Jetzt spricht der Stein des Anstoßes. Als er im Frühjahr 2015 zwischen Tiefenstein und Hohenfels auf die Albtalstraße rutschte und deren Sperrung verursachte, ahnte er wohl kaum, welche Aufmerksamkeit und sonderbare Behandlung er erfahren würde. Politiker scharrten sich vor ihm, bestaunten seine Größe, überlegten, was mit ihm zu tun sei.
Von alleine wird der tonnenschwere Block es kaum nach oben geschafft haben
Während sie überlegten und überlegten (und sie überlegen immer noch), wurde der Stein vor vier Jahren von Unbekannt mit schwerem Gerät quer über die Straße geschoben und die steile Albhalde hinabgestoßen. Dort blieb er achtlos liegen. Bis er vor kurzem, rechtzeitig zu Ostern, seine Halde verließ. Seither befindet sich der tonnenschwere Stein wieder an fast derselben Stelle von früher. Unbeschädigt, mächtig und trotzig am Rand der Albtalstraße, an Felsen gelehnt, wahrscheinlich erneut von schwerem Gerät und Unbekannt hinaufbefördert, denn von alleine wird er es wohl kaum nach oben geschafft haben, es sei denn durch ein Wunder, wie es einst mit dem Stein am Grabe Christi geschah.
Er steht in einem Blumenbeet, eine Tafel ist an ihm angebracht
Nun steht er in einem mit Brettern umrandeten Beet, in dem viele Blumen blühen. Auf dem Stein ist eine metallene Tafel mit einer Inschrift angebracht, mittels dieser er sich erklärt. Nachdem ihm bewusst wurde, was er alles verursacht habe – ‚die Sperrung der Albtalstraße, die Unsummen an Steuergeldern für Gutachten, die unglaubliche Furcht des Menschen vor mir, und wie die Obrigkeit an mir verzweifelt‘ – sei er aus Scham im Januar 2020 in die Alb hinabgestiegen, um den Weg zur Sanierung freizumachen sowie um seinen Frieden zu finden.
Das letzte Wort hat Goethe: „Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun“
„Seither sind vier weitere Jahre ins Land gegangen“, hält er fest, „und obwohl ich schon viele Zeitepochen erleben durfte, ist es auch für mich eine ganze Ewigkeit des Stillstands“. Als Mahnmal und aus letzter Kraft sei er nochmals aus der Alb auferstanden, erzählt er, „um die Volksvertreter zu ermahnen, ihrer Pflicht und Verantwortung nachzukommen, damit dieses historische Bauwerk aus dem Jahre 1859, wieder Teil unserer Heimat wird“. Schlusssatz: „In Gedenken an die seit neun Jahren gesperrte Albtalstraße! März 2024.“ Garniert wird die Inschrift mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: „Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.“