Das Autohaus Melzer zieht um. Das Unternehmen hat sein Gelände am östlichen Ortsrand an einen Investor verkauft. Fast alle Gebäude dort sollen abgerissen werden. Die 1,7 Hektar große Fläche wird neu überplant. Lidl, Denn‘s Biomarkt und ein Imbiss wollen sich auf dem Areal ansiedeln. In der ersten Anhörungsrunde äußern Behörden und Einwohner Bedenken und Anregungen. Vor allem steht die Frage im Raum, ob Jestetten einen weiteren Discounter braucht.
Sie rechnen mit größerer Verkaufsfläche
Stadtplanerin Bettina Nocke vom gleichnamigen Planungsbüro in Gaienhofen informierte den Gemeinderat in der jüngsten Sitzung über die Stellungnahmen. Bedenken formulierten Einwohner vor allem darüber, wozu es noch mehr Lebensmittelgeschäfte geben soll. Sie zweifeln besonders daran, dass es bei bei Lidl bei einer Verkaufsfläche von 799 Quadratmetern bleibt.
Mehr Verkehr auf der Bundesstraße
In den Stellungnahmen der Einwohner ist zu lesen, dass Jestetten mal über mehrere kleine Geschäfte verfügt habe. Diese seien im „Discounter-Paradies“ untergegangen. Jestetten habe bereits drei Discounter. Dies sei für die Gemeinde schon überdimensioniert. Noch mehr Discounter bedeuteten auch mehr Lastwagen. Es sei allgemein mit einer höheren Verkehrsbelastung zu rechnen. Zudem wird darauf verwiesen, dass Lidl bereits in Lottstetten ansässig ist.
Ein Einzelhandelsgutachten spricht von einer „extrem guten Versorgungssituation“ in Jestetten mit einer Verkaufsflächenausstattung von fast 2500 Quadratmetern je 1000 Einwohner. Ein wichtiger Faktor sind die Kunden aus der Schweiz. Der Gutachter weist darauf hin, dass der Anteil an Schweizer Kunden in einer Bandbreite von 60 bis 75 Prozent liegt.
Einschätzung: Umverteilung des Umsatzes
Eine deutliche Steigerung der Kaufkraftzuflüsse aus dem deutschen Umland und der Schweiz erwartet der Gutachter allerdings nicht. Vielmehr sei eine Umverteilung des Umsatzes zu erwarten.
Der Handelsverband Südbaden halte es für gefährlich, die Planungen allein mit dem „Schweizer Umsatz“ zu begründen. Es stelle sich die Frage, ob sich die Umsätze, die von den Nachbarn generiert werden, nach Corona wieder auf die Situation von vor dem Ausbruch der Pandemie einpendeln.
Zahl der Ausfuhrscheine eher rückläufig
Seit 2018, auch ohne Corona, seien die Zahlen der gestempelten Ausfuhrscheine bereits rückläufig gewesen. Diese Tendenz habe sich 2019 fortgesetzt. Ein Einwohner schreibt: „Was es für Jestetten bedeuten würde, ohne die Schweiz zu leben, hat der Lockdown im Frühjahr gezeigt.“
Die IHK Hochrhein-Bodensee liefert in ihrer Stellungnahme Zahlen. Mit den geplanten Ansiedlungen wächst die Größe der gesamten Verkaufsflächen in Jestetten um rund zwölf Prozent. Auch die Kammer rechne mit einer Umsatzverteilung und damit, dass die Flächenproduktivität sinke. Trotzdem begrüße sie die Entwicklungsmöglichkeiten für Unternehmen. Bedenken habe sie nicht, weil das Planvorhaben kleinflächige Einzelhandelsbetriebe vorsehe.
Raumordnerisch keine Gründe dagegen
Jestettens Bürgermeisterin Ira Sattler schlug in der jüngsten Gemeinderatssitzung vor, die Größe der Verkaufsflächen in einem städtebaulichen Vertrag abzusichern. Aus raumordnerischer Sicht gebe es keine Gründe, die gegen den Bebauungsplan sprechen würden. Das Planungsverfahren geht nun in die nächste Runde.