Stirbt ein Kind noch im Mutterleib oder nach der Geburt, wiegt der Verlust für die Eltern dieses so genannten "Sternenkindes" schwer und die Trauer groß. Eine sehr schwierige Zeit für die Betroffenen. Hanna Günther ist Seelsorgerin, steht in engem Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe für Sterneneltern, und unterstützt Menschen als Klinikseelsorgerin am Klinikum Hochrhein in Waldshut. Ihre Beobachtung: Häufig stehen Freunde und Bekannte vor vielen Fragen. Was kann man der Kollegin sagen, die kürzlich noch einen dicken Bauch hatte, nun aber kein lebendiges Kind? Wie verhält man sich richtig? Und was sollte man keinesfalls sagen?
Hanna Günther weiß: "Menschen sind in ihrer Trauer höchst unterschiedlich." Der – nicht unwahrscheinliche – Verlust eines Kindes während der Frühschwangerschaft, also bis zur 12. Schwangerschaftswoche, könne die eine Mutter relativ gut verkraften, für eine andere breche die Welt zusammen.
Sprachlosigkeit artikulieren
In vielen Fällen haben die Eltern sich schon sehr früh auf das Baby gefreut, eine Zukunft geplant. Insbesondere im fortgeschrittenen Stadium einer Schwangerschaft ist die Bindung dann noch enger: Bewegungen im Bauch werden spürbar, zarte Tritte, Schluckauf. Eine intime Beziehung von Eltern und Ungeborenem. Aber auch eine, die andere nicht geteilt haben.

Hier sieht Hanna Günther eine grundlegende Schwierigkeit: "Für das Umfeld ist das Baby völlig unbekannt. Es gibt keine gemeinsamen Erinnerungen, keine Trauer um einen gemeinsam erlebten Menschen." Darum rät sie im Umgang mit Eltern von Sternenkindern: "Die Grundregel lautet: So ehrlich damit umgehen, wie möglich und Sprachlosigkeit artikulieren."
1. Was sollte ich keinesfalls sagen?
Es gibt Floskeln und Formulierungen, die man nicht sagen sollte. "Manche Äußerungen trösten nicht und können den Trauernden sogar zusätzlich verletzen", sagt Hanna Günther. Dazu zählen Sätze wie beispielsweise: "Vielleicht ist es besser so."; "Das nächste Mal klappt es bestimmt."; "Ihr müsst nach vorne schauen."; "Ihr seid ja noch jung."
2. Bei welchen Formulierungen sollte ich vorsichtig sein?
Seelsorgerin Günther nennt zwei Beispiele: "Du musst dich ja schlecht fühlen": Dieser Satz impliziert einen Zwang und auch, dass "schlecht fühlen" das einzig Angebrachte ist. "Vielleicht empfindet die Person aber gerade Wut, oder – und das ist höchst individuell – sieht sogar wieder etwas Licht am Horizont und fühlt sich gar nicht mehr einfach nur schlecht", gibt Hanna Günther zu bedenken.
"Wie geht es dir?": Eine einfache Frage aus dem Bereich der Standardfloskeln, doch Trauernden diese Frage zu stellen, sollte man nur, wenn man die Antwort auch aushalten kann. Sie könnte "schlecht" lauten, beispielsweise. Oder es könnte eine längere Erzählung folgen. Ganz wichtig: Wenn der oder die Angesprochene die Antwort ablehnt, muss man dies akzeptieren, betont die Seelsorgerin: "Dann bin ich als Fragender einfach nicht die Person, mit der der Trauernde über seine Gefühle sprechen möchte." Günther rät dazu, dies niemals persönlich zu nehmen.
3. Was könnte ich sagen?
Hanna Günther rät dazu, so ehrlich wie möglich zu sein und auch zu artikulieren, wenn es schwer fällt, überhaupt etwas zu sagen: "Mir fehlen die Worte." "Ich weiß nicht, was ich sagen soll."
Manche Eltern möchten über ihr Kind sprechen, andere gar nicht. "Das muss man respektieren", sagt die Seelsorgerin. Darum rät sie zu fragen: "Darf ich euch eine Frage stellen?" oder "Ist es euch Recht, wenn...?" Aber auch hier gilt es, die Antwort aushalten zu können und zu wollen.
4. Was hilft trauernden Eltern?
Hanna Günther gibt zu bedenken: "Trauer ist individuell. Es gibt eine Riesenbandbreite an Trauerreaktionen. Jede Reaktion, auch eine schroffe, hat ihre Berechtigung." Wer trauernden Eltern helfen möchte, sollte vor allem Rückhalt geben und da sein, wenn er gebraucht wird: "Hin und wieder eine Nachricht schicken, und wenn es nur ein simples 'Ich denke an euch' ist, und keine Antwort erwarten."
Hilfreich sei auch Unterstützung durch enge Freunde bei Alltagsdingen. Hanna Günther rät aber zur Vorsicht vor der Floskel: "Melde dich, wenn du etwas brauchst." Das werde in der Regel nicht passieren, dafür seien die Trauernden häufig gar nicht in der Lage. Für Außenstehende schwierig, aber nicht unmöglich, wie die Seelsorgerin ausführt: "Man sollte sich nicht aufdrängen, aber, je nach Situation, ohne viel Aufhebens handeln. Das Wichtigste ist es, sensibel zu bleiben."
Rat und Trost
- Gedenkstätten für Sternenkinder gibt es in Bad Säckingen (Waldfriedhof), Dogern (Friedhof), Wehr (Friedhof), Tiengen (Friedhof).
- Klinikseelsorgerin Hanna Günther am Spital Hochrhein koordiniert die Trauerbegleitung für Sterneneltern und vermittelt den Kontakt zur Trauergruppe "Schmetterling". Sie ist per E-Mail an h.guenther@st-verena.de oder Telefon 07751/85-4345 erreichbar.
- Ein Gedenktag, der weltweit begangen wird, versucht, Hinterbliebenen in der Adventszeit Halt zu geben. Er findet seit Mitte der 90er Jahre statt, jeweils am zweiten Sonntag im Dezember. Entstanden in den USA, wird an diesem Tag zu einem „Worldwide Candlelighting“ ermuntert. Die Betroffenen stellen im Gedenken an verstorbene Kinder um 19 Uhr Kerzen ins Fenster, weltweit.
- Gottesdienst: Anlässlich des Weltgedenktages für verstorbene Kinder findet jedes Jahr am Hochrhein ein ökumenischer Gedenkgottesdienst am zweiten Sonntag im Dezember in der evangelischen Matthäuskirche in Lauchringen statt. Eingeladen sind alle Eltern, Familien, Freunde und Bezugspersonen, die ein Kind verloren haben, aber auch alle, die Trost suchen und um einen Menschen trauern.