„Man spricht mit einem Menschen, der nur wenige Anzeichen hat – Fieber und etwas Husten – und fünf Tage später ist er tot“: Christin Berg lernt den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin im Kreiskrankenhaus Lörrach. Was sie schildert, ist einer der Covid-19-Fälle, der ihr bis heute stark nachgeht. „Dieser Patient war gar nicht so alt, eigentlich gesund, nur übergewichtig“, so die Auszubildende.

Die 31-Jährige kam vor zwei Monaten aus dem Krankenhaus Schopfheim als Verstärkung auf die Corona-Isolierstation nach Lörrach. Sie betreut Patienten, die mit dem Virus SARS-Cov-2 infiziert und an Covid-19 erkrankt sind.
„Wenn man diesen Husten hört, sieht, wie die Menschen kämpfen und keine Kraft mehr haben, selbst abzuhusten, wenn man den Schleim absaugen muss und alles versucht, um dem Menschen zu helfen, – das geht an keinem von uns spurlos vorbei.“Christin Berg, Auszubildende Gesundheits- und Krankenpflegerin
Zahlreiche Krankheitsverläufe hat sie mittlerweile miterlebt. „Dann kommt der Moment, wenn der Patient auf die Intensivstation muss, wenn klar ist, dass wir ihm auf der Station nicht mehr helfen können.“
Um diese Covid-19-Fälle kümmert sich dann Daniel Buss. Mit 27 Jahren ist er noch ein „Youngster“ im Team der Lörracher Intensivpfleger. Ein Begriff, der ihn selbst manchmal ärgert. Vor eineinhalb Jahren hat er seine Ausbildung in Lörrach abgeschlossen und arbeitet seither auf der Intensivstation im Kreiskrankenhaus.

Im Zuge der Behandlung von Covid-19-Patienten kam auf ihn dann eine besondere Verantwortung zu, denn Buss war plötzlich selbst der Erfahrene, wies neue Kollegen, auch Wiedereinsteiger in die komplizierte Beatmungstechnik ein, half ihnen dabei sich zurechtzufinden. „Unser Team hat sich nahezu verdoppelt, aber auch die Anforderungen sind durch das Virus gestiegen“, sagt Buss.
„Erst sind sie bei uns nicht beatmet, dann beatmet, dann tot“, als Daniel Buss diesen Satz ausgesprochen hat, hält er kurz inne. In der infektiösen Abteilung der Intensivstation sind die schwersten Krankheitsverläufe alltäglich. „Wer Covid-19 überlebt ist meist jung und hat genügend Reserven. Doch wir wissen noch viel zu wenig über Folgeschäden und Prognosen“, gibt Bernhard Hoch, der medizinische Geschäftsführer der Kliniken des Landkreises Lörrach zu bedenken.
„Die emotionale Arbeit ist ähnlich wie vor Corona, aber viel extremer“, beschreibt Intensivpfleger Buss. Psychologische Unterstützung gibt es seit beginn der Epidemie darum hausintern für alle Mitarbeiter. „Es ist besonders schlimm, wenn wir Patienten beatmen müssen, die so alt wie meine Eltern sind. Oder sogar noch jünger“, sagt Daniel Buss.
„Man ringt und kämpft um ihr Leben, 30 Tage oder sogar länger an der Beatmungsmaschine.“Daniel Buss, Gesundheits- und Krankenpfleger auf der Covid-19-Intensivstation
Viele Patienten sterben, manche schaffen es, wieder selbst zu atmen. Erst vor wenigen Tagen erlebte der Intensivpfleger einen solchen Fall: Mehr als einen Monat lag der Patient auf der Intensivstation in Lörrach, wurde beatmet bis sich sein Zustand verbesserte. Dann wurde er zur Rehabilitation verlegt.
„Seine Frau und er hatten sich 31 Tage lang nicht gesehen und sie werden sich auch in den nächsten Wochen kaum sehen können“, erklärt Daniel Buss. „Wir haben dann organisiert, dass sich das Paar trotzdem kurz sehen kann.“ Bei der Erinnerung wird das Lächeln des Pflegers trotz Mundschutz sichtbar: „Wir brachten den Patienten nah ans geöffnete Fenster und seine Frau stand draußen. Körperkontakt war natürlich nicht möglich, aber sich konnten sich sehen, miteinander sprechen und einander zumindest Kusshände zuwerfen.“
„Wir haben durch die 12-Stunden-Schichten deutlich weniger Zeitdruck“, sagt Sascha Gerber. Der 20-Jährige absolviert seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger am Kreiskrankenhaus in Lörrach. Derzeit ist er in der Onkologie eingesetzt, wo er keinen direkten Kontakt mit SARS-Cov-2-Infizierten hat. Doch das neuartige Coronavirus wirkt sich auch auf seinen Arbeitsalltag aus. Denn er geht täglich mit höchst gefährdeten Patienten der Risikogruppe um, sie vor einer Infektion zu schützen hat oberste Priorität.
