Eigentlich hätten Jestetten und Altenburg bereits im vergangenen Jahr ihre 1150-Jahr-Feier begehen können, doch die Pandemie machte eine Verschiebung ins aktuelle Jahr notwendig.
Doch was bedeutet es, dass die beiden Dörfer 1150 Jahre alt sind? Zunächst einmal nur, dass die erste urkundliche Erwähnung auf das Jahr 871 datiert ist. Dies heißt aber, dass die Ortschaften zu dieser Zeit schon bestanden, also in jedem Fall älter sind als 1150 Jahre. Schließlich spricht die Urkunde nicht von einer – oder in diesem Fall von zwei – Ortsgründungen, sondern stellt lediglich fest, dass es zu dieser Zeit die beiden Dörfer schon gab. Doch bereits die Zeit vor der Ersterwähnung war für den Landstrich im östlichen Teil des Landkreises sehr geschichtsträchtig.
Tatsächlich besiedelt ist das badische Oberklettgau bereits seit der Steinzeit. Die ältesten Spuren – Feuersteine aus der mittleren Steinzeit, circa 6000 vor Christus, die von nomadisierenden Jägern und Sammlern stammten – wurden im Bereich des Gewanns Schnellgalgen gefunden.
Die ältesten Siedlungsspuren – Bandkeramikscherben – stammen aus einer Zeit rund 5500 vor Christus. Diese Funde beweisen, dass die Menschen bereits vor 7500 Jahren hier sesshaft waren. Allerdings wäre es falsch, eine 7500 Jahrfeier zu begehen, denn eine dauerhafte, durchgehende Siedlung von der älteren Jungsteinzeit bis heute, kann weder nachgewiesen werden, noch ist sie wahrscheinlich.
Gräber aus der Jungsteinzeit entdeckt
Während die ersten Siedlungsspuren beim Töbele noch recht unscheinbar waren, wurden im Winter 1925/26 von Otto Ruh, der im Bereich des Sinkelosebucks/Burghalde in Altenburg eine Kiesgrube angelegt hatte, zahlreiche Gräber aus der Jungsteinzeit entdeckt. Offenbar hatte hier im 4. Jahrtausend vor Christus eine Siedlung bestanden. Die, den Gräbern beigelegten Schmuckstücke, zeugen bereits von hoher Handwerkskunst.

Daneben fand man Keramikgefäße und steinerne Pfeilspitzen, Beile und Knochenspatel. Bedauerlicherweise konnten die archäologischen Ausgrabungen Ende der 1920er Jahre nicht mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt werden, viele Geheimnisse der Siedlung liegen noch im Dunkeln. Sicher ist jedoch, dass der Bereich nach 1000 vor Christus nicht mehr aufgesucht wurde. Vermutlich gab es im Jestetter Zipfel während der Jungsteinzeit noch weitere Siedlungen, doch leider zeugen hiervon nur wenige Einzelfunde.
Bronzenes Beil taucht bei Hausbau auf
Aus der älteren Bronzezeit ist aus dem Jestetter Zipfel nicht sehr viel bekannt. Es gab lediglich einen Fund – beim Hausbau in der Bahnhofstraße fand man vor gut 100 Jahren ein bronzenes Beil, das in die Privatsammlung von Oskar Stadler gelangte und inzwischen verschollen ist.
Bronzezeitliche Grabhügel wurden im Bereich Lauter Eichen und im Heuberg vermutet, allerdings entpuppten diese als Abraumhügel aus dem Bohnerzabbau. Aus der späten Bronzezeit, der Urnenfelderkultur, gibt es zahlreiche Spuren aus der Region und einen Fund „An der Holzgass“ in Altenburg. Dort wurde im Jahre 1964 ein Grab mit einer großen Urne sowie kleinere Gefäße gefunden.
In der Eisenzeit (Hallstatt- und Latenezeit) waren die beiden Dörfer, Jestetten und Altenburg sicherlich bewohnt, wie zahlreiche Grabfunde (Große Breite oder Bivang) bezeugen. Die bemerkenswerteste Siedlung in dieser Zeit entstand in der Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus auf den beiden Rheinhalbinseln Au und Schwaben. Mit einer bewehrten Fläche von 233 Hektar (Schwaben) sowie 82 Hektar (Au) umfasste das keltische Oppidum gewaltige Ausmaße.

Mit bis zu 9000 Bewohnern war diese Stadt wohl die bedeutendste Siedlung im Süden des heutigen Deutschlands. Mit eigener Münzprägestätte ausgestattet war dieser Ort sicherlich ein ganz bedeutender Handelsplatz, wie auch die mehr als 10.000 Weinamphorenfragmente, die hier gefunden wurden, unterstreichen. Die Kelten waren darüber hinaus die ersten Siedler, deren Namen wir kennen.
Doch die große Stadt an der Doppelschleife des Rheins konnte sich nicht zur mittelalterlichen Großstadt entwickeln, durch den Vormarsch der Römer wurde sie noch vor dem Zeitenwechsel aufgegeben.
Immerhin könnte man sich dem Gedankenspiel hingeben, wie sich die Stadt entwickelt hätte, wären die Römer südlich der Alpen geblieben. Vielleicht gäbe es hier eine europäische Metropole, die mit Rheinfall, Doppelrheinschleife und Klosterinsel ein kulturhistorischer Leuchtturm wäre – eine ewige Stadt am Rhein.
Während keine römischen Siedlungen im Jestetter Zipfel bekannt sind – allerdings zahlreiche Gutshöfe in der unmittelbaren Nachbarschaft – führte eine römische Landstraße von Lottstetten aus in nordöstliche Richtung über den Volkenbach. Dass die Römerbrücke über den Volkenbach keine solche ist, steht bereits seit längerer Zeit fest, allerdings sorgten die Römer für die Trasse der alten Verbindung zwischen Schaffhausen und Zürich, denn diese Verbindung über die alte Volkenbachbrücke verläuft ziemlich genau auf der alten Römerstraße.

Nachdem sich die Römer zurückgezogen hatten, versank die Welt im Mittelalter und die Siedlungen tauchten erst wieder im Jahr 871 – vor 1150 Jahren – als Altunburg und Hidestat (Jestetten) in einer königlichen Urkunde auf.