Eine Gleitschirmfliegerin rauscht in die Hängebrücke und bleibt dort hängen. Hilflos – 100 Meter über dem Abgrund. Das Leben der Fliegerin hängt nur noch an einem Fetzen Stoff.

So ein Szenario ist bedrohlich, aber durchaus realistisch. Diesmal ist es nur eine Übung der Bergwacht Schwarzwald – zum Glück.

Die Bergretter müssen auf alles gefasst sein

Wohl nicht erst seit der Eröffnung der neuen Touristenattraktion über den Wasserfällen in Todtnau macht sich auch die Bergwacht Gedanken darüber, was da alles passieren kann. Klar ist: Die Einsatzkräfte müssen auf alles gefasst und vorbereitet sein.

Schon spannend, wie so eine Rettung funktioniert. Das zeigen die Bilder.

Bergretter auf dem Marsch zur Hängebrücke.
Bergretter auf dem Marsch zur Hängebrücke. | Bild: Bergwacht Schwarzwald

Einsatzleiter Christoph Iwertowski von der Ortsgruppe Notschrei der Bergwacht Schwarzwald beschreibt auf SÜDKURIER-Nachfrage, wie die Übung gelaufen ist, worauf es ankommt und mit welchen Herausforderungen die Einsatzkräfte zu kämpfen haben.

Sie waren an der Übung an der Brücke beteiligt

15 Bergretter, unter anderem auch von den Ortsgruppen Notschrei und Todtnau, waren an der Übung beteiligt, so Iwertowski. Darunter auch junge Bergwachtmitglieder, die noch in der Ausbildung seien.

Diese Ausrüstung ist für den Einsatz nötig

Eine Stunde dauerte der Übungseinsatz. Er beinhaltete im Wesentlichen zwei Teile: die Rettung von der Brücke mittels Ablassen in das Steilgelände und der Transport aus dem Gelände bis zum Übergabepunkt, wo der Rettungsdienst bereit stand. „Beide Teile haben ungefähr dieselbe Zeit in Anspruch genommen“, schreibt Iwertowski.

Bergretter mit ihren Einsatzfahrzeugen stehen an der Hängebrücke bereit.
Bergretter mit ihren Einsatzfahrzeugen stehen an der Hängebrücke bereit. | Bild: Bergwacht Schwarzwald

Für einen solchen brauche es mindestens zwei Gruppen, die jeweils mit einem Bergrettungsfahrzeug anrücken. Um die Retter zum Verunglückten hinunter zu lassen, sei ein spezielles Bremssystem aus der Höhenrettung eingesetzt worden.

Die Verunglückte liegt auf einer Gebirgstrage, betreut von den Helfern. Mit einem Flasschenzugsystem wird die Trage nach oben gezogen.
Die Verunglückte liegt auf einer Gebirgstrage, betreut von den Helfern. Mit einem Flasschenzugsystem wird die Trage nach oben gezogen. | Bild: Bergwacht Schwarzwald

Endlich am Boden, legten die Retter die verunglückte Gleitschirmfliegerin auf eine Gebirgstrage. Die wurde samt der Verunglückten mit einem Flaschenzugsystem nach oben zur Straße befördert. Übrigens: Die Rolle der Gleitschirmfliegerin hatte Stefanie Thoma übernommen, die selbst Mitglied der Bergwacht ist.

Vor diesen Herausforderungen stehen die Bergretter

„Was hier ein großes Problem sein kann, sind scharfe Kanten, die unsere Seile und unsere Sicherheitsmaterialien im schlimmsten Fall zerschneiden können“, erklärt Iwertowski im Filmbeitrag. Zur SÜDKURIER-Nachfrage geht er ins Detail.

Die Bergretter meistern die Herausforderung.
Die Bergretter meistern die Herausforderung. | Bild: Bergwacht Schwarzwald

Eine besondere Schwierigkeit an der 450 Meter langen Hängebrücke sei die Struktur. Sie biete wenige sogenannte Anschlagspunkte für die Verankerungen der Bergwacht. Das Tragseil der Brücke mit einen Durchmesser von 77 Millimeter sei der einzige durchgängige Anschlagspunkt.

„Das Tragseil ist an den wenigsten Stellen vom Steg aus erreichbar. Der Abstand zur Besucherplattform beträgt zwei bis 16 Meter“, schreibt Iwertowski weiter. Für den Verankerungsbau musste laut seinen Schilderungen ein Seil über das Tragseil geschossen werden. An dem konnten die Anschlagspunkte in Position gebracht werden.

Schon Wahnsinn, dieser Anblick: Einsatz in Schwindel erregender Höhe.
Schon Wahnsinn, dieser Anblick: Einsatz in Schwindel erregender Höhe. | Bild: Bergwacht Schwarzwald

Eine weitere Besonderheit: Die Abseilhöhe von über 100 Metern sei eher ungewöhnlich für den Schwarzwald. Deshalb hatten die Bergretter innerhalb einer Woche (Iwertowski: „Das ist eine sehr kurze Zeit.“) ein Rettungskonzept und eine Gefährdungsbeurteilung erarbeitet. Iwertowski: „Dazu werden im Anschluss weitere Bergretter, auch aus den umliegenden Ortsgruppen, geschult.“

Die Einsatzkräfte haben eine weitere Erkenntnis gewonnen. Die Person, die an die an der Brücke hängt, nehme die Schwingungen und Schwankungen der Struktur deutlich stärker wahr als die Personen auf der Brücke.

So viel Respekt flößt das Bauwerk über dem Wasserfall ein

Iwertowski klingt fast schon lässig, wenn er schreibt: „Bergretter sind es gewohnt, in ausgesetzter Umgebung zu arbeiten. Wichtig ist die direkte Umgebung – die muss sicher sein.“ Dann sei es unwichtig, ob die Retter an einer 15 Meter hohen Felswand oder auf einer 120 Meter hohen Brücke stünden. Aber er gesteht: „Ich denk, man kann sagen, 120 Meter Luft unter den Füßen sind trotzdem nichts Alltägliches.“

Iwertowskis Fazit: „Wir haben ein funktionierendes System und sind für Rettungsaktionen an dieser Brücke gerüstet – die hoffentlich aber nie notwendig werden.“ Projektleiter Roland Haag von der Firma Blackforestline hält ein solches Szenario mit einem Gleitschirmflieger eher für unwahrscheinlich: „Aber es ist auch für uns wichtig, dass die Bergwacht so etwas übt.“

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