Die Bilanz ist erschütternd: „Jährlich werden im Hotzenwald fast 100 Rehkitze bei der Silo- oder Heumahd durch die Mähwerke der Landwirtschaftsmaschinen getötet“, berichtet Bernhard Huber, Jagdpächter in Oberwihl.

Das Problem: Die Kitze haben in den ersten vier Wochen kein Fluchtverhalten, sondern einen Drückinstinkt. Sie verlassen sich auf ihre Tarnung und drücken sich ins hohe Gras. Wenn die schnellen und breiten Mähmaschinen heranfahren, haben sie keine Chance. Eine Gefahr nicht nur für das Jungtier selbst: „Wird das getötete Tier in die Silage aufgenommen, ist der Viehbestand durch Bakterien stark gefährdet“, erklärt Huber weiter.

Dieses Rehkitz haben Jäger Bernhard Huber und Manfred Rünzi mit einer Drohne im hohen Gras gefunden.
Dieses Rehkitz haben Jäger Bernhard Huber und Manfred Rünzi mit einer Drohne im hohen Gras gefunden. | Bild: Privat

Nun hat er zusammen mit Jagdkollege und Ehrenkreisjägermeister Manfred Rünzi unter Nutzung zweier Drohnen mit Wärmebildkameras einen Weg gefunden, dem Tod in den Wiesen Einhalt zu bieten. Huber und Rünzi bilden die Rehkitzrettung Hotzenwald, die Drohnen haben sie in diesem Frühjahr gekauft. Damit können die warmen Kitze am frühen Morgen im kalten Gras gefunden und aus der zu mähenden Wiese getragen werden.

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„Das gelingt aber nur, wenn die Landwirte die Jagdpächter am Tag zuvor verständigen, damit sie am Morgen vor der Mahd tätig werden können“, stellen Huber und Rünzi klar. Die Rehkitzrettung Hotzenwald hat für ihr Engagement beim großen Nachhaltigkeitswettbewerb von Sparkasse Hochrhein und SÜDKURIER Medienhaus 2020 den Hauptgewinn in Höhe von 3000 Euro erhalten.

In diesem Frühjahr waren Huber und Rünzi bis Anfang Juni an zehn Morgen im Hotzenwald, zwei Mal auch in Rotzel, im Einsatz. Voraussichtlich in dieser Woche wollen sie Wiesen in Rickenbach nach Rehkitzen absuchen. Vier Kitze konnten sie bislang orten und vor dem Tod durch die Mähwerke retten. Los geht es immer um 5 Uhr in der Früh, wenn das Gras noch kalt ist. Die Drohnen können im Wiesenüberflug die Kitze (Oberflächentemperatur: rund 20 Grad) mittels Wärmebildkameras ausmachen.

Einsatz am frühen Morgen: Jungjäger Stephan Jehle (links) rettet mit Manfred Rünzi ein Rehkitz vor dem Mähtod.
Einsatz am frühen Morgen: Jungjäger Stephan Jehle (links) rettet mit Manfred Rünzi ein Rehkitz vor dem Mähtod. | Bild: Peter Schütz

Die Tiere werden daraufhin von Helfern geborgen und im Jutesack oder Korb aus dem zu mähenden Feld getragen. Nach der Mahd werden sie markiert und wieder freigelassen. Damit die Kitze nicht mit den Händen ihrer Retter in Berührung kommen, benutzen diese Grasbüschel.

Fluchtinstinkt setzt erst nach zwei Wochen ein

Die Hauptsetzzeit – der Zeitraum, in dem die Rehkitze geboren werden – sind Mai und Juni. Die jungen Kitze sind noch geruchsarm und können von Feinden, die nach dem Geruchssinn gehen, nicht aufgefunden werden. Bei Gefahr drückt sich das Jungtier auf den Boden und bleibt reglos liegen – deshalb der Begriff Drückinstinkt. Nach der zweiten Lebenswoche setzt der Fluchtinstinkt ein. Das Rehkitz rennt bei Gefahr weg. Bei den heutzutage eingesetzten Mähmaschinen ist jedoch nicht gewährleistet, dass die Flucht gelingt.

Bernhard Huber und Manfred Rünzi absolvierten im Oktober 2019 in Stuttgart einen zweitägigen Kurs für den Drohnenführerschein. Er war auch deshalb erforderlich, weil die beiden Piloten einen Kenntnisnachweis benötigen und über die gesetzlichen Richtlinien Bescheid wissen müssen. Die Bedienung der Drohnen sei alles andere als einfach, berichten sie, „schwerer als Autofahren“, so Manfred Rünzi. Ihre Aufgabe bedingt einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand, aber: „Er wird sich für den Arten- und Tierschutz langfristig lohnen“, sind Huber und Rünzi überzeugt.

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