Kaum eine Eisenbahnlinie besitzt solch eine vielfältige Geschichte wie die „Wutachtalbahn“. Als im Zuge der Industrialisierung Europas Mitte des 19. Jahrhunderts die Schweiz die norditalienischen Wirtschaftszentren mit einer Bahnlinie über den Gotthard in den Raum Basel und weiter nach Norden verbinden wollte, entstand im damaligen Großherzogtum Baden, das 1852 die Hochrheinstrecke eröffnet hatte, der Plan, den Verkehr statt entlang dem Oberrhein, mitten durchs Land zu ziehen. Da damals die einzige Eisenbahnbrücke zwischen Basel und Konstanz über Koblenz/Waldshut führte, wollte man – unter finanzieller Beteiligung an der Gotthardbahn – eine Linie über Oberlauchringen nach Donaueschingen ziehen. Die Badener begannen mit dem Bau entlang der Wutach und kamen 1876 bis Weizen. Die Fortsetzung im Gelände erschien dann äußerst problematisch und die Schweiz entschied sich für die Strecke über Basel ins Oberrheintal. Damit blieb es vorerst, wie es war – die Wutachtalbahn brachte jedoch einen Aufschwung in die Region.
Mobilmachung mit der Eisenbahn
Zuvor – 1870/71 – hatte ein Krieg zwischen Preußen und den verbündeten deutschen Kleinstaaten gegen Frankreich zum als „deutsch“ gefeierten Sieg geführt und danach wurde das (erste) Deutsche Reich gegründet. Der 70-jährige Generalstabschef Hellmuth von Moltke, der „weiße Schlachtenlenker“, hatte erkannt, dass eine Mobilmachung am schnellsten mit der Eisenbahn zu bewerkstelligen war und die französische Heerführung damit überrascht. Das Reich verleibte sich Elsass und Lothringen ein und damit war der nächste Krieg vorprogrammiert.

Es war klar, dass man im Südwesten Truppen und Geschütze aus dem württembergisch-bayrischen Hinterland wegen der Schwarzwald-Barriere nach einer Mobilmachung nicht auf der Hochrheinbahn transportieren konnte, da diese mehrfach über schweizerisches Gebiet führte. Und da nunmehr dem Reich die „Landesvertheidigung“ oblag, wurden ab 1880 „Strategische Bahnen zur Umgehung des Schweizergebiets“ geplant und 1887 bis 1890 gebaut. Diese „Umgehung“ betraf zwei kleinere Teilstrecken im Kanton Basel und vor allem die Umgehung des Kantons Schaffhausen von Immendingen über Zollhaus-Blumberg zur „Wutachtalbahn“.
Volksmund spricht von Kanonenbahn
Der Volksmund nannte die Linie durch den Fützener Talkessel schlicht „Kanonenbahn“, denn ihr kurios anmutender Verlauf war dem Umstand geschuldet, dass die schweren Geschütze hier nur mit geringsten Steigungen (und vor allem Abfahrten) von 1 Prozent transportiert werden konnten. Der Bau war ein außerordentlicher organisatorischer und technischer Kraftakt seitens des Landes Baden; in drei Jahren stand alles mit Tunneln und Viadukten, das Reich bezahlte und der Kostenvoranschlag wurde lediglich um 1,5 Prozent überschritten.
Militärverkehr rollt
Am 1. August 1914 erfolgten fast gleichzeitig die französische und die deutsche Kriegserklärung und nun rollte ausschließlich der Militärverkehr. Die Wutachtalbahn transportierte das XIV. Armeekorps mit badischen Truppen und das XIV. Reservekorps mit Württembergern und Bayern an die Elsass-Front – es gelang gerade noch, den französischen Angriff abzufangen und damit auch badisches Gebiet zu schützen. Auch danach war die „Kanonenbahn“ pausenlos in Betrieb: Nachschub, Truppenaustausch, Lazarettzüge und zur Demobilisierung Ende 1918 die Rückführung der Truppen.
