Über Jahrzehnte hinweg hatte Wolfgang Gabrin eine 60-Stunden-Woche, als er 1987 an den Hochrhein kam und sich als selbstständiger Tierarzt im Dettighofener Ortsteil Eichberg niederließ. Hinzu kam der nächtliche Bereitschaftsdienst und die damit verbundene ständige Erreichbarkeit.
Heute arbeitet der mittlerweile 68-Jährige nach eigenen Aussagen noch immer 40 Stunden in der Woche. „Wenn man so lange mit Herzblut dabei war, ist es schwer davon wegzukommen“, gesteht er sich selbst ein. Sein Ziel: Bis zum 70. Lebensjahr ganz aus dem Beruf auszusteigen.
Immer weniger selbstständige Tierärzte
Es gibt immer weniger Menschen, die solch ein Arbeitspensum auf sich nehmen wollen. Gabrin weiß, seine Generation hat sich selbst ausgebeutet. Wie in anderen Berufen auch, seien immer weniger Fachkräfte dazu bereit, selbstständig zu arbeiten. „Selbstständigkeit ist eben mit viel Arbeit behaftet.“ Angestellte hingegen hätten mehr Freizeit, einen besseren Schutz bei Krankheit und begrenzte Arbeitszeiten.
Was aber bedeutet das für die tierärztliche Versorgung am Hochrhein? Die Zahl der selbstständigen Tierärzte nehme immer weiter ab. „Für uns ändert sich die Struktur“, erklärt Wolfgang Gabrin. Früher habe es deutlich mehr Einzelpraxen gegeben – sogenannte Ein-Mann-Praxen, wie sie der 68-Jährige nennt – heute hingegen würden Konglomerate viele dieser Praxen aufkaufen.
Gabrin landet einen Glücksgriff
Auch der Tierarzt aus Dettighofen hat seine Praxis 2021 an Altano verkauft, weil er bis dahin keinen Nachfolger gefunden hatte. Neben seiner Praxis gehören bereits weitere Praxen am Hochrhein zu diesem Konglomerat, wie etwa die Tierklinik Partners in Wehr oder die Tierarztpraxis in Laufenburg.
Schließlich kam es doch zum „Glücksgriff.“ Seit Mai 2022 ist Sara Zbick festes Teammitglied in der Dettighofener Tierarztpraxis. Sie studierte in München Tiermedizin und reiste zunächst für ein Praktikum an den Hochrhein. Hier habe sie Einblicke in alle Bereiche ihres Berufs bekommen und sich fest in das Umfeld integriert: „Es hat einfach alles gut gepasst.“
Nach ganzen sechs Jahren Großstadt zog sie auf das Land. „Die Freizeitaktivitäten sind in der Stadt schon besser“, muss sie im Nachhinein zugeben. Hier sei sie von ihrem Auto abhängig. Aus ihrer Erfahrung wisse sie außerdem, dass das Leben auf dem Land unter jungen Tierärzten als weniger erstrebenswert wie das in der Stadt gelte.
Zu wenig Geld für zu hohen Einsatz
„Besonders dramatisch ist die Tierarzt-Situation bei landwirtschaftlichen Nutztieren“, weiß Tierärztin Sabine Kiewitt. Sie arbeitet in einer Praxis in Laufenburg, die ebenfalls der Altano-Gruppe angehört. Ihre eigenen Erfahrungen decken sich mit denen von Wolfgang Gabrin: Grund für den Tierärztemangel seien vor allem die Arbeitsbedingungen und das verhältnismäßig geringe Gehalt.
„Es gibt eine Lücke zwischen der ständigen Erreichbarkeit und dem, was finanziell geboten wird“, macht Kiewitt deutlich. Das mache den Beruf zumindest auf der deutschen Rheinseite unattraktiv. Weil die Bezahlung in der Schweiz besser aussehe, würden „Ärzte, die von weit weg herkommen, bei einem Umzug die zusätzlichen zwei Kilometer in Kauf nehmen und direkt in die Schweiz wechseln.“
Patienten sind genug vorhanden
Auch Kiewitt suche für die Praxis in Laufenburg händeringend nach Unterstützung. „Es waren bis vor wenigen Jahren immer zwei bis drei Ärzte hier tätig“, erinnert sich die Veterinärmedizinerin. Mittlerweile sei sie alleine. Dabei sei das Aufkommen an Patienten da. „Teilweise müssen wir sogar Patienten ablehnen.“ Und die tiermedizinische Versorgung werde sich weiter verschärfen: „Momentan sieht es vor allem für kleine, freie Praxen schlecht aus.“
Für Sabine Kiewitt jedenfalls ist und bleibt ihre Tätigkeit als Tierärztin trotz der Schwierigkeiten eine Berufung.