Wenige Autos stehen auf den Firmenparkplätzen. Ein paar Angestellte verlieren sich in den Bürogebäuden. Sie sind fast alleine. Die meisten arbeiten zu Hause und erledigen ihre Aufgaben aus der Ferne. Besprechungen und Konferenzen laufen über das Telefon und die Online-Kanäle.
Ruhe an Bürotischen und in den Fluren
Keine Frage, die Verbreitung des Corona-Virus‚ hat die Arbeitswelt und Unternehmenskultur schnell und stark verändert. Während in den Produktionsstätten noch reger Betrieb herrscht, ist es an den Bürotischen und auf den Fluren in den Verwaltungsgebäuden ruhig. Die Unternehmen werden mehr oder weniger fern gesteuert.
Wir haben bei großen, namhaften Unternehmen und einem Dienstleister in der Region nachgefragt, wie sie ihre Arbeitsabläufe in der Corona-Krise angepasst und verändert haben. Unisono berichten sie: „Der Schutz der Mitarbeiter steht an oberster Stelle.“
Eigenes Ampelsystem bei Sto
Till Stahlbusch, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Firma Sto mit Sitz in Stühlingen-Weizen, klingt überzeugt: „Sto ist vorbildlich unterwegs. Wo es möglich ist, arbeiten unsere Beschäftigten zu Hause.“ Kein Chef im Haus würde seine Mitarbeiter, die auch von daheim aus arbeiten können, ins Büro zitieren. Nur, wer in seiner Wohnung eine schlechte Internetverbindung hat, kommt in die Firma.
Das Unternehmen hat in der internen Kommunikation ein eigenes vierfarbiges Ampelsystem, von grün über gelb und orange bis rot, eingeführt. „Schon wenn die Ampel von Gelb auf Orange springt, wird das Homeoffice dringend empfohlen“, erklärt Stahlbusch.
Maßnahmenkatalog für Arbeitsplätze
Die Geschäftsführung hat beim ersten Lockdown im vergangenen März schnell reagiert. Sie hat mit dem Betriebsrat Vereinbarungen getroffen. Ein Katalog von Schutzmaßnahmen für die Arbeitsplätze ist umgesetzt worden.
Dank der im Sommer 2019 eingeführten modernen Software können die Beschäftigten weltweit online miteinander kommunizieren. Konferenzen und Besprechungen funktionierten reibungslos. Mitte März habe sich ein Krisenstab formiert. „Die Unternehmensleitung ist nah an den Mitarbeitern dran, immer wieder gibt es online Corona-Sprechstunden für die Führungskräfte, um auch kleinere Probleme sofort sehen und klären zu können.“, sagt Stahlbusch.
Produktion und Logistik laufen unter Einhaltung strenger Schutzmaßnahmen wie gewohnt weiter. Allerdings empfange das Unternehmen schon seit geraumer Zeit keine Besuchergruppen.
Smart Office bei Sedus Stoll bewährt sich
Abstand halten, Homeoffice, stark eingeschränkte Reisen und Kundenkontakte haben auch den Büromöbelhersteller Sedus Stoll herausgefordert. Daniel Kittner, Vorstand Technik, sieht es jedoch durchaus positiv: „In dieser Zeit haben wir auch viel gelernt. In diesem Ausnahmezustand wurden neue Produkte und Lösungen entwickelt, die nicht nur uns selbst, sondern auch unseren Kunden zugutekommen.“
Intern seien Arbeitsplätze umgestaltet und coronasicher konfiguriert, externe Mitarbeiter digital angebunden worden.
Schnelle Anpassung und Modifizierung möglich
Das Unternehmen ist stolz auf das neue Smart Office am Stammsitz in Dogern. „Es hat seine Bewährungsprobe bravourös bestanden“, freut sich Kittner. Basis der Konzeption sei das offene Raumkonzept. Es könne bei wachsender Belegschaft jederzeit angepasst und modifiziert werden. Kittner: „Für uns war es kein großer Aufwand, die Arbeitsplätze so umzubauen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden können. Die eigens und schnell entwickelten Aerosolwände waren dabei hilfreich.“
Trotz allem: Schon beim ersten Lockdown hätten die meisten Mitarbeiter der administrativen Bereiche im Homeoffice gearbeitet. Seit dem 11. Januar arbeiteten alle, bei denen mobiles Arbeiten möglich sei, von unterwegs oder von zu Hause aus. Sie kämen sporadisch ins Büro. Aber das seien weniger als zehn Prozent.
Mit modernster Medientechnik
Video-Konferenzen seien für die international aufgestellten Großkunden des Unternehmens hingegen nichts Neues. Sedus bietet auch solche Techniklösungen an. Deshalb seien die eigenen europäischen Standorte mit modernster Medientechnik ausgestattet. Sie ermöglicht Bildschirmkonferenzen, den Einsatz von Smart Boards und digitalen Austausch von Dokumenten und Notizen.
