Intakte Beziehung erleichtert vieles
Die Pubertät ist häufig für alle Beteiligten eine schwere Zeit, am meisten jedoch für denjenigen, der sie am eigenen Leib durchlebt. "Jugendliche befinden sich in dieser Phase wie auf einer Wippe", sagt Dieter Scheibler, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle in Bad Säckingen.
Da seien einerseits die körperlichen und hormonellen Veränderungen, andererseits das immer stärker werdende Streben nach Autonomie und zugleich auch der weiterhin vorhandene Versorgungsanspruch. Man wolle sich austoben und Bedürfnisse befriedigen – und sei doch noch weiterhin auf die Eltern angewiesen. Abgesehen davon fehle der Weitblick, um die Konsequenzen des eigenen Tuns zu überblicken.

"In dieser Phase ist es äußerst wichtig, das Eltern einfach präsent sind, und es ein intaktes Beziehungsfundament gibt, das auch dann Bestand hat, wenn Probleme auftauchen", so Scheibler weiter.
Von besonderer Bedeutung sei, miteinander im Gespräch zu bleiben und sich auszutauschen: "Eltern sollten Interesse daran zeigen, was das heranwachsende Kind bewegt und womit es sich beschäftigt", so Scheibler. Das sollte aber im Dialog geschehen, nicht in Form von Vorträgen, Vorwürfen oder gar Verhören.
Ähnlich sieht das auch der Jugendsachbearbeiter der Polizei: "Nur wenn man seinem Kind zuhört und sich Zeit nimmt, bemerkt man auch, wenn es sich verändert", sagt Wolfgang Schick, Jugendsachbearbeiter des Polizeireviers Bad Säckingen. Verschließt sich der oder die Heranwachsende plötzlich bei bestimmten Themen, werden Informationen zum Tagesablauf mit einem Mal spärlich? Das können laut Schick Anzeichen für eine Wesensveränderung sein.

Übergang auf weiterführende Schule bringt Herausforderungen
Eine große Sorge vieler Eltern ist, dass das Kind in schlechte Gesellschaft geraten könnte – und eben so auf die schiefe Bahn gerät.
Gerade nach dem Übergang auf eine weiterführende Schule ergeben sich diesbezüglich durchaus neue Möglichkeiten, aber auch Risiken, sagt Wolfgang Schick. Der überschaubare, geschützte Rahmen der Grundschule fällt weg. Zwangsläufig ergeben sich für Kinder auch Kontakte zu älteren Mitschülern, die durchaus auch als Vorbilder wahrgenommen werden.
Daran sei an sich nichts auszusetzen, betont Schick. Aber es gebe Grenzen: "Hellhörig sollten Eltern werden, wenn mein Zwölfjähriger plötzlich regelmäßig mit deutlich älteren Jugendlichen abhängt. Das ist einfach nicht normal", sagt Schick.
Hier sollten Eltern im Blick behalten, ob das eigene Kind möglicherweise nur ausgenutzt werden. Im Extremfall könne das soweit gehen, dass Ältere die Jüngeren zu Diebstählen nötigen, weil diese noch nicht strafmündig sind. Auch kommen erste Kontakte mit Alkohol, Zigaretten oder Rauschmitteln häufig über ältere Mitschüler zustande.
Dieter Scheibler empfiehlt gleichwohl, auch Freunde, die man selbst als unangebracht empfindet, nicht pauschal abzuurteilen. Opposition bewirke häufig, dass Kinder sich heimlich mit ihren Freunden treffen, oder sich eben einfach verschließen.
Besser sei es zu versuchen, sich in die Perspektive seines Kindes zu versetzen: "Man sollte sich ehrlich fragen, was einen Freund für mein Kind interessant macht." Seine Sorgen sollte man dennoch auch offen ansprechen.

