängerin Anna Bachleitner zwei seiner Kantaten. Dabei bestachen die Musiker in den Sonaten durch die anmutigen Zwiegespräche von Geige und Gambe, durch den spielfreudigen Wechsel zwischen schnellen und langsamen Sätzen mit teils halsbrecherisch virtuosen Passagen sowie durch die neckischen unvermittelten Takt- und Tempowechsel. In den Kantaten bewährte sich Anna Bachleitner als mit nuancierten Klangfarben und zudem mit szenischen Andeutungen reich ausgestattete, hochflexible Stimmkünstlerin. In einem zweiten Abschnitt präsentierte das Ensemble ebenfalls Norddeutsches mit einer Triosonate von Philipp Heinrich Erlebach und einer Kantate von Johann Nicolaus Hanff.
Cembalist Teun Braken und Sängerin Cornelia Fahrion hatten unter anderem kurze Cembalostücke und Lieder aus der Feder Henry Purcells mitgebracht, die den Kirchenraum mit anmutigen, schier unendlichen Melodiebögen und Melismengirlanden erfüllten. Die bildhafte Textvertonung in Bachs Arie „Phöbus eilt mit schnellen Pferden“ aus der Hochzeitskantate und das strahlende „Halleluja“ am Schluss eines der geistlichen Lieder Purcells stellten einen weiteren Ohrenschmaus dar. Auch die Zugabe wurde von diesem gleichermaßen mit Professionalität und Hingabe musizierenden Duo bestritten.