Nichts ersetzt persönliche Treffen
Kittner ist überzeugt: „Diese Technik kann ein persönliches Treffen natürlich nicht ersetzen. Aber man kann sich durchaus und auch über längere Zeit über diese Kanäle organisieren.“ Mit einem Augenzwinkern ergänzt er: Es sei erst einmal Gewöhnungssache. Je besser die Technik sei, desto mehr Spaß könne man ihr abgewinnen.
Nicht alle finden Homeoffice gut
Die Meinungen zum Homeoffice sind unterschiedlich. Kittner: „Es gibt Mitarbeiter, die richtig begeistert und sogar produktiver sind, andere leiden unter ihrer Situation und wollen nichts lieber, als in ihr Büro zurück.“ Homeoffice sei stark von der technischen, häuslichen und familiären Situation beeinflusst. Gleichzeitig ist er sich sicher, dass sich starre Bürostrukturen zu Gunsten neuer Arbeitsplatzkonzepte auflösen würden.
DSM in Sisseln hat früh reagiert
Der Schweizer Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminprodukten, DSM in Sisseln hat schon im Februar 2020 einen Krisenstab eingesetzt. Auf Nachfrage schreibt Pressesprecherin Anita Fechtig: „Mit der Personalabteilung evaluiert der Krisenstab regelmäßig die effizienteste Interpretation aller Empfehlungen und prüft konstant, in welchem Umfang, und wo möglich, diese umgesetzt werden sollen.“
50-Prozent-Regel für Führungskräfte
Als systemrelevantes Unternehmen trage es mit dessen Produkten zur Versorgung in der globalen Nahrungskette bei. Produktion und Belieferung müssten neben dem Schutz der Mitarbeiter gesichert sein. Wer nicht unbedingt vor Ort sein müsse, sei angewiesen von zu Hause aus zu arbeiten. Für die Führungskräfte im operativen Bereich gelte die 50-Prozent-Regel. Maximal die Hälfte der Führungskräfte eines Bereichs sollten am gleichen Tag vor Ort sein.
Das Unternehmen habe früh reagiert, umfangreiche Präventions- und Hygienemaßnahmen schnell umgesetzt. So sei die Produktion durch den Lockdown nicht beeinträchtigt gewesen. Fechtig: „Dank der Unterstützung unserer kompetenten IT-Abteilung sind wir auch digital sehr gut aufgestellt und konnten die Krise bis dahin gut meistern.“
Keine Probleme mit digitalen Meetings
Digitale Meetings auf nahezu allen Ebenen stellten für das Unternehmen kein Problem dar. Der Zutritt zum Werk sei streng und restriktiv geregelt. Nur so genannte geschäftskritische Besucher erhalten Zutritt – unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen. Nicht geschäftskritische Meetings seien nicht erlaubt. Sie werden, wenn möglich, digital abgehalten.
AOK berät verstärkt am Telefon
Der Vorstand der AOK Baden-Württemberg hat schon zu Beginn der Pandemie ein zentrales Reaktionsteam organisiert. Das bewertet laufend die bestehende Lage. Marc Seigel, Leiter Personalmanagement, schreibt: „In den 14 Kundencentern der AOK Hochrhein-Bodensee – davon fünf im Landkreis Waldshut – sind die Mitarbeiter weiterhin für die Versicherten da. Sie beraten aber verstärkt telefonisch.“ Persönlich und nah zu beraten, gelinge auch am Telefon, mit E-Mail oder Post.
„Allein über das Telefon erreichen uns momentan im Durchschnitt 3500 Anrufe in der Woche“, beschreibt er.
Die Hälfte arbeitet zu Hause
Flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten sei bei der AOK Baden-Württemberg schon lange wichtige Themen. Auch bei der AOK Hochrhein-Bodensee sei bislang schon möglich gewesen, dass Mitarbeiter von zu Hause aus oder an anderen Standorten arbeiten. Aktuell seien von den 480 Mitarbeitern in den Landkreisen Waldshut, Lörrach und Konstanz etwa 50 Prozent im Homeoffice. Seigel: „Sie teilweise auch von ihrem privaten Rechnern sicher auf den virtuellen Arbeitsplatz zugreifen.“
Datenschutz setzt Grenzen
Auch bei der Landes-AOK bestehe zurzeit ein vermehrter Bedarf an Telefon-, Web- und Videokonferenzen. Seigel gibt zu bedenken: „Die Grenzen gibt uns dabei vor allem der Datenschutz vor, der uns sehr wichtig ist.“ Nicht alle Konferenzsysteme erfüllten die Standards, die der Dienstleister ans eigene Handeln stelle.
Möglichst wenig Kontakt mit Kollegen
Im Neubau am Rheinfels in Waldshut arbeiteten die Beschäftigten in größeren Einheiten, im obersten Stockwerk in einer festen Bürolandschaft ohne fest zugewiesene Arbeitsplätze. Aber derzeit organisierten die Beschäftigten die Arbeitsabläufe so, dass möglichst wenig Kontakt zu den Kollegen hätten. Arbeitsmittel werden nicht geteilt. Jeder nutze seinen eigenen Dienstlaptop. Wenn das nicht möglich ist, werde der Arbeitsplatz beim Verlassen des Büros und morgens vor Beginn gründlich gereinigt.