Thomas Wehrli

Elisabeth Burgener, Fricktaler Mitglied des Kantonsparlaments und bis im Juni Co-Präsidentin der SP (Sozialdemokratischen Partei) Aargau, ist schockiert über den massiven Stellenabbau bei Novartis. "Das ist eine absolute Katastrophe." Es gehe dem Unternehmen nur um Gewinnmaximierung, ist sie überzeugt. "Auf der Strecke bleiben die Mitarbeitenden." Sie würden für das Geld geopfert.

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Dass Stellen nun in Billiglohnländer verlagert werden, "sagt alles". "Das Unternehmen nimmt seine soziale Verantwortung absolut nicht mehr wahr", so Burgener. Sie kenne mehrere Leute, die bei Novartis arbeiten. "Sie bangen jetzt um ihre Zukunft."

"Die Protestkultur ist uns abhandengekommen"

Schockiert ist Burgener auch, dass der Regierungsrat offensichtlich erst kurz vor der Bekanntgabe informiert wurde. "Das ist schlechter Stil." Sie erwartet von der Kantonsregierung, dass sie sich gegen den Abbau wehrt. Der Widerstand müsse aber auch ganz handfest sichtbar werden, fordert sie. "Man müsste jetzt auf die Straße gehen." Sie weiß allerdings selber, dass dies kaum geschehen wird. "Die Protestkultur ist uns abhandengekommen." Die Gewerkschaften seien zwar da und würden sich für die Mitarbeitenden stark machen. "Vielen Leuten fehlt aber heute das gewerkschaftliche Denken. Das braucht es für den Widerstand aber."

Andere Branchen ansiedeln

Erstaunt über das Vorgehen von Novartis ist auch Großrat Alfons P. Kaufmann (CVP – Christliche Volkspartei). Zuerst künde Novartis vor drei Wochen den Aufbau von bis zu 450 Stellen an, nun den Abbau von 700 Stellen. Er sei sich nicht mehr sicher, was hier laufe. Sicher ist er sich aber, was er von Novartis erwartet: Dass möglicht viele Mitarbeitende umgeschult werden und dass der Abbau so sozialverträglich wie möglich erfolgt, was für ihn heißt: "Der Abbau muss so weit wie möglich über Frühpensionierungen und natürliche Fluktuationen vorgenommen werden." Zudem stehe Novartis in der Pflicht, den Mitarbeitenden beizustehen. "Hinter den Mitarbeitenden steht auch eine Familie", sagt Kaufmann. Vom Regierungsrat erwartet er, dass er interveniert, weiß aber gleichzeitig, dass diesem weitgehend die Hände gebunden sind. "Es ist letztendlich ein unternehmerischer Entscheid."

Aufgabe der Politik sei es umso mehr, gute Rahmenbedingungen für Arbeitgeber ebenso wie Arbeitnehmer zu schaffen. "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass unser Wirtschaftsstandort viel zu bieten hat." Stabilität, gute Bildung und Rechtssicherheit seien Pluspunkte, die es auszuspielen und langfristig zu sichern gelte. "Mit dem Sisslerfeld haben wir eine große und gute Zukunft."

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Gleichzeitig gelte es aber auch, zu diversifizieren. "Die Pharma ist wichtig und gut, sie stellt aber auch ein Klumpenrisiko dar." Wenn es gelinge, vermehrt auch noch andere Branchen im Fricktal anzusiedeln, "so hilft uns das, das Klumpenrisiko abzufedern".

Schwierige Stellensuche

Großrat Christoph Riner (SVP – Schweizer Volkspartei) ist ebenfalls geschockt. Mit einem Stellenabbau in dieser Größenordnung hat er nicht gerechnet. "Dieser Schritt verursacht bei vielen Betroffenen viel Leid", sagt er. Es seien auch viele Familien betroffen, für die nun eine Zeit der Verunsicherung beginne.

Riner teilt dabei die Einschätzung von anderen Politikern, die entlassenen Mitarbeiter würden schnell wieder eine Stelle finden, nicht. "Das hängt sehr von der jeweiligen Qualifikation ab", sagt er. Er glaube, dass es für viele hart werde, eine neue Stelle zu finden. Besonders stoßend findet Riner, dass nun Arbeitsplätze von der Schweiz in Billiglohnländer verlagert werden. "Es läuft etwas falsch, wenn die Medikamente in Billiglohnländern produziert und dann in die Schweiz importiert werden."

Von der Kantonsregierung erwartet Riner, dass sie sich für die Arbeitsplätze im Aargau stark macht, ist sich aber zugleich wie Kaufmann bewusst: "Am Schluss interessiert es das Unternehmen wenig, was die Regierung will. Sie fällt ihre Entscheide autonom." Riner nimmt denn auch Novartis in die Pflicht: "Das Unternehmen darf die betroffenen Mitarbeitenden nicht im Regen stehen lassen."

Auch für die Region sei die Nachricht "sehr, sehr schlecht", sagt Riner. "Jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, fehlt." Auswirkungen habe der Stellenabbau zudem auf die Gemeinden, die weniger Einnahmen generieren werden.

Rasche Klarheit gefordert

Als "schlechte Nachricht" für den Pharmastandort Fricktal wertet Daniel Suter, für die FDP (Freisinnig Demokratische Partei) im Kantionsparlament und Gemeindeammann von Frick, den Stellenabbau. "Die Pharmaindustrie war und ist im Fricktal seit Jahrzehnten sehr erfolgreich und ein verlässlicher Arbeitgeber, weshalb ein solch großer Stellenabbau nicht zu erwarten war."

Von Novartis erwartet Suter, dass "alle Mitarbeitenden an den betroffenen Standorten rasch Klarheit über ihre konkrete berufliche Zukunft haben". Außerdem fordert Suter, dass beim Stellenabbau ein großzügiger Sozialplan angeboten wird und "schließlich hoffe ich, dass möglichst viele Personen innerhalb des Konzerns in Divisionen, bei denen ein Stellenausbau im Gang ist, eine neue Stelle finden".

Der Stellenabbau sei für jeden einzelnen Angestellten, der betroffen sei, "ein harter Schlag", sagt Suter. Dennoch dürfe man das stabile wirtschaftliche Umfeld und den robusten Arbeitsmarkt in der Schweiz und namentlich im Fricktal nicht vergessen. "Die Hoffnung ist daher begründet, dass möglichst viele Personen wieder eine gute Anstellung finden werden."

Ein gewisses Verständnis hat Suter für Novartis. Der Konzern stehe – wie unzählige Schweizer Firmen – in einem hart umkämpften internationalen Wettbewerb. "Dazu gehört es, sich ständig den neuen Entwicklungen am Markt anzupassen und Maßnahmen nicht erst einzuleiten, wenn schon Verluste geschrieben werden." Zugleich sei es Aufgabe von Novartis als verantwortungsvolle Arbeitgeberin, "wie schon bei früheren Anpassungen sozialverträgliche Lösungen zu finden".