Hat eine Hausarztpraxis im Wutachtal Andrea Zürcher aus Stühlingen den Hausarztvertrag gekündigt, weil sie für die AfD für den Bundestag kandidiert? Dies hatte die Stühlingerin, die auch stellvertretende Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Konstanz ist, in Form einer Pressemitteilung erklärt. Ihr bisheriger Hausarzt wolle sie nur noch in Notfällen behandeln. Da sich die Praxis nicht zu diesem Vorgang äußern will, bleibt die Sachlage diffus.

Andrea Zürcher
Andrea Zürcher | Bild: Steinert, Kerstin

Die AfD-Politikerin schreibt zu dem Vorfall in einer Pressemitteilung: „Am 18. Februar 2021, im Nachgang eines notwendig gewordenen Arztbesuches in der Gemeinschaftspraxis von Herrn Dr. Haarmann und Frau Kau in Stühlingen, wurde Frau Andrea Zürcher mündlich von beiden anwesenden Ärzten mitgeteilt, dass die Praxis den abgeschlossenen Hausarztvertrag aufkündigt und sie zukünftig nur noch im Rahmen einer medizinischen Notfallversorgung eine Behandlung erfahren würde, da die Ärzte von der Mitgliedschaft und Kandidatur für die Alternative für Deutschland zum Bundestag aus der Presse erfahren haben.“

Ärzte äußern sich nicht

Die Ärzte der Praxis wollen sich nicht zu dem Vorfall äußern. Auf Nachfrage des SÜDKURIER erklärten sie per E-Mail: „Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir bezüglich Ihrer Anfrage keine Stellung nehmen können, da wir der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.“

Andrea Zürcher, die als enge Vertraute der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Alice Weidel, gilt, hat nach eigener Aussage Strafanzeige gestellt und schreibt auf Nachfrage: „Nach der Stellung der Strafanzeige haben weder ich noch mein Rechtsbeistand einen Zwischenbericht der zuständigen Staatsanwaltschaft erhalten, folglich kann ich zum Stand der Ermittlung keine profunden Angaben machen.“

Auch die zuständige Krankenkasse äußert sich zu diesem Vorfall lediglich in allgemeiner Form: „Die AOK Baden-Württemberg erwartet von den Ärztinnen und Ärzten im Land grundsätzlich, dass sie ihre Patienten bestmöglich behandeln – ohne Ansehen der Person und ihrer weltanschaulichen, politischen und religiösen Überzeugungen. Der von Ihnen angesprochene Fall ist nach Auffassung der AOK Baden-Württemberg vorrangig unter berufsrechtlichen Aspekten zu klären und zu bewerten. Die Zuständigkeit liegt hier bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg beziehungsweise der betreffenden Bezirksärztekammer.“

Anspruch auf Behandlung

Für die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg erklärt deren Mediensprecher Kai Sonntag auf Anfrage: „Solange eine Praxis eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung hat, ist sie auch zur Teilnahme an der Versorgung verpflichtet. Das bedeutet, dass Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung einen Behandlungsanspruch haben. Den darf ein Vertragsarzt nur aus bestimmten Gründen verweigern, etwa aus Kapazitätsgründen.“ Eine Verweigerung aus weltanschaulichen, religiösen oder parteipolitischen Gründen sei nicht zulässig. Im Prinzip gebe es nur zwei Gründe, aus denen eine Behandlung verweigert werden könne: „Da ist zum einen Kapazität. Und zum anderen kann ein gestörtes Arzt-Patienten-Verhältnis angegeben werden. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Patient in der Praxis randaliert oder sich grundsätzlich weigert, die vorgeschlagene Therapie zu verfolgen. Aber das ist weit von den Gründen entfernt [...] und muss immer auch im Einzelfall begründet werden.“

Das Arzt-Patienten-Verhältnis „ist ein von gegenseitigem Vertrauen getragenes, persönliches Verhältnis“, schreibt die Landesärztekammer auf Nachfrage. Und: „Ärztinnen und Ärzte sind daher nach dem Leitbild der Berufsordnung in Paragraph 7 Absatz 2 frei zu entscheiden, wen sie behandeln wollen.“ Allerdings könne die ärztliche Behandlungspflicht enden, wenn der Arzt selbst die Behandlung abbricht. „Hierzu ist jeder Arzt berechtigt, wenn das Vertrauensverhältnis zum Patienten grundlegend gestört ist“, schreibt die Landesärztekammer auf Nachfrage. Berufsrechtlich sei dem Arzt ein erheblicher Ermessensspielraum zu belassen, ob eine entsprechende Situation gegeben und insbesondere die Frage einer etwaigen Zerrüttung des gebotenen Vertrauensverhältnisses vorliege.

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