Während ein privater Käufer die ehemalige evangelische Kirche in Klettgau-Grießen in ein Wohnhaus umbaut, gibt es für die Matthäuskirche in Klettgau-Erzingen ganz andere Pläne. Künftig soll das alte Gebäude einen gesellschaftlichen, sozialen Zweck erfüllen.

Schon jetzt gibt es für den neuen evangelischen Kooperationsraum Klettgau-Kadelburg-Jestetten einen Willkommensort namens Friedas Gartencafé. Dort können sich Menschen mit und ohne Demenz in einem Raum begegnen. Das Miteinander soll Betroffene wie Angehörige stärken.

Mit Friedas Gästehaus planen Pfarrer Thomas Kaiser und seine Frau Andrea Kaiser, ebenfalls Pfarrerin, ein völlig neues, innovatives Projekt. Ziel ist es, die aus dem Jahr 1962 stammende Matthäuskirche ab 2026 zu einer Tages- und Nachtstation für an Demenz erkrankte Menschen mit zehn Betten umzubauen.

Thomas O.H. Kaiser, evangelischer Pfarrer der Kirchengemeinde Klettgau.
Thomas O.H. Kaiser, evangelischer Pfarrer der Kirchengemeinde Klettgau. | Bild: Nico Talenta

„Der Aufenthalt für ein bis drei Tage pro Woche entlastet und ermöglicht längerfristig häusliche Pflegearrangements“, erklärt der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Klettgau. Auch Kurzzeitpflege soll bei Bedarf übernommen werden.

Das Konzept klingt einfach

Eine Genossenschaft, die bereits in den Kinderschuhen stecke, soll Trägerin von Friedas Gästehaus werden. Die evangelische Kirchengemeinde Klettgau stellt das Gebäude. Die AOK Hochrhein-Bodensee ist als Partner maßgeblich an der Planung und Durchführung des Projekts beteiligt.

Friedas Gästehaus soll die bis jetzt weitverbreitete familiäre Pflege und nachbarschaftliche Sorge mit professioneller Versorgung kombinieren, damit auch die Angehörigen eine Pause einlegen und durchatmen können. Das Konzept klingt einfach: Pflegende Angehörige werden begleitet, Menschen mit Demenz können länger in ihrem vertrauten Lebensumfeld bleiben.

Referenzen gibt es in der Schweiz

Doch es gibt ein Problem: „Bis jetzt ist Friedas Gästehaus zu innovativ, um in die allgemeinen Förderraster für Zuschüsse zu passen“, weiß Andrea Kaiser. Die Mischform aus ambulanter und stationärer Pflege benötige einen Gestaltungsfreiraum hinsichtlich der Bauvorschriften für Pflegeheime. „Es braucht die Ermöglichung von Innovation durch die zuständigen Fachstellen.“ Im Nachbarland Schweiz gebe es bereits Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen.

Andrea Kaiser, evangelischer Pfarrerin der Kirchengemeinde Kadelburg.
Andrea Kaiser, evangelischer Pfarrerin der Kirchengemeinde Kadelburg. | Bild: Nico Talenta

Demenzexperte und Autor Michael Schmieder lebt in der Schweiz und kennt die dortigen Referenzen. Über das Vorhaben in Klettgau-Erzingen sagt er: „Es ist ein unheimlich spannendes Projekt. Demenz mitten in das Dorf zu holen, ist eine super Sache.“ Eine Entlastung für die Angehörigen und Betroffenen könne nur vor Ort stattfinden.

Michael Schmieder, Demenzexperte und Autor.
Michael Schmieder, Demenzexperte und Autor. | Bild: privat

„Tages- und Nachtstätten gibt es bei uns in der Schweiz bereits. Die Idee ist also nichts Neues, aber innovativ“, so Schmieder. Durch seine jahrelange Arbeit im Zusammenhang mit dem Thema Demenz weiß er, dass ein Zeitraum von 24 oder 48 Stunden die „beste Entlastung für Angehörige ist.“ Also ähnlich wie eine Arbeitswoche für Angestellte, die sich auf ihr Wochenende freuen.

Um Projekte wie Friedas Gästehaus in Klettgau-Erzingen zu fördern, vergibt die evangelische Landeskirche in Baden Fördermittel. Die ersten Großprojekte, die von diesen Innovationsmitteln profitieren, stehen bereits fest. In einem sogenannten Innovations-Pitch in Karlsruhe, einer Art Vorstellungsrunde, haben vier von fünf Teams eine Jury mit ihren Ideen überzeugt und eine Zusage über insgesamt 395.000 Euro erhalten.

Anschubfinanzierung muss bis Ende 2026 stehen

Einer Pressemitteilung der evangelischen Landeskirche ist zu entnehmen: „Eine Million Euro pro Jahr hat die evangelische Landeskirche in Baden im aktuellen Doppelhaushalt für innovative Ideen ausgeschrieben. Große Projekte können sich dabei um maximal jeweils 100.000 Euro bewerben.“ Fünf von rund 80 Bewerbern hatten die Chance erhalten, ihre Ideen einem Publikum und der siebenköpfigen Jury zu präsentieren.

„Förderzusagen gab es für Friedas Gästehaus aus Klettgau [...] allerdings unter Vorbehalt: Ein großes Projekt, für das die Initiatoren bis Ende 2026 die Anschubfinanzierung nachweisen müssen, um die zugesagte Förderung in Höhe von 100.000 Euro zu erhalten.“

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