Heidenfelsen, Hunnenloch, Pirschweg, Schanz, Totenbühl, Hohlgasse – das alles sind Namen, denen wir hin und wieder begegnen und die bis heute nichts von ihrer Rätselhaftigkeit eingebüßt haben. Ihre Bedeutung sowie ihre Veränderung im Lauf der Zeit ist eines von vielen Themen aus der Frühgeschichte, mit denen sich der für seine Krimis bekannte Autor Roland Weis aus Neustadt beschäftigt – zuerst mit dem 2013 erschienenen Buch "Magisch – mystisch – megalithisch", seit Herbst 2016 mit dem Nachfolger "Der Hotzenweg – eine frühgeschichtliche Route vom Hochrhein ins Donaugebiet".
Im ersten Buch äußert er die Vermutung, dass es eine prähistorische Wegverbindung zwischen Hochrhein und Donauquellen gegeben haben muss. Im zweiten Buch begibt er sich auf ausgedehnte Spurensuche: Teile des Weges würden sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen lassen, behauptet er. Seine Blütezeit soll der Weg im 1. und 2. vorchristlichen Jahrtausend, in der Bronze- und Eisenzeit gehabt haben, so Weis. "Danach", vermutet er, "ist der Weg in seiner Bedeutung herabgesunken". Dabei habe es sich keinesfalls um einen Kutschenweg, sondern um einen Fußweg gehandelt. "Er stammt aus einer Zeit, in der es bestenfalls Reiter gab", erklärt Weis.
Der Autor ist überzeugt, dass der Schwarzwald entgegen herkömmlicher Annahmen nicht erst im Mittelalter besiedelt worden ist. Er stützt sich auf frühgeschichtliche Fundstätten und Artefakte entlang des Weges, den er als "Hotzenweg" bezeichnet – "ein Phantasiename", wie er gesteht. "Man kann auch Kelten- oder Heidenweg sagen", ergänzt er. Seine These: Der Hotzenwald bildet den natürlichen Korridor zwischen dem Quellgebiet der Donau und dem unterhalb des Rheinfalls und des Laufens schiffbaren Rhein. Weil über Jahrtausende hinweg zuerst nomadisierende Jägergruppen, dann wandernde Bauerngemeinschaften, schließlich erste Händler entlang der Donau vom Schwarzen Meer ins Zentrum Europas vorstießen, stellte der Hotzenwald für sie die kürzeste und bequemste Verbindung zum zweiten großen zentraleuropäischen Flusssystem dar.
Alles nur Theorie? Roland Weis hat im Spätsommer 2014 damit begonnen, die einzelnen Wegabschnitte zu Fuß abzugehen, "Kilometer für Kilometer". Hunderte legte er zurück, von Wallbach, einer alten Rheinfurt, bis zum Magdalenenberg bei Villingen, einem keltischen Fürstengrab. Weis orientierte sich an alten Wegmarken, an Gewannnamen sowie an der Topographie. Dann hat er sich an die Arbeit gemacht. Das Ergebnis ist ein 176 seitiges, großformatiges Geschichts- und Wanderbuch. Darin stellt Weis die knapp 100 Kilometer lange Gesamtstrecke in 21 Etappen vor. Zu jedem Kapitel gehören eine bebilderte Streckenkarte und zahlreiche Fotografien. Roland Weis macht exakte Angaben über das Höhenprofil und die Länge der einzelnen Unterabschnitte, weist auf steinzeitliche und frühgeschichtliche Fundstätten sowie Artefakte entlang der Route hin.
Durch die Häufigkeit der Funde sieht er seine Idee vom Hotzenweg belegt. "Es sind Indizien, die ich zusammenlege", sagt Roland Weis.