Vollauslastung als Bergwerkstadt
Zwischen den Weltkriegen wurde es ruhig, doch als die Frankreich 1923 das Rheinland vorübergehend besetzte, nahm der Personen- und Wirtschaftsverkehr in Nord-Süd-Richtung die Wutachtalbahn. Unter den Nazis stand die Bahn wieder in Vollauslastung, denn Blumberg war in drei Jahren von 700 auf 6000 Einwohner zur „Bergwerkstadt“ gepuscht worden und das unergiebige dortige Erz rollte im Namen von „Wirtschaftsautonomie“ zu den Saarhütten. 1942 wurde die Sache ohne Rücksicht auf die Bevölkerung abrupt wieder eingestellt, denn man hatte ertragreichere Bergwerke in Lothringen und der Ukraine erobert.
Alliierte greifen Bahnen in Grenznähe nicht an
Im Zweiten Weltkrieg benötigte die Schweiz zu ihrer Versorgung die ‚deutsche Kohle‘ und musste deshalb auch die Kohlenzüge von Deutschland nach Italien (25 bis 30 täglich) durchs Land rollen lassen. „Wehrmachtsgüter“ allerdings durften nicht durchs Land (und damit nicht auf die Hochrheinstrecke) – diese liefen wieder über die Strategische Umgehungsbahn. Die Alliierten – nachdem sie schon einige Male die Schweiz „versehentlich“ bombardiert hatten –, griffen die Bahnen in Grenznähe nicht an. Nachdem die Wehrmacht 1944 aus Frankreich zurückweichen musste, liefen wochenlang „Räumungszüge“ mit Wehrmachtsgütern über die Strecke. Die Kanonenbahn hatte aus militärischer Sicht in beiden Kriegen ihren Zweck erfüllt. Eine Demontage der Bahnen durch die französischen Besatzer verhinderte ab 1945 die Schweiz. Sie wurden dann eben für den Abtransport riesiger Mengen geschlagenen Holzes und weiterer Güter nach Frankreich verwendet.
Widerstand gegen Rückbau
In der Nachkriegszeit blickte die Deutsche Bundesbahn (DB) nur noch auf die Finanzierung und der Betrieb wurde 1955 eingestellt – es folgten jahrelange Proteste der Bevölkerung mit einem Höhepunkt 1957 in Blumberg, doch die Rettung kam von der NATO, denn der verschärfte Ost-West-Konflikt brachte eine Sanierung aus dem Etat des Verteidigungsministeriums (1962 bis 1965). 1974 liefen die Zuschüsse aus, 1976 plante die DB gar den Rückbau – und traf auf massiven Widerstand. Binnen eines Jahres brachten die Blumberger, deutsch-schweizerische Eisenbahnfreunde und intern auch DB-Mitarbeiter den Plan einer Museumsbahn ins Gespräch: Und am 12. Mai 1977 fuhr der erste Museumszug.
Sauschwänzlebahn
Die nun mit dem Namen „Sauschwänzlebahn“ als friedlich deklarierte Strecke zwischen Blumberg und Weizen wurde von dem Verein der Eisenbahnfreunde mit einem Museum aufgebaut, 2011 von der Stadt Blumberg übernommen, deren Bahnbetriebe Blumberg GmbH 2014 die Strecke von Weizen bis zum Anschluss an die Schwarzwaldbahn bei Hintschingen kauften und die Verbindung von Weizen bis zum Bahnhof Lauchringen von der DB gepachtet haben. Die Bahnbetriebe richteten seit September 2018 mit Unterstützung von DB, Land und der Gemeinde Wutöschingen einen Schülerverkehr von Waldshut bis Wutöschingen/Eggingen ein und bemühen sich um eine Erweiterung bis Weizen. Der Fahrplan im Internet (www.sauschwaenzlebahn.de).