Das erste Familienbild mit dem Neugeborenen ist für alle Eltern ein ganz besonderes Andenken. Für Mütter und Väter von Sternenkindern sind diese gemeinsamen Stunden und die Erinnerung daran wohl noch wertvoller. Denn es steht unumstößlich fest: Es werden keine weiteren Bilder, kein gemeinsames Leben und keine gemeinsame Zukunft mit diesem Kind folgen. Damit zumindest die Erinnerung bleibt, setzen sich Fotografen ein, die das Sternenkind in diesen ersten und letzten gemeinsamen Momenten fotografieren. Sie werden Sternenkinderfotografen genannt und ihr Service ist kostenlos.

Emotionale Situationen

Eine dieser Fotografinnen ist Nadja Osieka aus Rheinfelden. Sie sagt über ihr ehrenamtliches Engagement: „Jeder Einsatz ist einzigartig und die Schicksale berühren die Seele“. Oft laufen auch bei ihr die Tränen, während sie, meistens im Krankenhaus, die verstorbenen Kinder fotografiert. Mittlerweile sind es mehr als zehn Sternenkinder-Einsätze, auf die die 31-Jährige zurückblickt.

Nadja Osieka (31) aus Rheinfelden ist Fotografin. Ehrenamtlich engagiert sie sich für die Organisation "Dein Sternenkind". Sie ...
Nadja Osieka (31) aus Rheinfelden ist Fotografin. Ehrenamtlich engagiert sie sich für die Organisation "Dein Sternenkind". Sie fotografiert auf Wunsch der Eltern deren verstorbene Babys. Ein Angebot, das für die Eltern kostenlos ist. | Bild: Nadja Osieka

Portraits, Familienshootings und romantische Hochzeitsbilder: Normalerweise sind es Glücksmomente und das blühende Leben, das Profifotografin Nadja Osieka aufnimmt. Dennoch: „Für mich sind die Sternenkinderaufnahmen aber ebenso wertvoll", betont sie und erklärt, dass der Widerspruch dabei gar nicht so groß sei: "Im Grunde geht es immer darum, unvergessliche Momente in Bildern festzuhalten." Das sei allen Anlässen im Leben gemeinsam. „Bei den Eltern von Sternenkindern ist es eben so, dass die gemeinsamen Momente, so wahnsinnig begrenzt sind“, sagt Osieka.

"Ja, es ist hochemotional. Natürlich für die Eltern, aber auch für mich ist das nicht nur ein Job", sagt die 31-Jährige. Sie weint mit den Eltern, teilt Emotionen, schenkt Erinnerungen: "Ich mache das ehrenamtlich, weil ich als Mensch, dem es gut geht, auch etwas zurückgeben möchte."

Bild 2: Wenige Momente mit dem verstorbenen Baby müssen den Eltern für ein ganzes Leben reichen: Eine Fotografin erzählt über ihre Sternenkind-Einsätze
Bild: Kai Gebel, Dein-Sternenkind

Die Organisation dieser Tätigkeit läuft in Deutschland über den Verein "Dein Sternenkind". Zum Teil mehrmals im Monat ertönt der Alarm der App auf dem Handy der Fotografin und zeigt einen Einsatz an. In welcher Schwangerschaftswoche das Kind zur Welt kam, ob es schon geboren ist, und wo. Ein paar grundlegende Informationen, mehr nicht.

Freiwillige Entscheidung

„Natürlich kann ich auch ablehnen.“ Darin sieht sie einen Vorteil: „Ich kann mich zu 100 Prozent freiwillig dafür entscheiden, das können Hebammen, Ärzte und Pflegepersonal nicht“, gibt sie zu bedenken. Auch wenn sie versucht, alle Anfragen zu übernehmen, so hat sie doch eine klare persönliche Grenze: „Ich gehe nicht zu Abtreibungen!" Ja, erklärt sie auf Nachfrage, auch solche Anfragen gebe es. Glücklicherweise nur sehr selten.

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Natürlich sei es vor allem Trauer, die die Stunden des Einsatzes bestimmt, aber auch das Glück und der Stolz über das eigene Kind, sei bei vielen Sterneneltern zu spüren. "Ich bin dankbar für diese Momente. Es sind sehr intime Erlebnisse für die Familien."

Eine große emotionale Herausforderung, der sie sich nach eigenen Angaben am Hochrhein praktisch alleine stellt: „In Freiburg gibt es mittlerweile Kollegen, die Einsätze übernehmen, aber im Raum Lörrach und Waldshut täte Unterstützung gut.“ Neben der Tätigkeit für die deutsche Organisation "Dein Sternenkind" ist sie auch im Nachbarland aktiv und unterstützt die Schweizer Organisation "Herzensbilder".

