Herr Kistler, die Corona-Krise hat nicht nur das Leben der Menschen im Landkreis Waldshut bestimmt, sondern auch die Mitarbeiter des Landratsamtes gefordert. Wie beurteilen Sie rückblickend die vergangenen Monate?

Es war bisher ein intensives Jahr in einer unwirklichen, fast schon surrealen Situation. An Herausforderungen hat es in den sechs Jahren meiner Amtszeit nicht gemangelt. Ich erinnere nur an die Flüchtlingssituation 2015/16. Das war damals zunächst eine logistische und organisatorische Herausforderung. Die Corona-Krise hat indes alle Lebensbereiche durchzogen. Aber rückblickend kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit allen entscheidenden Stellen sehr gut funktioniert hat.

Corona-Krise: Die Corona-Krise hat alle Lebensbereiche durchzogen. Hier im Bild der Aufbau der Fieberambulanz in der Chilbi-Sporthalle ...
Corona-Krise: Die Corona-Krise hat alle Lebensbereiche durchzogen. Hier im Bild der Aufbau der Fieberambulanz in der Chilbi-Sporthalle in Waldshut. | Bild: Stefan Stern

Unser Verwaltungsstab in Zusammenarbeit mit dem Führungsstab und den Hilfsorganisationen, das Gesundheitsamt wie alle übrigen Mitarbeiter des Landratsamtes haben die Herausforderungen glänzend gemeistert. Zudem hat der Landkreis als Ganzes seine Stärken ausgespielt, Bürgermeister und Rathäuser machen eine tolle Arbeit und das Klinikum Hochrhein hat große strukturelle Stärke und medizinische Kompetenz an den Tag gelegt. Es war bislang ein besonderes Jahr.

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Das größte Projekt, das ganz in der Hand des Landkreises liegt, ist der Bau eines neuen Zentralkrankenhauses in Albbruck. Wie weit ist das Großprojekt gediehen, wo steht es derzeit?

Wir sind sehr gut unterwegs und bewegen uns weiter im Zeitplan, auch wenn noch viele Hausaufgaben zu erledigen sind. Schön ist, dass die Gemeinde Albbruck parallel zügig arbeitet. Dort werden aktuell die baurechtlichen Voraussetzungen für das Projekt geschaffen. Auch wenn wir viel Arbeitskraft in die Bewältigung der Corona-Krise investieren mussten, hat die Arbeit am Zentralkrankenhaus nie gestockt. Aber der Bau ist nur die eine Seite. Gleichzeitig müssen wir das Krankenhaus in Waldshut über die Jahre weiter entwickeln, dass wir mit einem guten und passenden Betrieb in das neue Haus einziehen können.

Martin Kistler ist seit 2014 Landrat des Landkreises Waldshut
Martin Kistler ist seit 2014 Landrat des Landkreises Waldshut | Bild: Baier, Markus

Wann wird dies im Idealfall sein und in welchem Kostenrahmen bewegen sich die aktuellen Planungen?

Die Planungen sehen vor, dass das neue Haus 2028 seinen Betrieb aufnehmen wird. Wir haben aber den Ehrgeiz, diese Zeitplanung nach Möglichkeit zu verkürzen. Eine verlässliche Kostenfeststellung ist in der frühen Projektphase, in der wir uns aktuell befinden noch nicht möglich. Ohne Detailplanungen zum Gebäude kann das noch nicht erfolgen. Die vorläufige Investitionskostenschätzung sieht aber für das Bauwerk einen Betrag von 195 Millionen Euro vor. Zuschläge für Unvorhergesehenes und Baupreissteigerungen werden unvermeidbar sein. In der Summe werden wir uns voraussichtlich in einem Rahmen von rund 250 bis 280 Millionen Euro bewegen. Ich betone aber, dass es sich um eine erste Schätzung in einer frühen Planungsphase handelt.

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Was sind die nächsten Schritte hin zu einem neuen Zentralklinikum für den Landkreis?

Vermutlich werden wir noch in diesem Jahr entscheiden, welches wettbewerbliche Verfahren es für die Architektur des neuen Hauses geben soll. Anfang 2021 wollen wir Klarheit haben, wie wir uns die Fläche an der B 34 in Albbruck vorstellen können.

Es gibt immer wieder Stimmen, die die Notwendigkeit eines neuen Zentralklinikums in Frage stellen. Steht das geplante Zentralspital auf der Kippe?

Ganz klar nein! Die Corona-Krise hat es uns deutlich vor Augen geführt, dass sowohl ganz kleine Einheiten keine Chance haben und, dass es nur mit wenigen Maximalversorgern auch nicht geht. Deshalb sind wir mit einem starken Haus in der Fläche genau richtig unterwegs. Um es deutlich zu sagen: Das Zentralklinikum für den Landkreis Waldshut wird kommen, am Neubau führt kein Weg vorbei. Damit das neue Haus erfolgreich sein kann, brauchen wir aber schon vorher moderne Behandlungsmethoden. Dazu wird uns der vorgesehene Interimsanbau an das Krankenhaus in Waldshut helfen. Er wird die Brücke zum Neubau werden. Baubeginn wird noch in diesem Herbst sein. Und, was auch wichtig ist: Das Land Baden-Württemberg bestärkt und ermutigt uns, das neue Zentralklinikum zu bauen.

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Was sagen Sie zu Forderungen, insbesondere in Krisenzeiten betroffenen Regionen mehr Kompetenzen einzuräumen – Stichwort Grenzschließung während der Corona-Krise?

Grundsätzlich würde ich abgestimmte, regionale Lösungen begrüßen, wenn es zum Beispiel darum geht die Grenze zur Schweiz zu schließen. Eine solche Maßnahme sollte nur das letzte Mittel sein, insbesondere hier bei uns, wo das Leben einfach grenzüberschreitend stattfindet. Das hat Berlin jüngst leider so nicht gesehen. Ich möchte aber auch betonen, dass es gerade Föderalismus und Subsidiarität, also kommunale Selbstverantwortung, waren, die uns gut durch die Krise gebracht haben.

Vanessa Edmeier, die Geschäftsführerin der Hochrhein-Kommission, hat zur Bewältigung künftiger Krisenzeiten einen Passierschein für die Bewohner dies- und jenseits des Hochrheins vorgeschlagen. Was halten Sie von dieser Idee?

Ein Passierschein kann nur die ultima ratio, also die letzte Möglichkeit des Handelns sein. Wir müssen alles daran setzen, dass es nicht zu einer solchen Situation kommt. Deshalb gilt es für künftige Szenarien, das Schließen der Grenze hin zur Schweiz zu verhindern.

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