Indizien hat er bereits in seinem ersten Buch zusammengelegt. Darin geht er unter anderem auf die Wühren, die künstlichen Wasserläufe, ein. Deren Herkunft ist bis heute umstritten. Weis bezeichnet die Kanäle als "so rätselhaft wie faszinierend". Er vertritt die Meinung, dass die Wuhren bereits vor der Ansiedlung von Handwerksbetrieben vorhanden waren und nicht, wie in der Lehrbuchwissenschaft gerne behauptet, in umgekehrter zeitlicher Folge. "Wegen der Wuhren stellten sich die Schmelzen und Schmieden auf", sagt er – und bringt zum Beispiel das Heidenwuhr in der Gemeinde Rickenbach aufgrund seines Namens mit vorchristlichen Bewohnern in Verbindung. Weis: "Es muss sich um ein vorchristliches Bewässerungssystem handeln. Aber welche Heiden es waren, bleibt spekulativ."
Waren es die gallorömische Bevölkerung, die Römer, gar die Kelten? Fragen, die der Autor zu beantworten versucht – mit teils überraschenden Antworten, die doch manche feste Ansicht ins Wanken bringen können. Auch andere Thesen stellt Weis auf den Prüfstand. Der promovierte Historiker präsentiert in seinen beiden Büchern eine breite Palette mit Phänomenen aus der vorchristlichen Vergangenheit in Süd- und Hochschwarzwald. Er berichtet von Monumentalbauten, von Schalensteinen, heiligen Hainen und Grenzwissenschaften. Gegen Ende nimmt er die Leser in die Welt der Sagen und Mysterien mit. In seinem Schlusswort stellt er die Frage, ob der Schwarzwald wie häufig behauptet "eine unwirtliche Insel war, um die herum all die Jahrtausende hinweg die Menschen einen Bogen gemacht haben?" Seine Antwort: "Das mag glauben, wer will."
Roland Weis hat nach der umfangreichen Arbeit an den beiden Büchern noch lange nicht genug. Für den Rombach-Verlag verfasst er einen Wanderführer "Zeitreise durch den Hochschwarzwald". Darin will er prominente Wanderrouten vorstellen und die historische Vergangenheit von Gebäuden, Plätzen und Anlagen entlang der Routen unter die Lupe nehmen. Erscheinungstermin ist für das Frühjahr 2017 vorgesehen. Und: "Ich plane danach als nächstes ein gut illustriertes Buch über die Burgen im Hochschwarzwald", verrät er.
Zu Person und Bücher
- Zur Person: Roland Weis, geboren 1958 in St. Georgen/Schwarzwald, ist promovierter Historiker und gelernter Redakteur. Er leitet die Unternehmenskommunikation beim Energie- und Umweltdienstleister Badenova und schreibt in seiner Freizeit Schwarzwaldkrimis sowie Sachbücher zur Geschichte des Schwarzwaldes. Informationen im Internet: www.roland-weis.de
- Die Bücher: "Der Hotzenweg – eine frühgeschichtliche Route vom Hochrhein ins Donaugebiet" ist 2016 im Rombach-Verlag erschienen, hat 176 Seiten und kostet 28 Euro. Für Roland Weis führt der "Hotzenweg" von der Rheinfurt in Wallbach bei Bad Säckingen, steigt auf nach Rickenbach, führt südlich von Herrischried am Gugelberg vorbei, überwindet Berg und Tal bis nach Dachsberg, quert das Albtal bei St. Blasien und passiert am Schluchsee seine Passhöhe, ehe er über Lenzkirch, Rötenbach und Mistelbrunn das Bregtal erreicht und von dort dem keltischen Fürstensitz Magdalenenberg bei Villingen zustrebt. Streckenkarten und Wegbeschreibungen laden zur eigenen Erkundungstour ein. Bereits 2013 ist "Magisch-Mystisch-Megalithisch" ebenfalls im Rombach-Verlag erschienen. Von Roland Weis stammt außerdem das 2009 erschienene Buch "Der Hochschwarzwald – Von der Eiszeit bis heute".