Einen Termin für das Porträt zum Abschied nach 32 Jahren als Bürgermeister in Hohentengen zu finden, ist gar nicht so einfach. Martin Benz blättert in seinem Terminkalender mehrere Minuten hin und her.
Notar-Termin, Fluglärm-Termin in Freiburg, Gespräch mit dem Landrat, am Feiertag das Büro ausräumen, Soziales Projekt Pfarrwiese. Dennoch gelingt es dem 62-Jährigen, eineinhalb Stunden für ein Gespräch freizuschaufeln.
„Es war schon immer mein Wunsch, Bürgermeister zu werden und zu sein“, sagt Martin Benz mit einem Lächeln. Und man merkt ihm an, dass er es gerne noch ein bisschen länger geblieben werde. Vor allem, um noch ein paar Themen für Hohentengen anzustoßen. Für den Ort, in dem der 62-Jährige mehr als sein halbes Leben Bürgermeister war und der mit großen Themen Fluglärm (verursacht durch den Flughafen Zürich-Kloten) und das geplante Schweizer Atommüllendlager in Deutschland bundesweit Schlagzeilen geschrieben hat.
Einige Themen würde er gerne noch anpacken
„Eine Gemeinde ist nie fertig, das macht es ja so spannend“, erklärt der 62-Jährige und schiebt hinterher, dass er schon einige Themen vermissen werde. Zum Beispiel, wie mit Energie aus dem Rhein die Gemeinde mit Strom versorgt werden kann. „Das würde mit brutal Spaß machen“, verrät Benz.
Auch kleinere Projekte zum Klimaschutz oder den Aufbau einer Nahwärmeversorgung oder das ein oder andere innovative Projekt hätte der 62-Jährige noch gerne begleitet. „Es ist noch nicht so richtig bei mir angekommen, dass im am 28. Mai aufhöre“, sagt Benz knapp zwei Wochen vor seinem letzten Arbeitstag.
Dennoch: Die Entscheidung, nach 32 Jahren nicht für eine fünfte Amtszeit zu kandidieren, habe er nie bereut. „Ich habe die Entscheidung vor einem Jahr getroffen. Sie war goldrichtig. Und jetzt ist auch Zeit für neue Ideen.“
Auf die Frage, welche Themen seine vier Amtszeiten geprägt haben und was er in den jeweiligen Perioden alles geschafft hat, holt Martin Benz seine Wahlprospekte aus einem Schrank im Büro hervor.

Die erste Amtszeit: 1991 bis 1999
Am 14. April 1991 wurde Martin Benz mit 52,5 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Hohentengen gewählt. Der damals 30-jährige Diplom-Verwaltungswirt setzte sich gegen einen Gegenkandidaten durch. „Es gab kein Rechnungsamt und es galt, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen“, erinnert sich der 62-Jährige heute.
Zudem habe der neue Bürgermeister mit einer prekären finanziellen Situation zu kämpfen gehabt. „Ich habe angefangen mit 0 Pfennig und einem Haufen Schulden. Wir mussten kurzzeitig den Grundsteuerhebesatz von 220 auf 390 Prozent anheben, weil wir uns nicht anders zu helfen mussten. Damals dachte ich, das gibt einen Spießrutenlauf, doch dem war nicht so“, erinnert sich Benz.
Weitere Themen seiner ersten Amtsperiode seien die Ermöglichung des Kiesabbaus, die bauliche Entwicklung oder der Sportplatzbau gewesen. „Es war ein sportliches Programm, aber ich habe alles eingehalten, was im Wahlprogramm stand“, sagt Benz heute.
Die zweite Amtszeit: 1999 bis 2007
1999 war Martin Benz Alleinkandidat und erhielt 95,3 Prozent der Stimmen. Zu den großen Themen seiner zweiten Amtszeit zählten unter anderem die Optimierung der Wasserversorgung, die Erweiterung der Kläranlage, die Entwicklung der Feuerwehren, die Verzollungsmöglichkeiten, der Bau von Radwegen und die Einrichtung des Betreuten Wohnens.
„Wir haben immer von unten nach oben gedacht“, erläutert er. Angefangen bei den Kleinsten, über die Kinder bis hin zu den Senioren. „Eine verlässliche Betreuung war uns immer wichtig. Und heute sind wir nicht uninteressant für Familien mit Kindern“, sagt der scheidende Bürgermeister nicht ohne Stolz.
Die dritte Amtszeit: 2007 bis 2015
2007 wurde Martin Benz als Alleinkandidat mit 94,13 Prozent zum dritten Mal zum Bürgermeister gewählt. In der dritten Amtszeit hätten den Bürgermeister vor allem die Schulentwicklung, die Schulstandortsicherung und der Hochwasserschutz beschäftigt.