Oberstes Gebot: Nur keine Panik
Aber selbst wenn Eltern mit den besten Absichten ans Werk gehen: Man könne sein Kind weder vor allen potentiellen Gefahren abschirmen noch verhindern, dass es irgendwann einmal Grenzen überschreitet, sagt Dieter Scheibler.
Wichtig für Eltern sei es, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn sich derartige Grenzüberschreitungen ereignen – etwa wenn das Kind betrunken von einer Party zurückkommt, von der die Eltern gar nichts wussten. Oder wenn tatsächlich ein Anruf von der Polizei kommt, weil der Sohn oder die Tochter beim Ladendiebstahl erwischt wurde.
Das bedeute aber nicht, dass alles zu tolerieren, betonen Wolfgang Schick und Dieter Scheibler. Es komme vielmehr auf das richtige Timing an.
"Es sollte klar sein, dass es Grenzen gibt, und dass deren Überschreitung empfindliche Konsequenzen hat", bringt es Schick auf den Punkt. Klassische erzieherische Maßnahmen, wie Handyverbot oder das Verdonnern zu Hausarbeiten, seien durchaus probate Mittel. Doch es müsse alles im Verhältnis zum Vorfall stehen: "Wenn ein Kind einmal im Laden klaut, ist es noch lange nicht kriminell, und so sollte es auch nicht behandelt werden. Aber es muss etwas daraus lernen." Und das schaffen Eltern am ehesten, in dem sie konsequent sind, gerade wenn das Kind noch nicht strafmündig ist.
Ist die Strafmündigkeit erreicht, sieht die Sache ohnehin anders aus, denn dann gebe es Sozialstunden bei Verstößen wie Ladendiebstahl. Diese müssen übrigens in der Ferienzeit abgeleistet werden müssen.
Dies trage nach Ansicht von Wolfgang Schick durchaus dazu bei, dass die aller meisten Jugendlichen höchstens einmal mit dem Gesetz in Konflikt gerate. Tatsächlich zeige die Erfahrung, dass über 90 Prozent der Jugendlichen ihre Konsequenzen daraus ziehen und sich keinen zweiten Fehltritt erlauben.
Und wenn es häufiger zu Grenzüberschreitungen kommt?
Es gebe immer einen gewissen Prozentsatz, Schick spricht von drei bis fünf Prozent, der "beratungsresistent" sei und zwangsläufig immer wieder auffällig werde. "Da ist häufig kein Unrechtsbewusstsein vorhanden, und es fehlt die Unterstützung vom Elternhaus."
Darüber hinaus gebe es aber auch einen Anteil von zwei bis drei Prozent, die auch ein zweites oder drittes Mal das Gesetz übertreten. In solchen Fällen gibt es ein breites Angebot an Hilfen für Jugendliche und Eltern. Beratung und Gespräche seien die Hauptstoßrichtung.
Im Rahmen der psychologischen Beratung könne aber durchaus auch untersucht werden, ob tiefgreifendere Probleme vorliegen, die möglicherweise eine stationäre Betreuung erfordern. "Ziel aller Maßnahmen ist es, den Jugendlichen wieder in die konventionellen Strukturen einzubinden, nicht ihn zu bestrafen", erklärt Dieter Scheibler.
Das Jugendamt schaltet sich in der Regel dann ein, wenn ein Kind zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit mit dem Gesetz in Konflikt gerät, schildert Wolfgang Schick. Auch dessen Priorität liegt darauf, im Zusammenspiel mit den Betroffenen und anderen Stellen Lösungswege zu suchen. Möglichkeiten seien etwa Beratungsangebote, Gespräche oder auch den Einsatz eines Familienhelfers.
Gemeinsam ist all diesen Maßnahmen, dass einerseits ein hohes Maß an Bereitschaft zur Veränderung bei allen Beteiligten vorhanden sein sollte, um den gewünschten Erfolg zu erzielen, andererseits ist aber auch eine gehörige Portion Geduld notwendig. Denn die Arbeit an der Gesamtsitutation brauche Zeit: "Aber manchmal muss man es auch einfach aushalten, dass es für ein Problem keine unmittelbare Lösung gibt."