Und dann ist da noch die menschliche Komponente:
„Da die Patienten keine Besuche von Angehörigen haben dürfen, sind wir stärker im Dialog mit ihnen und versuchen ihnen den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten.“Sascha Gerber, Auszubildender Gesundheits- und Krankenpfleger
Durch die längere Schicht bleibe darum mehr Zeit, sagt er und erzählt von einem spontanen Ausflug mit einem Patienten auf das Dach des Krankenhauses, um „mal etwas anderes sehen zu können“. „Ja es ist anstrengend, aber es macht einen glücklich zu sehen, wenn ein Patient zufrieden ist.“
Deutlich stärker wirkt sich Covid-19 auf den Alltag von Pflegeschülerin Christin Berg aus. „Wir müssen unsere Abläufe immer sehr genau planen. Das war anfangs eine Umstellung, aber mittlerweile ist es Alltag und funktioniert im Team sehr gut“, sagt sie, nennt Schutzkleidung, Maske, Brille und Handschuhe, die im Kontakt mit den infizierten Patienten unverzichtbar sind.
Doch wie hat sich das Privatleben der jungen Pflegekräfte in den vergangenen Monaten verändert? „Mein Freundeskreis, mit dem ich mich treffe, ist auf meine Arbeitskollegen beschränkt“, sagt Sascha Gerber. Er hält Abstand von seinen Freunden außerhalb des Klinikums, nutzt nur noch soziale Medien, Video- und Telefongespräche um in Kontakt zu bleiben. „Natürlich mache ich mir Sorgen, das Virus selbst zu haben und ich will die anderen schützen.“
Die Angst, jemand anderen zu infizieren, beschäftigt die jungen Pfleger. Entsprechend vorsichtig sind sie selbst: „Ich gehe tatsächlich nur noch raus um einzukaufen“, sagt Christin Berg. Gerade zu Beginn der Epidemie habe sie mit ängstlichen Reaktionen ihres Umfelds zu kämpfen gehabt:
„Wenn Freunde dir sagen, sie wollen dich nicht treffen, weil sie Angst haben und den Kontakt scheuen, dann ist das ein ganz schlimmes Gefühl.“Christin Berg
Daniel Buss sagt: „Ich verbringe meine freie Zeit meist in meinem Zimmer oder draußen beim Angeln.“ Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass Freunde ihn gemieden haben: „Bei einer Begegnung wollte mein Kumpel nicht mal auf meine Straßenseite wechseln.“ Das habe sich mittlerweile etwas normalisiert, aber der Intensivpfleger sorgt sich sehr um seine Familie: „Ich arbeite penibelst und tue alles, um meine Eltern und Verwandten zu schützen.“
Mit den aktuellen Lockerungen sind aus Sicht der Pflegekräfte: auch Risiken verbunden:
„Ich beobachte, dass Freunde in meinem Umfeld zum Teil leichtsinnig werden, sich treffen, nicht an die Abstandsregeln halten und das macht mir wirklich Sorgen.“Daniel Buss
Gerber und Berg stimmen nickend zu, auch als Buss darauf eingeht, wie er sich online in sozialen Netzwerken um Aufklärung bemüht.
„Es gibt gute Gründe sich an die Vorgaben zu halten, denn wir müssen einfach alle aufeinander achten – auch wenn es schwer fällt.“Sascha Gerber
Buss gibt zu bedenken: „Auch wenn die Infektionszahlen derzeit niedrig sind: Das Virus ist immer noch da und die Zahlen sind das Ergebnis unseres Verhaltens in den vergangenen Wochen.“
Vor allem an ihre eigene Altersgruppe richten die jungen Pfleger den Appell, sich nicht leichtsinnig zu verhalten und bei allen Nachrichten, die im Internet kursierten unbedingt auf die Quellen zu achten. „Man darf nicht nur an sich denken, sondern an das Wir“, sagt Christin Berg und auch wenn es nicht nach Corona aussähe, so seien das Virus, die Krankheit, die es auslöst und die schweren Verläufe Realität – und Alltag der jungen Pflegekräfte.