„Von 1991 bis 2014 haben wir 49 Millionen Euro investiert. Das ist schon ein rechtes Wort“, sagt Benz stolz. Und: „Ziel war immer, dass wir ein Dorf bleiben, aber eine Infrastruktur wie eine 10.000 bis 15.000-Einwohner-Kommune haben.“
Die vierte Amtszeit 2015 bis 2023
2007 hatte Martin Benz zwei Gegenkandidaten und entschied die Wahl mit 81,2 Prozent für sich. In seine vierte Amtsperiode fällt die Entwicklung des Landkreis-Backbones (Grundlage für die Breitbandversorgung aller Gemeinden im Landkreis), weiter beschäftigte die Gemeinde unter anderem die Entwicklung von Bauland und Gewerbeflächen, die Wasserversorgung, die Mobilität, die Entwicklung des Projekts Soziale Pfarrwiese und die Gründung des Bürgernetzwerks.

Stolz ist der scheidende Bürgermeister vor allem auf die Arbeit des Bürgernetzwerks und der Vereine. Diese Arbeit werde in Zukunft immer wichtiger werden, denn: „Der Staat kann nicht alles. Wenn sich die Gemeinde nicht zu einer sorgenden Gemeinde entwickelt, wird liebgewonnenes irgendwann zurückgefahren werden müssen“, so Benz.
Zehn schnelle Fragen an Martin Benz
Fluglärm und das Atommüllendlager
Seine Amtszeit war aber vor allem auch geprägt von den Dauerbrennern Fluglärm und Atommüllendlager. „Ich bin glücklich über das Erreichte im Fluglärmstreit. Wenn wir das nicht erreicht hätten, wäre es noch schlimmer“, sagt Martin Benz heute ganz selbstbewusst.

Ähnlich auch das Fazit zum geplanten Schweizer Atommüllendlager, das unmittelbar auf der anderen Seite des Hochrheins gebaut werden soll: „Wir haben einen Riesenerfolg beim Atommüllendlager erzielt. Das sollte direkt dahinter hin“, sagt Benz und deutet aus seinem Bürofenster in die Schweiz. Beide Themen sind für ihn mit dem Ende seiner Amtszeit aber nicht beendet. „Wir müssen weiter höllisch aufpassen und unsere Interessen durchsetzen.“
Veränderungen und Kritik
Angesprochen auf Kritiker sagt der scheidende Bürgermeister: „Wenn es Menschen gab, die ihre Kritik offen geäußert haben, habe ich das immer geschätzt.“ Allerdings habe er festgestellt, dass sich die Diskussionskultur verändert habe. „Wir hatten unglaubliche Projekte in den 32 Jahren. Je länger du im Amt bist, desto mehr musst du entscheiden. Und desto mehr Enttäuschungen gibt es auch.“
Und wie hat sich Martin Benz in dieser Zeit verändert? „Es macht mir immer noch Spaß wie am ersten Tag. Aber das, was ich vor 30 Jahren noch an mir abprallen lassen konnte, geht heute nicht mehr so einfach. Ich bin dünnhäutiger geworden.“
Der letzte Arbeitstag
An seinen ersten Arbeitstag vor 32 Jahren kann sich Martin Benz nicht mehr erinnern. Seinen letzten will er am 28. Mai bei einem Fußballturnier im Ortsteil Stetten (Stetten-Turnier) verbringen. Im Juni stehen dann zwei Wochen Urlaub in Frankreich an. „Mir wird nicht langweilig. Es geht ja weiter, mit den von mir gesteckten Aufgaben.“