Schwalben gelten als Sommerboten. Kehren die Zugvögel aus ihrem Winterquartier zurück zu uns an den Hochrhein, gilt das als sicheres Zeichen, dass auch der Sommer bald zurück ist.
Doch bislang lassen die sommerlichen Temperaturen auf sich warten und auch von den Flugakrobaten ist noch nicht viel zu sehen. „Aktuell kommen nur vereinzelt Tiere an und beziehen die Nester“, sagt Rudi Apel, Vorsitzender des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Gruppe Görwihl. Er leitet die baden-württembergische Schwalbenkoordinationsstelle des Nabu und gilt deutschlandweit als Experte.
Einzelne Tiere statt ganzer Schwärme
Er beobachtet mit Sorge die Entwicklung in den vergangenen Jahren: „Früher erreichten ganze Schwärme der Vögel die Region. Und das bereits ab Anfang April. 2019 ist nun bereits das zweite Jahr in Folge, dass sich die Schwalben am Hochrhein und in ganz Deutschland verspäten.“

Das wirke sich wiederum negativ auf den ohnehin geschrumpften Bestand aus. Treffen die Schwalben zu spät ein, können sie nur einmal brüten und ihren Nachwuchs aufziehen und die Populationen werden kleiner.
Kälte und Unwetter sind Hindernis
Die Hauptursache für das Ausbleiben der Vögel sei laut Apel das schlechte Wetter und die Kälte im Mittelmeerraum im März und April gewesen: „In Spanien und Griechenland war es sehr kalt und es gab heftige Unwetter. Das hat wahrscheinlich die Vögel gestoppt und sie konnten nicht weiterfliegen. Darum ist auch mit hohen Verlusten zu rechnen, denn bei extremen Wetterbedingungen schaffen nur die stärksten Vögel die Route nach Norden.“
Zahl der Vögel sinkt um 35 Prozent
Ein Rückgang um 35 Prozent bei den Mehlschwalben und 27 Prozent bei den Rauchschwalben sei im Vorjahr festgestellt worden. Apel erläutert: „Das sind Zahlen, die auf Beobachtungen der Vogelwarte beruhen, aber sie haben sich in der Vergangenheit immer als sehr verlässlicher Trend erwiesen, der dann auch wissenschaftlich belegt wurde.“
Bei allen Zugvogelarten sei seit Jahren ein deutlicher Rückgang der Bestände auszumachen, so Apel. Raubtiere, darunter auch Hauskatzen, und Glasscheiben seien darüber hinaus die größten Gefahren für die Vögel, aber auch der Singvogelfang sei nach wie vor ein Problem, erklärt Apel.
Vögel finden weniger Nistplätze
Vor allem die Mehlschwalben sind im Sommer am Hochrhein zu Hause. Man erkennt sie an der weißen Färbung des Bauches und der Beine. „Außerdem leben in unserer Region auch Rauchschwalben. Doch dieser Schwalbenart gehen die Nistplätze aus. Sie leben bevorzugt in Ställen und von denen gibt es immer weniger“, sagt Rudi Apel. Geeignete Kunstnester gibt es aber für beide Arten.
Wichtige Hinweise darüber, wie es um die Rückkehr der Schwalben vor Ort steht, liefern Beobachtungen von als „schwalbenfreundlich“ ausgezeichneten Gebäuden in der Region. Eine bundesweite Auszeichnung, die der Nabu an Gebäude vergibt, die bestimmte schwalbenfreundliche Kriterien erfüllen, vor allem aber Nester bieten. Derzeit ist Rudi Apel viel in der Region unterwegs, hält engen Kontakt zu Hausbesitzern am gesamten Hochrhein und zu den Vogelwarten.

„In Tiengen beispielsweise sind an einem Schwalbenhaus mittlerweile alle Nester belegt, doch an anderen Orten sind die Vögel praktisch noch gar nicht zurück.“
So sei noch keines der 60 Nester an einem Haus in Titisee-Neustadt von Mehlschwalben bezogen worden und auch in Bad Säckingen seien die Nester normalerweise zu dieser Zeit schon voll belegt. Doch der Rundgang um den Wohnblock in Obersäckingen bringt Gewissheit: „Hier ist keine Schwalbe zu sehen“, sagt Experte Apel und wirft einen sorgenvollen Blick in Richtung Dachvorsprung, wo sich die Nester befinden.

„Außerdem sieht es aus, als ob einige der Nester entfernt worden seien“, sagt Apel und ergänzt: „Auch das ist ein Problem für die Tiere.“
Schwalbennester dürfen nicht entfernt werden
Und nicht nur ein Problem, sondern auch gesetzlich verboten. Denn die im Volksmund als Glücksbringer bezeichneten Schwalben zählen nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie zu den geschützten Arten. Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes regelt unter anderem, dass Schwalbennester nicht entfernt werden dürfen – auch nicht deren Überreste. Wird beispielsweise eine Fassade saniert, müssen neue künstliche Nester an den Stellen der ursprünglichen Schwalbennester angebracht werden.
Wenn Nester in der Zeit zwischen 1. April und 30. September entfernt werden, kann es sogar richtig teuer werden: Mit einem Bußgeld in Höhe von mehreren Tausend Euro ist laut Apel zu rechnen. Er schränkt ein: „Aber natürlich muss es Beweise geben.“
Nestbau immer schwieriger
Schwalben können bis zu zwölf Jahre alt werden, sieben bis acht Jahre sind die Regel. Zum Brüten kehren sie in ihr bestehendes Nest des Vorjahres zurück. Ist das nicht mehr vorhanden, müssen Sie ein neues bauen. „Doch auch das wird immer schwieriger“, sagt Apel. Die Vögel fänden weniger geeignete Plätze und das Baumaterial werde immer knapper.
Die Lage des Schwalbenhauses in Obersäckingen biete laut Apel aufgrund der Nähe zum Rhein und der ruhigen Lage gute Bedingungen. Bleibt zu hoffen, dass die Zugvögel bald eintreffen – und mit ihnen der Sommer. Rudi Apel rechnet damit, dass alle Schwalben bis Mitte Juni den Hochrhein erreicht haben werden.