Nicht überall trifft die Rheinfelderin mit ihrem ehrenamtlichen Engegement auf Verständnis. Manchmal werde sie auch gefragt, ob es auch abschreckende Anblicke gäbe. Osieka verneint und betont mit Nachdruck: „Was ist denn schön? Wer definiert denn Schönheit? Das Kind der Eltern ist immer schön! Es kann gar nicht anders sein.“

Bild 3: Wenige Momente mit dem verstorbenen Baby müssen den Eltern für ein ganzes Leben reichen: Eine Fotografin erzählt über ihre Sternenkind-Einsätze
Bild: Kai Gebel, Dein-Sternenkind

Diese Schönheit und die Einzigartigkeit der kurzen Momente als Familie einzufangen, das ist Nadja Osiekas Ziel. Es den Eltern zu ermöglichen, diese kostbaren Stunden in sich aufzusaugen und im Bild festzuhalten.

Ihrer Erfahrung nach ist es sehr unterschiedlich, wie Eltern mit dem Verlust ihres Kindes umgehen. Manche bleiben auf Abstand zum Leichnam, wollen gar nicht dabei sein, wenn die Bilder gemacht werden. Andere wiegen und tragen das Sternchen dicht am Körper, kosten jeden Moment der Nähe aus. „Jede Form hat ihre Berechtigung und alles ist richtig“, sagt Osieka.

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Für die Fotografin ist es wichtig, dass sich die ganze Familie respektvoll behandelt fühlt und ernstgenommen wird. „Ich frage beispielsweise oft nach, ob es Geschwisterkinder gibt, die dazukommen möchten“ sagt Osieka. Für die Fotografin ist es selbstverständlich, diese mit einzubeziehen: "Kinder kommen mit dem Tod eigentlich immer erstaunlich gut klar." Zusätzlich gebe es Informationsmaterial wie Bücher, die es den Kindern leichter machen, mit der Situation umzugehen. "Man darf nicht vergessen, dass oft auch die Geschwisterkinder einen Verlust erleiden."

Der schwierigste Einsatz

Einer ihrer schwierigsten Einsätze liegt noch nicht lange zurück. Nadja Osieka wurde auf eine Intensivstation für Frühgeborene gerufen und sollte das kleine Baby fotografieren, wie es an Maschinen angeschlossen dalag. Irgendwo zwischen Leben und Tod. Als sie dort war, entschieden die Eltern, die lebensverlängernden Maßnahmen einzustellen und die Maschinen abzuschalten. „Sie baten mich, dabei zu bleiben“, erinnert sich die Fotografin. Dabei sein, wenn das Baby stirbt?

Osieka willigte ein und begleitete Eltern und Baby viereinhalb Stunden mit der Kamera, bis das Kind zu den Sternen reiste: „Wir waren in einem separaten Raum und der Abschied war sehr würdevoll.“ Das sei leider nicht immer der Fall: "Mit dem Thema wird auch in den Kliniken sehr unterschiedlich umgegangen. Vor allem beim Vergleich von Deutschland und der Schweiz, kann man große Unterschiede feststellen."

Bild 4: Wenige Momente mit dem verstorbenen Baby müssen den Eltern für ein ganzes Leben reichen: Eine Fotografin erzählt über ihre Sternenkind-Einsätze
Bild: Kai gebel, Dein-Sternenkind

Bei aller Emotionalität spielt für Nadja Osieka auch das Thema Abstand eine Rolle: „Es ist wichtig, dass man sich nicht in den anderen Schicksalen verliert.“ Darum ist es für sie wichtig, nach jedem Einsatz selbst wieder zu sich zu finden. „Was mir hilft, ist dabei ganz unterschiedlich. Manchmal muss ich unter Menschen, manchmal halte ich auf der Heimfahrt an und weine ganz alleine für mich.“ Danach geht es für Sie zurück in den Alltag. Das sind ihre zwei Kinder, ihr Mann und ihre Arbeit als Fotografin.

Der Service kostet nichts

Der Service von "Dein Sternenkind" ist für die Eltern komplett kostenlos. Sie bekommen die Bilder zugeschickt. „Ich achte darauf, dass sie so verpackt sind, dass der Umschlag auch erst zur Seite gelegt werden kann. Denn wann die Eltern bereit sind, die Bilder anzuschauen, ist ganz individuell. Mir hat eine Sternenmama einmal gesagt, sie habe sie noch nie angeschaut, aber es sei einfach wichtig zu wissen, dass es sie gibt.“ Die Fotografien sind das, was übrig bleibt vom Traum einer gemeinsamen Zukunft. Wie Nadja Osieka es ausdrückt: "Es ist das Letzte, das bleibt.“

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